Damien Brunner in New Jersey
Verloren im Kosmos der Konformisten
Damien Brunners Kreativität ist im Spielsystem der New Jersey Devils nicht gefragt, in den letzten elf Spielen hat er einen Skorerpunkt erzielt. «Manchmal», sagt Brunner, «glaube ich, dass die hier nicht wissen, was ich kann.»
Nirgendwo wird der Alltag eines NHL-Spielers so streng geregelt wie in Newark, New Jersey, einem Moloch vor den Toren New Yorks, in dem er längst begonnen hat, der Zerfall der alten, starken, strahlenden USA. Bei den New Jersey Devils hat es sich Lou Lamoriello zur Aufgabe gemacht, zumindest in seiner Organisation dafür zu sorgen, dass die Ordnung nicht verloren geht. Lamoriello, 71, Halbglatze, gilt als einer der am meisten respektierten Manager im US-Profisport. In 26 Jahren an der Spitze der New Jersey Devils hat er dreimal den Stanley-Cup gewonnen.
Doktrin der Disziplin
Lamoriello scheint also zu wissen, was er tut, wenn er seinen Spielern in den Vertrag schreiben lässt, dass Bärte nur im Play-off erlaubt sind. Dass sie Twitter oder Facebook nicht aktiv nutzen dürfen. Dass das Haupthaar maximal bis zu den Ohren reichen darf. Dass auf Reisen auch an freien Tagen Anzugspflicht herrscht. Oder dass Rückennummern mit einer Ziffer 30 nur in Ausnahmefällen gewählt werden dürfen. Existierte eine solche Doktrin der Disziplin in der Schweiz, es käme vermutlich zum offenen Aufstand. Doch Lamoriello sagt ruhig: «In dieser Organisation werden die Dinge so gemacht, wie ich es sage. Wem das nicht passt, kann gehen.»
Damien Brunner will nicht gehen. Er ist gerade erst angekommen: Am 24. September unterschrieb der 27-jährige Schweizer Nationalspieler bei den Devils für zwei Jahre und fünf Millionen Dollar. Es war das versöhnliche Ende eines für ihn frustrierenden Sommers, in dem er lange auf ein NHL-Angebot gewartet hatte. Seither versucht Brunner, sich in diesem Kosmos von Regeln und Auflagen zurechtzufinden. Man kann nicht sagen, dass ihm das bisher sonderlich gut gelungen ist.
Die Direktiven jenseits des Rinks sind das eine, mit diesen hadert Brunner nicht, wohl aber mit den taktischen Vorgaben von Trainer Peter de Boer. Unter ihm spielen die Devils so, wie sie das in der Lamoriello-Ära eigentlich immer getan haben: defensiv, resultatorientiert, solide – so kann es beschreiben, wer das Positive herausstreichen möchte. Witzbolde kalauern hingegen, die Devils spielten so unattraktiv, wie es die Umgebung in Newark ist.
Der 45-jährige De Boer weist seine Spieler an, die Scheibe immer der Bande entlang in die Offensivzone zu spielen und sie dort auszugraben. Keine Dribblings, keine Kombinationen, keine Alleingänge – und somit auch kein glücklicher Damien Brunner. Der Zürcher steht am Sonntag in der Kabine des Prudential Center, Anzug, Kappe, die Autoschlüssel in der Hand. Seit dem 5:0 gegen Nashville sind keine fünf Minuten vergangen. Scherzhaft sagt Brunner: «Nach so einem Spiel muss ich ja gar nicht duschen.» Nicht, weil der Gegner so schwach war, sondern weil er selber in der Partie keine Rolle spielte. 11 Minuten und 24 Sekunden kam Brunner zum Einsatz, was nichts ist für einen, der beim EV Zug an guten Abenden das Doppelte an Eiszeit erhielt. «Manchmal», sagt Brunner, «glaube ich, dass die hier nicht wissen, was ich kann.»
Ausschliessen kann man das nicht, aber das Interesse der Devils, an diesem Umstand etwas zu ändern, scheint marginal. Brunner steht für all das, was dieses Team eben nicht verkörpert; als Künstler hat er es schwer in einem Kollektiv, in dem die Systemtreue über allem steht. Er ist ein Individualist im Reich der Konformisten. Darunter leidet auch die persönliche Statistik: In 16 Spielen kommt er auf vier Tore und drei Assists, nach einem ansprechenden Start blieb er in zehn der letzten elf Partien ohne Skorerpunkt. Brunner sagt: «Im Moment bin ich etwas verloren. Ich habe null Selbstvertrauen. Zuletzt war ich mit 22 Jahren in Kloten so schlecht.»
Das ist lange her, Brunner spielte am Schluefweg in der vierten Linie, seine Karriere drohte zu versanden. Seither ging es für den Torjäger steil nach oben, fünf Jahre lang, ohne Unterbruch. Dass jetzt nicht alles nach Wunsch läuft, muss Brunner erst verkraften. «Wenn das mein bestes Hockey sein soll, kann ich die Schlittschuhe gleich an den Nagel hängen.» Die Gewissheit, dass es wieder aufwärts gehen wird, hat er jedoch nicht verloren.
Detroit ist abgehakt
Seine NHL-Tauglichkeit hat Brunner ja bereits bewiesen, in der verkürzten letzten Saison, als er in Detroit neben den Superstars Pawel Dazjuk und Henrik Zetterberg nicht abfiel. Bereut er es vielleicht, im Juni die Verlängerungs-Offerte der Red Wings, einen Zweijahresvertrag über 5 Millionen Dollar, abgelehnt zu haben? Zumal ihm das System dort besser behagte. Brunner sagt entschieden: «Nein.» Der Entscheid sei gefallen, und er wolle sich nicht mit der Vergangenheit aufhalten. Lieber würde er die Gegenwart positiv gestalten. Wenn sie ihn in New Jersey denn liessen.