ZSC-Captain Patrick Geering
Der Jungvater zieht für die heisse Phase ins Kinderzimmer
Der 34-Jährige hat schon vieles erlebt – und doch ist für ihn diesmal im Playoff alles anders. Patrick Geering über Vatergefühle, Grenzerfahrungen und seine andere Leidenschaft.
Simon Graf, Angelo Rocchinotti
Publiziert heute um 11:35 Uhr
Patrick Geering: «Ich möchte ein guter, fürsorglicher Papi sein. Mir ist megawichtig, dass ich alles mitmache.»
Foto: Urs Jaudas
Schon zum 15. Mal spielt Patrick Geering nun ein Playoff – und doch ist es für ihn ein ganz besonderes: sein erstes als Vater. Im vergangenen Sommer kam der Sohn des ZSC-Captains zur Welt, bald ist Loan acht Monate alt. «Es macht total Spass, den kleinen Kerl täglich zu sehen und seine Entwicklung zu erleben», sagt er. «Ich möchte ein guter, fürsorglicher Papi sein. Mir ist megawichtig, dass ich alles mitmache. Auch wenn es einmal tough ist. Ich bin in der privilegierten Situation, dass ich am Nachmittag zu Hause sein kann, wenn ich vormittags Training habe. Das geniesse ich sehr.»
Seine Frau Sabrina, die als Kinder- und Jugendpsychologin arbeitet, hat noch unbezahlten Urlaub bis zum 1. Mai. Danach beginnt sie in einem 50-Prozent-Pensum wieder zu arbeiten. Er versuche, sie in allem zu unterstützen, sagt Geering. Loan schläft im Elternzimmer, die Nächte können auch einmal mühsam werden.
Fürs Playoff hat sich Geering nun aber ins Kinderzimmer ausquartiert, um genügend Erholung zu bekommen. «Es war nicht meine Idee», sagt er entschuldigend. «Aber im Playoff probierst du, noch ein paar Prozente mehr herauszuholen.»
Ein Team voller Väter
Wenn er Fragen hat zum Dasein als Vater, kann er sich an seine Teamkollegen wenden. Fast die Hälfte des Teams sind Väter: Goalie Simon Hrubec, die Gebrüder Baltisberger, Geering, Dean Kukan, Mikko Lehtonen, Christian Marti, Dario Trutmann, Denis Hollenstein, Reto Schäppi, Juho Lammikko und Denis Malgin. Und Jesper Frödén und Yannick Weber werden bald Väter. «Die Themen in der Garderobe haben sich geändert», sagt Geering schmunzelnd.
Playoff ist eine Grenzerfahrung. Davon kann Patrick Geering einiges berichten. Als die ZSC Lions 2018 letztmals Meister wurden, quälte er sich im Final gegen Lugano mit starken Schmerzen ins Ziel. Der Kanadier Maxim Lapierre hatte ihn im vierten Spiel in die Bande gewuchtet, dabei verletzte er sich an der Schulter (am AC-Gelenk). «Lapierre erwischte mich hinter dem Tor. Ich glaube, es war ein sauberer Check. Danach konnte ich den linken Arm nicht mehr heben. Am Morgen vor dem nächsten Spiel sagte ich zu Gery Büsser: ‹Jetzt musst du Wunder bewirken.›»
Der ZSC-Teamarzt betäubte Geerings Schulter für die Spiele 5, 6 und 7 mit Spritzen. Das Adrenalin, das den Körper des Verteidigers durchströmte, tat das Restliche. Er biss sich durch und wies im entscheidenden siebten Spiel in der Resega mit dem frühen 1:0 den Weg. Mit einem 2:0-Sieg feierten die Zürcher ihren bisher letzten Titel. «Dank den Spritzen spürte ich kaum mehr etwas», sagt Geering. «Dafür tat es nach den Spielen umso mehr weh. Und den ganzen Sommer auch. Aber es hat sich gelohnt.»
Trotz verletzter Schulter zum Matchwinner: Patrick Geering stemmt den Pokal nach dem Final 2018 gegen Lugano.
Foto: Gabriele Putzu (Keystone/Ti-Press)
Die Zürcher wurden damals von Rang 7 aus Meister. Wie bereits 2012. Geering hat im Playoff schon alles erlebt, was man erleben kann. Den Titel als souveräner Qualifikationssieger (2014), das klägliche Viertelfinal-Out von Rang 1 aus (2016), bitter verlorene Finals wie 2015 (gegen Davos) und 2022 (gegen Zug) oder eben den Sturm zum Titel nach verpatzter Qualifikation.
Nach einer souveränen Saison erwarten diesmal alle den Titel von den ZSC Lions. Er sagt: «Manchmal bist du der Gejagte, manchmal der Jäger. Aber der Mindset ist immer der gleiche: Es beginnt wieder bei null. Wenn ich auswählen könnte, würde ich immer lieber als Erster ins Playoff steigen. Doch das ist kein Garant.»
Der Start ist mit dem 4:3 gegen Biel geglückt. Aber es war bis zuletzt eine Zitterpartie. Im vergangenen Jahr waren die ZSC Lions von den Seeländern im Halbfinal in vier Spielen vom Eis gefegt worden. «Dieser erste Sieg war enorm wichtig», sagt Geering. «Es wäre gelogen, zu behaupten, dass das, was im letzten Jahr geschah, nicht noch im Hinterkopf wäre. Wir haben mit Biel noch eine Rechnung offen.»
Der Playoff-Start ist geglückt: Die ZSC Lions bejubeln das 4:3 gegen den EHC Biel.
Foto: Ennio Leanza (Keystone)
Für Geering ist klar: Sechs Jahre ohne Titel sind genug. 2018 war seine erste Saison als ZSC-Captain, er folgte auf Kultfigur Mathias Seger, der in seiner Abschiedssaison nicht mehr immer spielte. Aufgewachsen in Schwamendingen und heute wohnhaft in Wipkingen, ist Geering ein Urzürcher.
Er sagt: «Ich bin ein Sportromantiker. Ich finde, die Zürcher sollten in Zürich spielen, die Berner in Bern, die Luganesi in Lugano, die Bündner in Davos. Zumindest der Kern einer Mannschaft sollte aus solchen Spielern bestehen. Darum erfüllt es mich mit Stolz, dass ich als Stadtzürcher Captain dieses Vereins bin.» Natürlich sei er sich bewusst, dass nicht jeder bei seinem Jugendclub Profi sein könne. «Aber ich identifiziere mich ganz mit Blau-Weiss-Rot.»
Als Arno Del Curto anrief
Ein Wechsel stand für ihn nie zur Debatte. «Ein einziges Mal sprach ich mit dem Sportchef oder Trainer eines anderen Teams: vor über zehn Jahren mit Arno Del Curto. Er wollte mich nach Davos holen. Unser Telefongespräch dauerte eine halbe Stunde, und er hat mir spannende Storys aus Schwamendingen erzählt. Aber über Eishockey redeten wir nicht.»
Die Klischees über Zürcher, dass sie arrogant und verwöhnt seien, nerven Geering. «Wenn jemand zu uns kommt, merkt er schnell, dass sie nicht zutreffen. Wir haben bei uns keinen einzigen Klischeezürcher. Aber klar, es ist genial, in einer solch schönen Stadt zu wohnen und Eishockey zu spielen. Das schleckt keine Geiss weg. Sobald man das sagt, gilt man wohl schon als der arrogante Zürcher.»
Er fördert elektronische Musik
Geering pflegt neben dem Eishockey und seiner Vaterrolle weiter seine Passion für elektronische Musik. 2012 gründete er das nonkommerzielle Onlineportal «Unsere Beweggründe», um die elektronische Musik in der Schweiz zu bündeln und zu fördern. Inzwischen hat er eine Redaktionsleiterin in einem 60-Prozent-Pensum angestellt und wirkt vor allem organisatorisch. «Ich wollte neben dem Eishockey noch etwas Schlaues machen, bin aber weniger der Schultyp», sagt er. «Sondern einer, der die Dinge anpackt.»
Das sieht man dieser Tage auch jeden zweiten Abend auf dem Eis.