aus dem heutigen Tagi.
Der Vorzeigeclub geht fremd
Der Weg nach oben ist für die Talente der ZSC Lions verstellt, weil diese ein solch reich bestücktes Kader haben. Nur fragt sich: Braucht es Zuzüge wie die der Tessiner Pestoni und Guerra?
Simon Graf
Es klingt paradox. Da engagieren die ZSC Lions mit Hans Wallson und Lars Johansson zwei der profiliertesten Ausbildner Europas, doch unter den Schweden spielt nur ein Junior: USA-Rückkehrer Jonas Siegenthaler. So sehr die Zürcher in den letzten Jahren für ihre Pyramide und Nachwuchsförderung gelobt wurden, derzeit stockt es. Das beste Beispiel dafür ist Roger Karrer. Wohl keiner spricht dem ehemaligen Captain des U-18-Nationalteams die Fähigkeit ab, in der NLA spielen zu können. Doch nach ansprechendem Beginn beim ZSC wurde er Mitte Oktober ins Farmteam versetzt. Weil für ihn der Platz fehlt bei den Stadtzürchern.
Vom Erreichen der Vision von CEO Peter Zahner, dereinst ein NLA-Team mit lauter «Eigengewächsen» zu haben, entfernten sich die ZSC Lions wieder. Mit Fabrice Herzog, Christian Marti, Samuel Guerra und Inti Pestoni stiessen in den letzten zwei Saisons vier auswärtige Spieler dazu, Biels Dave Sutter ist der nächste. Der Transfer des 24-jährigen Verteidigers auf nächste Saison ist noch nicht bestätigt, aber längst vollzogen. Sutter hat gute körperliche Voraussetzungen, aber auch spielerische Limiten - er ist ein Mann für die dritte oder vierte Verteidigung. Da fragt sich: Müsste ein Club, der jährlich 3,7 Millionen Franken in den Nachwuchs investiert, einen solchen Spieler nicht selbst produzieren?
Marti und Herzog machen Sinn
«Es ist im Moment nicht einfach für einen Jungen, bei uns das Kader zu knacken», räumt ZSC-Sportchef Edgar Salis ein. «Aber wir holen einen Spieler nicht von aussen, wenn wir das Gefühl haben, wir hätten seine Qualitäten in den eigenen Reihen.» Die Transfers von Herzog und Marti, die für eine gesteigerte physische Präsenz sorgen, machen da durchaus Sinn. Die Zuzüge von Guerra und Pestoni weniger. Die Tessiner haben noch nicht gezeigt, dass sie den Lions ein zusätzliches Element bringen. Die These sei gewagt: Mit Karrer (20) anstelle von Guerra und Mattia Hinterkircher (21) oder Dominik Diem (20) statt Pestoni hätten diese keinen Punkt weniger - und ihr Kader wäre günstiger.
Natürlich ist es eine Gratwanderung, den Erfolgsansprüchen gerecht zu werden und Junge einzubauen. Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass es möglich ist. Bob Hartley setzte diesen Auftrag 2011/12 erstmals konsequent durch, integrierte Luca Cunti, Ronalds Kenins und Chris Baltisberger und wurde erst noch Meister. Auch Nachfolger Marc Crawford setzte auf Junge wie Siegenthaler und Denis Malgin. 2014 titelte der «Tages-Anzeiger» lobend: «Der hausgemachte Meistertitel.» Aber wieso sind die Lions jüngst von ihrem Kurs abgekommen? Bringen sie keine Talente mehr hervor? Oder üben sie sich im Prestigeduell mit dem SC Bern in einem «Wettrüsten»?
CEO Peter Zahner macht aussergewöhnliche Umstände geltend: «Nach der schwarzen Verletzungswelle der letzten Saison planten wir entsprechend. Nun hatten wir glücklicherweise weniger Verletzte. Zudem hatten wir nicht damit rechnen können, dass Kenins und Siegenthaler zurückkehren.» Das führte zu einem allzu reich besetzten Kader,in dem nicht nur Junioren kaum eine Chance haben, sondern auch eigene, entwicklungsfähige Spieler wie Phil Baltisberger (21) und Mike Künzle (23) kaum Eiszeit bekommen.
«Wir wissen, dass das heikel ist und wir das anpassen müssen», sagt Zahner. So würden die Abgänge von Cunti und Patrik Bärtschi nicht durch Transfers ersetzt. An Talenten mangelt es den Zürchern nicht. Mit Siegenthaler, Karrer, Diem, Raphael Prassl (19) und Marco Miranda (18) hatten die ZSC Lions an der U-20-WM in Montreal einen ganzen Block. Vier spielten diesen Winter meist bei GCK. «Die Eiszeit ist für die Entwicklung junger Spieler entscheidend», sagt Salis. «Die bekamen sie.» Doch manchmal ist es das Beste, man wirft sie wie HCD-Coach Arno Del Curto einfach ins kalte Wasser und schaut, ob sie schwimmen können.
Im ZSC-Farmteam war jedenfalls diesen Winter abgesehen von Hinterkircher bei den talentiertesten Jungen eine Stagnation festzustellen. Zuletzt übten sie sich vor allem im Verlieren. Von Dezember bis Mitte Januar kassierte GCK 15 Niederlagen in Serie, beim Tabellenletzten sehnt man das Saisonende herbei.
Schenks Abgang unter Misstönen
Bei den Mini-Lions steht eine Zäsur an. Nicht nur Coach Matti Alatalo, der durch Zugs Leo Schumacher ersetzt wird, auch Sportchef Simon Schenk verlässt den Club. «Ich bekam Signale, die ich so deutete, dass es besser ist, aufzuhören», sagt der Emmentaler. Präzisieren mag er das nicht. Es deutet darauf hin, dass es hinter den Kulissen rumorte. Gut möglich, dass Schenk unzufrieden war, dass der Weg nach oben blockiert ist. Das Farmteamsystem hält der frühere Nationalcoach nach wie vor für eine gute Lösung: «Heute spielen rund 30 Spieler in der Nationalliga A, die durch GC gingen. Wir haben schon etwas richtig gemacht. Und auch vom aktuellen Team werden einige einen NLA-Vertrag erhalten.» Aber sicher nicht alle beim ZSC.
Wie Schenk ersetzt wird, ist offen. Sicher ist, dass die Zürcher am Farmteam festhalten. Aber Zahner sagt: «Wir müssen dessen Positionierung überdenken. Resultatdruck gehört auch zur Ausbildung.» Und wie sieht die Zukunft der Jungen aus? Nach dem goldenen Jahrgang 1997 mit Siegenthaler, Malgin, Karrer, Diem und Prassl folgen weniger gut besetzte. «Wir haben zwar viele Spieler in der Pipeline», sagt Nachwuchschef Richi Jost. «Aber im Moment sehe ich keinen, der das ganze Paket hat.»
Jost verspricht: «Wir erkennen den Wert unserer Spieler.» Zu den Wohltätern der Liga, die für alle anderen die Talente ausbilden ausser für sich selbst, wollen die Lions ja wohl nicht werden.