Marc Crawford lässt sich den Optimismus nicht nehmen
Trotz zweier Dämpfer Die ZSC Lions waren beim 2:5 gegen die Lakers chancenlos, der neue Coach weiss nun,
was nicht funktioniert. Vor allem in der Offensive will er ansetzen.
Simon Graf
Marc Crawford hätte sich aus seinen ersten vier Spielen mit den ZSC Lions bestimmt vier Siege und zwölf Punkte gewünscht. Doch der
Kanadier sieht seine erste turbulente Woche hinter der Zürcher Bande trotzdem positiv, weil als wertvolle Erfahrung. Er sagt: «Ich glaube, ich
habe ein ziemlich repräsentatives Bild vom Team erhalten.»
Auf die schmeichelhaften Siege gegen Biel (2:1) und Bern (3:0) folgten die Rückschlage gegen Ajoie (2:3) und die Lakers (2:5). «Beide
Niederlagen sind nachvollziehbar», sagt Crawford. «Das Ajoie-Spiel gewinnen wir in der Regel aufgrund der Chancen. Aber Ajoie spielte
clever, wartete und nutzte seine Möglichkeiten. Gegen die Lakers war das erste Drittel gut, danach sahen wir aus wie ein Team, das auf Reserve
fährt. Wir liessen den nötigen Fokus vermissen, was passieren kann, wenn man müde ist. Es war unser viertes Spiel in sieben Tagen.»
Der Kanadier betont aber auch sogleich, bisher viel Positives gesehen zu haben. «Ich habe eine Gruppe angetroffen, die mit grossem
Engagement ans Werk geht. Ich spüre einen grossen Willen der Spieler, sich zu verbessern. Sie sind überhaupt nicht zufrieden. Wir haben gute
Leader, der Charakter des Teams stimmt. Das ist eine gute Ausgangslage und stimmt mich sehr zuversichtlich.»
«Müssen mehr schiessen»
Die grösste Baustelle ist leicht ausgemacht: Es fehlen die Tore. Viermal brachten die Zürcher nur je zwei Treffer zustande, dazu noch das 3:0
gegen den SC Bern ins verlassene Tor. «Wir müssen mehr Offensive produzieren, ganz klar», sagt Crawford. «Es reicht nicht, wenn wir meinen,
wir könnten unsere Gegner allein mit unserem Skills ausspielen. Wir müssen viel mehr Intensität entwickeln, viel mehr schiessen, den Preis in
der Offensive bezahlen. Wir müssen gute Gewohnheiten entwickeln, dann kommen auch die Resultate.»
Wenn die Zürcher freies Eis vorfanden, kamen sie zu Chancen. Aber es gelang ihnen zu selten, Druck auf die Verteidiger und aufs Tor zu
machen. Da will Crawford ansetzen. Das Team befindet sich in einem Transformationsprozess, bewegt sich momentan noch zwischen den
Gewohnheiten unter Rikard Grönborg und den Ideen von Crawford. Es ist noch anfällig auf Rückschläge, wie man besonders am Samstag am
Obersee sah, als die Lakers angeführt von Roman Cervenka die Kadenz erhöhten. Was Crawford unbedingt abstellen will: die zahlreichen
Stockfouls. Am Freitag und Samstag kassierten die ZSC Lions in der Summe vier Tore in Unterzahl.
Bisher keine Entdeckung
Bei jedem Trainerwechsel werden die Karten neu gemischt. Die Spieler haben die Gelegenheit, sich neu zu präsentieren. Crawford gab
beispielsweise Sopa und Bachofner die Möglichkeit, sich in einer Offensivlinie zu zeigen. Sopa stürmte zusammen mit Lammikko und Texier,
Bachofner neben Roe und Riedi. Doch beide brachten nichts Zählbares zustande. Und Verteidiger Guebey lenkte gegen Ajoie den Puck zum 0:1
ins eigene Tor ab. Eine grosse Entdeckung gab es für Crawford bisher nicht.
Roe traf am Obersee immer-hin erstmals seit dem 21. Oktober wieder. Der 34-jährige Amerikaner kämpft verzweifelt um die Fortsetzung seiner
Artikel auf Seite 25 der Zeitung Tages-Anzeiger vom Mo, 09.01.2023 https://epaper.tagesanzeiger.c…0/2023-01-09/25/129764533
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Karriere in der Schweiz. Mit einem Bandencheck erwies der eifrige Stürmer seinem Team aber gegen die Lakers einen Bärendienst. Zu gefallen
wusste der 20-jährige Stürmer Marlon Graf am Samstag bei seinem National-League-Debüt. Aber wenn Azevedo und Andrighetto
zurückkehren, wird es für die Jüngeren wieder schwieriger, gutes Eis zu erhalten.
Klar ist: Ein Trainerwechsel während der Saison ist immer auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Das letzte Mal, als Arno Del
Curto im Januar 2019 übernahm, ging es schief. Und auch unter Hans Kossmann, der das Team 2018 als Nothelfer zum Titel führte, lief es lange
nicht wie gewünscht. Von den ersten neun Spielen unter dem Kanadaschweizer verloren die Zürcher sechs. Erst zum Playoff-Start gegen Zug
machte es so richtig klick.
Noch zwei Monate
Crawford hat noch zwei Monate Zeit, bis das Playoff beginnt. Er gibt sich zuversichtlich, dass die ZSC Lions bis da ihre neue Identität gefunden
haben. Diese und nächste Woche hat er jeweils vier Tage Zeit, um im Training an einigen Dingen zu feilen, dann folgt für die Zürcher bis Ende
Januar eine intensive Phase mit sieben Spielen in zwölf Tagen.
Crawford ist überzeugt, dass er das Schweizer Eishockey jetzt deutlich besser versteht als 2012, als er erstmals nach Zürich kam. Damals habe er
eine Saison gebraucht, um die wahren Stärken gewisser Spieler zu erkennen. Der 61-Jährige ist inzwischen vom Hotel in Altstetten in seine
Wohnung in Winkel um gezogen. Bald soll auch seine Frau nachkommen.
Lakers - ZSC Lions 5:2 (0:0, 2:2, 3:0)
6500 Zuschauer. (ausverkauft). - Tore: 25. Roe (Wallmark, Bodenmann/Ausschl. Moy) 0:1. 29. (28:38) Cervenka 1:1. 30. (29:19) Noreau
(Cervenka, Schroeder/Ausschl. Sopa) 2:1. 31. (30:42) Hollenstein (Bodenmann) 2:2. 41. (40:51) Rowe (Noreau) 3:2. 47. Schroeder (Moy,
Noreau/Aussschl. Roe) 4:2. 51. Wick (Dünner) 5:2. - Strafen: 4-mal 2 Min. gegen die Lakers, 6-mal 2 plus 5 Minuten (Roe, Bandencheck) gegen
die ZSC Lions. - Bemerkungen: Lakers ohne Djuse, Jensen, Lammer, Elsener, ZSC Lions ohne Azevedo, Andrighetto, Marti, Hrubec, Diem (alle
verletzt).