Alpen statt Rocky Mountains
30.11.2011 - Von Julia Obst
Mit grade mal 21 Jahren spiel Ronalds Kenins sowohl in der NLA als auch in der lettischen Nationalmannschaft. Bei den ZSC Lions geniesst der Stürmer das grosse Vertrauen von Trainer Bob Hartley. Doch wo liegen die Wurzeln des Letten? Und wie sieht eine Zukunft aus?
Angefangen hat alles in seiner Heimatstadt Riga. Ein Geschenk von seinem Eishockey begeisterten Vater – der Stock des Starstürmers Sandis Ozolins – machte ihm so viel Freude, dass er selber mit dem Spielen begann. Da war er knapp vier Jahre alt. Selbst abseits vom Eis spielte er mit seinen Kollegen aus der Nachbarschaft im Garten Hockey. Und spätestens seit er zehn war, wusste er ganz genau, was er werden will: Eishockey-Profi. Sowie sein Idol Peter Forsberg.
Das war sicherlich nicht ganz einfach, denn Mutter und Grossmutter drängten ihn, gut in der Schule zu sein. Er wusste, er müsse sich entscheiden. Von seinem Vater unterstützt entschloss er sich dann endgültig für den Sport. So erinnert sich Kenins: „Mein Vater war der Chef! Ich sagte, dass ich Hockey spielen will und er sagte ‚Werd Eishockeyspieler’.“
Mit 15 zog es ihn in den Westen Lettlands, wo er beim fünfmaligen lettischen Meister Liepajas Metalurgs einen Vertrag für das Junioren-Team bekam. Sein Plan zu dieser Zeit war, es in ein Junioren-Team in Kanada oder den USA zu schaffen.
In der Saison 2007/08 holte ihn dann der Trainer und ehemalige lettische Nationalspieler Harijs Vitolins in die Schweiz zu den Pikes Oberthurgau. Er war es, der Kenins klar machte, dass die Chancen für ihn in der Schweiz grösser seien als in der NHL, wo jährlich Massen von jungen Talenten auf eine Aufnahme hoffen. Ein Jahr spielte er bei den Pikes als Novize unter Christian Rüegg als für seine Karriere wichtigen Trainer. Sich einzuleben fiel im daher nicht schwer. Zumal er ja bereits mit 15 das Elternhaus verliess.
Auf ein kurzzeitiges Intermezzo in Salzburg folgte dann der Anruf aus Zürich. Der lettische Stürmer sollte für das Elite-A-Team der GCK Lions verpflichtet werden. Es gab da nur ein Problem: Er hatte bisher nur ein Jahr bei den Novizen gespielt. Voraussetzung, um in einem Elite-A-Team spielen zu können sind jedoch zwei Jahre. Also spielte er in der Saison 2008/09 für GCK sowohl in der NLB als auch in der Novizen Top-Liga, um darauf zwei Jahre Elite A spielen zu können. In dieser Zeit war Henryk Gruth als Coach für ihn prägend.
Seit dieser Saison ist er nun im Kader der ZSC Lions angekommen und läuft dort regelmässig mit der Rückennummer 91 auf. Viele Spieler kannte er bereits aus dem Krafttraining, also wurde er schnell ins Team integriert. Mit zweien von ihnen wohnt er mittlerweile in einer WG. Praktisch, da er so morgens einen Chauffeur zum Training hat. Einen Führerschein hat der junge Lette nämlich noch nicht. Er sagt, momentan könne er die Zeit für die Fahrschule nicht aufbringen.
Das könnte daran liegen, dass Trainer Hartley grosses Vertrauen in ihn setzt und ihn entsprechend fordert und fördert. Denn wenn man hart arbeitet und sich an Hartleys Anweisungen hält, wird dies mit Eiszeit belohnt, so Kenins. Er ist sichtlich stolz darauf. Aber er arbeitet auch hart dafür. Der Stürmer ist schnell und wendig. Den Umgang mit dem Stock beherrscht er präzise und im Spiel ist er ein engagierter Arbeiter, auf den sich seine Teamkollegen verlassen können.
Vertrauen wird ihm auch in seiner Heimat entgegen gebracht. Bei der WM in der Slowakei war Kenins als jüngster Lette in allen sechs Spielen aufgestellt worden. Das ist für ihn nicht selbstverständlich. Immerhin fehlte er im letzten Vorbereitungsspiel und begrub daher schon die Hoffnung, ins Team aufgenommen zu werden. Dass er doch an der WM spielen konnte, ist für ihn daher ein grosses Glück.
Auch in Zürich fühlt er sich glücklich. Nichts zuletzt, weil sich der Stürmer hier sehr an seine Heimatstadt Riga erinnert fühlt. Unterschiede sieht Kenins dagegen zwischen der NLA und der lettischen Liga, die aus grade mal acht Mannschaften besteht. Mit Ausnahme von Dinamo Riga in der russischen KHL sei das Niveau dieser Teams eher schwach. Wie in der Schweiz gibt es neben dem Eis durchaus enge Freundschaften. Für Kenins aber, der den Sport als seinen Job sieht, gibt es zumindest auf dem Eis keine Freundschaft.
Kenins ist ein junger Spieler und hat noch viel vor sich. Für dieses Jahr sieht er die Chancen auf die Meisterschaft gar nicht so schlecht. „Ich glaube, das wir immer in den Playoffs entschieden“, sagt er. Und dass der „Zätt“ diese erreichen wird, daran hegt er keinen Zweifel.
Für sein Nationalteam wünscht er sich, es in den folgenden Jahren in die Top-8, noch besser die Top-7, zu kommen. Doch dafür wird er mit der Mannschaft weiterhin schwer arbeiten müssen.
Behält Ronalds Kenins seine aktuelle Leistung bei oder baut gar sein Engagement und seinen Spielwitz noch weiter aus, so wird er eine grosse Zukunft als fester Rückhalt in seiner Mannschaft haben und den Schweizer Eishockey bereichern.
Quelle: hockeyfans.ch