• «Man kann keinen Meistertitel kaufen»
    InterviewWalter Frey, seit 1997 VR-Präsident der ZSC Lions, hat nie gezählt, was ihn der Weg an die Spitze gekostet hat. Er sieht Simon Schenk als wichtigsten Transfer und hofft weiter auf ein eigenes Stadion

    Als 1997 die Fusion zwischen dem ZSC und der GC-Eishockeysektion beschlossen wurde, gab es laute Proteste. Inzwischen wird bei ZSC-Meisterfeiern Ihr Name ­skandiert. Eine Genugtuung?
    Natürlich freut es mich. Es ist aber auch nachvollziehbar. Wenn sich die Leute freuen, dass die Mannschaft Erfolg hat, färbt das auch ein bisschen auf die ab, die im Hintergrund stehen.

    Die ZSC Lions machten es auf dem Weg zum Titel lange spannend. Wie angespannt sind Sie im Playoff?
    Ich zeige es gegen aussen nicht so. Aber ich bin ziemlich angespannt.

    Sieht man Sie auch laut jubeln?
    Je älter ich werde, desto weniger kann ich mich disziplinieren. In letzter Zeit sah man mich lauter jubeln als früher. Ja, es gibt solche Ausreisser.

    Man hat den Eindruck, Sie waren zuletzt so nahe am Team wie nie.
    Dieser Eindruck ist nicht ganz richtig. Ich war früher eher näher am Team. ­Inzwischen kann ich mich immer mehr auf die Führung der ZSC Lions verlassen. Und wenn die Resultate nicht schlecht sind, braucht es den Präsidenten weniger. Das heisst aber nicht, dass ich nicht ab und zu in die Kabine gehe.

    Gibt es auch einmal ein präsidiales Donnerwetter nach Niederlagen?
    Von einem Donnerwetter würde ich nicht sprechen. Ich zeige den Spielern einfach, dass wir uns auch vom Präsidium her Gedanken zu ihren Leistungen machen. Und wenn der Einsatz fehlt, sie pomadig spielen, sage ich das auch.

    Wie eng ist Ihre Beziehung zu den Spielern?
    Ich kenne natürlich jeden vom Papier her. Nur schon, weil ich bei jedem zurate gezogen werde, ob er angestellt wird oder nicht. Aber wo Menschen sind, gibt es immer auch Geheimnisse.

    Gibt es Transfers, die ohne Ihr Wissen ablaufen?
    Bei der ersten Mannschaft nicht. Da weiss ich genau, was läuft. Seit Jahren wird immer noch gewartet, ob auch ich einverstanden bin.

    Haben Sie einen Lieblingsspieler?
    Das ist, als ob man einen Vater fragen würde, ob er ein Lieblingskind hat. Nein. Mir sind alle meine Kinder lieb.

    War es eine besondere Freude, im Final die Kloten Flyers zu schlagen?
    Nein. Es war, als ob wir Bern, Davos oder Fribourg geschlagen hätten. Und ich war mit Kloten persönlich ja auch lange ­verbunden, weil ich mit Toyota während 25 Jahren Sponsor war.

    <min Kommentar dezue: er hät wohl nie d'Häme vo de Waldtuble dörfe erfahre + doch: vor allem s'4-0 isch e bsunderi Freud gsi!
    eigentlich sötted mir ihm au es 4-0 Shirt schänke :mrgreen: >

    Wieso jetzt nicht mehr?
    Man hatte sich ein bisschen auseinandergelebt. Kloten wollte sich neu auf­stellen, und das hatte auch Einfluss aufs Sponsoring. Aber es gibt keine Dissonanzen. Überhaupt nicht.

    Philippe Gaydoul versucht, in ­Kloten etwas Ähnliches aufzubauen wie Sie bei den ZSC Lions. Wie beurteilen Sie das?
    Ich finde, es ist eine tolle Sache, wie er sich da anstrengt. Das nimmt uns im Raum Zürich ein bisschen Last von den Schultern. Was er macht, geht in die richtige Richtung. Ich begrüsse das sehr.

    Die ZSC Lions haben seit 2000 fünf Titel und die Champions League gewonnen. Wo sehen Sie die Gründe?
    Es wurde auf allen Ebenen gut gearbeitet. Wir konnten eine gute Basis schaffen. Aber bis alles griff, von unten bis oben, dauerte es seine Zeit. Als wir antraten, war die Ausgangslage schwierig. Man hatte bei GC wie beim ZSC nicht überall Freude an dieser Fusion. Deshalb waren wir verdammt, rasch Erfolg zu haben. Die Titel von 2000 und 2001 halfen enorm. Danach verstummten die Rufe gegen die Leitung etwas. Aber wir hatten auch Stunden, in denen wir haderten. Etwa, als wir ins neue Hallenstadion einzogen und dann nichts mehr lief. Aber das ist ja auch das Schöne am Sport: Es ist nicht ­alles planbar und auch nicht bezahlbar. Man kann keinen Meistertitel kaufen. ­Zumindest nicht kurzfristig.

    Aber Geld hilft.
    Natürlich. Man kann damit langfristig die Voraussetzungen schaffen, um eine Chance zu haben. Aber es braucht viele Leute, die ihren Teil leisten müssen. Ohne einen guten Coach geht es nicht. Ohne einen guten Mittelstürmer auch nicht. Man braucht einen guten Goalie, CEO, Sportchef. Und am Schluss braucht es noch den Präsidenten, der alles koordiniert und zusammenhält. Dazu kommt das Irrationale. Man kann drei Spiele verlieren, und plötzlich zweifeln alle an dem, woran sie zuvor noch geglaubt hatten. Das permanente Wechselspiel ist im Sport viel präsenter als in der Wirtschaft.

    Was war Ihr bester Personal­entscheid in all den Jahren?
    Das Engagement von Simon Schenk. Er brachte ein riesiges Know-how mit, auf ­allen Ebenen. Das war für uns als junge Organisation sehr wichtig. Dass wir ­jemanden hatten, vor dem man Respekt hat. Ich kannte ihn schon von der Politik her, vertraute ihm und verstehe seine Sprache. Am interessantesten ist es manchmal, wenn er nichts sagt. Dann muss man die richtige Frage stellen.

    Was war der schönste Moment?
    Als ich nach Rapperswil fuhr für den Champions-League-Final. Ich hatte im Spital einen kleinen Eingriff gehabt, fuhr direkt ins Stadion, ohne grosse Erwartungen, und wurde überrascht von ­unserem Team. Wenn man etwas nicht erwartet, freut es einen umso mehr.

    Und der schwierigste?
    Als wir ins Playout stürzten (2005/06). Ich spürte, in welchem Zustand die Mannschaft war, ging damals drei-, viermal in die Kabine, um ihr zuzureden. Ich versuchte den Spielern klarzu­machen, dass wir an sie glauben. Aber auch ich war nervös. Ich wusste: Es ist kein technisches oder körperliches Problem, die Krise steckt in den Köpfen.

    Sie haben ja eigentlich Benzin in Ihren Adern. Wie kamen Sie zum Eishockey?
    Ich hatte das Benzin mit 14, 15 vielleicht in den Adern. Aber ich konnte es nicht ausleben. Ich kam über ein Schülerturnier zum Eishockey. Dort fielen wir, eine Gruppe Kollegen, auf und wurden angefragt, ob wir nicht bei der GC-Eishockeysektion spielen möchten. Dieser Sport hat mich immer gepackt. Ich bin überzeugt, dass er eine ideale Freizeit­beschäftigung ist für junge Männer. Und neuerdings ja auch für junge Frauen. Man muss an seine Leistungsgrenzen ­gehen, im Team etwas erreichen, sich ­innerhalb von Strukturen bewegen. Und man muss, um gut zu werden, viel trainieren. Talent allein reicht nicht. Es ist also weiss Gott eine gute Lebensschule.

    Ihr Sohn Lorenz wurde Rennfahrer. Wie gut ist er?
    Er ist allgemein ein sehr guter Sportler. Er spielte ja Eishockey bis zu den Elitejunioren, musste aber leider wegen ­eines Schleudertraumas aufhören. ­Etwas, was ihn sehr lange beschäftigt hat. Im Auto kann man den Kopf und das Genick etwas besser fixieren. Er macht es gut und ausdauernd, auf halbprofessioneller Ebene. Ich bin froh, dass ich eine ­Familie habe, in der sich jedes Kind freut am Sport. Eine Tochter spielt ja Uni­hockey, die Jüngste ist Sprinterin.

    Zurück zum Eishockey. Ist es in der Schweiz profitabel zu betreiben?
    Unter gewissen Umständen ist es knapp möglich. Aber diese Umstände sind nicht überall gegeben. In Bern, Davos, vielleicht Freiburg, kann man schwarze Zahlen schreiben, wenn man masshält, ein begeistertes Umfeld hat, die Halle nicht viel kostet und das Catering gut läuft. Aber die günstigen Umstände sind nur an vereinzelten Orten gegeben. In Zürich kranken wir stark an der Stadionfrage, weil wir nicht selber wirtschaften können. Das ist eine Einnahmequelle, die uns fehlt. Dazu haben wir einen ­äusserst schwierigen Spielplan, der uns nicht nur in marketingtechnischer, ­sondern auch in sportlicher Hinsicht das Leben schwer macht. Und wenn man wie wir noch eine so breite Junioren­förderung betreibt und eine National­liga-B-Mannschaft, schafft man keine ausgeglichene Rechnung. Wenn wir langfristig gesunden, nicht darauf angewiesen sein wollen, dass es immer mal ­wieder einen finanziellen Zustupf gibt, müssten sich zwei, drei Dinge ändern.

    Wünschten Sie sich manchmal, ein Eishockeystadion wäre so leicht hinzustellen wie ein Hafenkran?
    Sie sagen es!

    Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Arena in Altstetten gebaut wird?
    Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber wir werden älter mit unserer Hoffnung.

    Das heisst?
    Das Projekt ist abgeschlossen, und zum Glück gibt es einen gewissen Konsens bei den politischen Entscheidungsträgern, die hinter dem Projekt stehen. Aber ob es vom Parlament und allenfalls sogar vom Souverän abgesegnet wird, werden wir sehen. Wichtig ist aber zu bemerken, dass wir uns privat finanziell sehr stark engagieren. Deshalb ist unser Projekt ­anders aufgestellt als jenes im Fussball.

    Von der Politik fühlen Sie sich in der Stadionfrage im Moment also nicht mehr im Stich gelassen?
    Sie formulieren es richtig: im Moment nicht. Und man muss schon sehen: Es geht immerhin um die Ausbildung von 800 Junioren. Eine solch breite Nachwuchsbewegung gibt es in der ganzen Schweiz nicht. Nicht einmal im Fussball.

    Der SCB schafft es, das Eishockey mit seinen Gastrobetrieben ­querzufinanzieren. Wäre das nicht auch ein Modell für die ZSC Lions?
    Es ist eine ganz gute Sache, was sie beim SCB aufgebaut haben. Aber wir haben eine andere Gastroszene in Zürich. Ich weiss nicht, ob man dieses Modell bei uns kopieren könnte. Aber wir sind daran, uns zu überlegen, wie wir zusätzliche Finanzquellen erschliessen könnten.

    Zum Beispiel mit einer Sport-­Physiotherapie?
    Es ist naheliegend, dass sich Spezialisten ansammeln, wenn man ein Spitzenteam und so viele Junioren betreut. Physiotherapeuten, Ärzte. Und da überlegt man sich, ob diese nicht mithelfen könnten, ­Zusatzdienstleistungen zu verkaufen.

    Haben Sie schon einmal zusammengerechnet, wie viel Geld Sie die ZSC Lions bis jetzt gekostet haben?
    Nein, das habe ich nicht.

    Ihre Frau dürfte Ihnen Ihr Engagement nicht vorwerfen. Sie scheint auch fasziniert vom Eishockey.
    Es ist eine Familienangelegenheit. Wir alle sind begeistert davon. Deshalb fällt es auch leichter, ab und zu eine Zuwendung zu machen.

    Es gab immer wieder Gerüchte, Sie würden bald zurücktreten als Verwaltungsratspräsident. Haben Sie sich einen Zeithorizont gesetzt?
    Ich habe mir schon ein paarmal einen Zeithorizont gesetzt. Aber ich hatte die Disziplin nie, ihn einzuhalten. Seit bald fünf Jahren sollte ich sagen, wann ich zurücktrete.

    Wie schwierig ist es, einen ­Nachfolger aufzubauen?
    Es ist heute leichter als vor ein paar ­Jahren. Denn heute ist die Organisation stärker gefestigt, besser geführt.

    Haben Sie nicht Angst, dass Ihr Erbe mit der Juniorenbewegung und den GCK Lions zerstört werden könnte?
    Angst nicht. Aber natürlich macht man sich Sorgen. Die Nachfolger werden ­sicher versuchen, die Juniorenabteilung zu halten. Ob das geht, werden wir dann sehen. Natürlich möchte ich, dass diese gute Sache weitergeht.

    Was ist Ihr Wunsch für diese Saison?
    Dass die Mannschaft ehrlichen Einsatz bringt. Wenn die Fans Freude haben, habe auch ich Freude. (Tages-Anzeiger)

    original: http://www.tagesanzeiger.ch/sport/hockey/M…/story/12811128

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