Zwischen Hoffnung und Wut
Felix Hollenstein verkörpert seit 27 Jahren Klotener Eishockeykultur. Einer Ära droht das Ende.
Von Philipp Muschg
1985 ist das Jahr, in dem Falcos «Rock Me Amadeus» die Hitparade stürmte, Michail Gorbatschow Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wurde und Garry Kasparow jüngster Schachweltmeister. Es ist auch das Jahr, in dem Felix Hollenstein zum EHC Kloten wechselte. 20 Jahre alt war das Talent damals, bereits als Erstligaspieler fürs Nationalteam aufgeboten. «Das ist jetzt also der aus Bülach», soll Roman Wäger den Neuling begrüsst haben.
27 Jahre später sitzt Hollenstein im Trainerbüro der Kolping-Arena – eine Zeit, die er ohne Unterbruch im Dienst von Kloten tätig war. Wie seit Jahren leitet er das Sommertraining, setzt sich auch selbst aufs Velo, stemmt Gewichte. Zur Ablenkung spielt er Tennis mit Frédéric Rothen, dem Fitnesscoach. «Das Team trainiert normal weiter», lobt Hollenstein, doch die Ereignisse der vergangenen Wochen wiegen schwer. «Ich schwanke jeden Tag zwischen Hoffnung und Wut.»
Seit acht Jahren ist Hollenstein Assistenztrainer, «Mr. Kloten» ist er schon längst. Der 47-Jährige personifiziert die Flyers, die er als begnadeter Läufer zu vier Meistertiteln führte, dessen Clubpolitik er als Captain bei mitternächtlichen Teamsitzungen am Stubentisch mitbestimmte. Jetzt aber, wo der Zusammenbruch droht, ist auch er machtlos. «Die Emotionen stauen sich an», gibt Hollenstein zu – spürbar darum bemüht, gleichzeitig vorsichtig und doch deutlich zu sein. Dass die Verbindung zwischen Verwaltungsrat und Team nicht mehr die beste ist, lässt auch er durchblicken. Und damit ist der einstige Leitwolf als Ansprechperson doppelt gefordert.
Im Gegensatz zu finanziellen Mitteln ist im Umfeld des Clubs an guten Ratschlägen, Wünschen und Tipps nämlich kein Mangel. All das wird in der Krise an Hollenstein herangetragen. «Es ist eigentlich nicht mein Job, Investoren zu suchen», sagt er, doch er fühlt sich verpflichtet. Nicht dass sich damit etwas grundlegend ändert. «Es gibt nur etwas», sagt Hollenstein, «das helfen würde: wenn jemand viel Geld auf den Tisch legt.» Und trotz allem hält ein Teil von ihm an dieser Hoffnung fest.
Es ist die gespaltene Haltung von einem, der seine ganze berufliche Energie fast drei Jahrzehnte lang in diesen Club steckte und von den Ereignissen mitgenommen ist. Er findet es «unverständlich, dass es so weit kommen konnte»; stellt fest, dass ihn die Entwicklung traurig mache – und zeigt dann wieder seine andere Seite: «Ich kämpfe für diesen Club, jetzt halt neben dem Eis – damit es weitergeht.»
Wie die Spieler sind auch Hollenstein und Cheftrainer Anders Eldebrink im April ohne Lohn geblieben. Wie die Spieler hat auch Hollenstein den Club aufgefordert, bis zum 31. Mai seiner Pflicht nachzukommen. Und wie die Spieler weiss auch er nicht, was danach geschieht.
«Muss meine Fühler ausstrecken»
Noch im November hatte das Trainergespann seine Verträge um zwei Jahre plus Option verlängert – nun stellt sich unvermittelt jene Frage, die Hollenstein 27 Jahre lang stets mit Ja beantworten konnte: Bleibt er in Kloten? Die Antwort fällt diesmal konsternierend aus: «Ich muss meine Fühler ausstrecken», sagt Hollenstein.
Es ist ein Satz, der klingt wie das Ende einer Ära. Trotzdem wird ab Montag weitertrainiert. «So gut, wie es unter diesen Umständen geht.»
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