«Mach die Tür auf und lass die Pferde raus»
Sollten die Zürcher das Pre-Playoff verpassen, geht die erfolgreiche Trainerkarriere von Jeff Tomlinson zu Ende. Der Kanadier ist sehr optimistisch, dass es nicht so weit kommt.
Am Schluefweg erlebte Jeff Tomlinson emotional unvergessliche Momente. Hier feierte er am 24. April letzten Jahres mit dem EHC Kloten den Aufstieg, an diesem Ort gelang ihm 2018 dasselbe Kunststück mit den Rapperswil-Jona Lakers – in extremis mit einem 2:1-Sieg nach Verlängerung im siebten Spiel der Ligaqualifikation. Es sind neben dem Halbfinal-Einzug mit den St. Gallern in der Saison 2020/21 seine beiden grössten Erfolge im Schweizer Eishockey.
Ausgerechnet gegen die Lakers trugen die Klotener am Donnerstagabend ihr letztes Heimspiel der Qualifikation aus. «Es war schon speziell», sagt Tomlinson. In den Katakomben begegnete er ehemaligen Spielern, die ihn an seine schöne Vergangenheit am Obersee erinnerten. Und während der Partie wurde er zwischendurch leicht emotional, dachte sich: «Wow, das könnte mein letztes Heimspiel sein.» Der 52-Jährige tritt aus gesundheitlichen Gründen per Saisonende kürzer. Gedanken machte er sich auch beim Verlassen des Stadions und kam zum Schluss: «Nein, das ist es noch nicht gewesen.»
Seine Mannschaft legte einen soliden Auftritt hin, erkämpfte sich mit dem 3:2-Erfolg nach Penaltyschiessen zwei bedeutsame Punkte. «Gegen eines der besten Offensivteams der Liga», gibt Tomlinson zu bedenken. Es wäre gar mehr dringelegen. «In Überzahl hätten wir mehr herausholen können.» Zudem ist der Headcoach der Ansicht, dass das Powerplay-Tor (11.) von Topskorer Ang ein gültiges war. Die Schiedsrichter sahen das aber anders und aberkannten es, weil Marchon ganz leicht – wenn überhaupt – den Torraum touchiert hatte.
Bei Punktgleichheit in jedem Fall vorne
Nun kommt es in der letzten Qualifikationsrunde zum Showdown. Kloten kann das Pre-Playoff immer noch erreichen, sofern es in Davos mindestens einen Punkt ergattert und ein Direktkonkurrent strauchelt. Das ist nicht ausgeschlossen. Denn Lugano spielt daheim gegen Biel, das im Fernduell mit Servette um den Qualifikationssieg kämpft. Lausanne empfängt Zug, wobei der Titelverteidiger von Fribourg (gegen die SCL Tigers) noch um den letzten direkten Playoff-Platz gebracht werden könnte. Und Bern tritt in der eigenen Arena gegen die ZSC Lions an, die um Rang 3 buhlen.
«Wir haben super Chancen, und die wollen wir packen», sagt Tomlinson. Schliesslich liegt der Aufsteiger in der Bilanz der Direktbegegnungen, die bei Punktgleichheit ausschlaggebend wäre, vorne – und das in jedem Szenario. Der Trainer weiss zwar, wie schwierig es ist, in Davos zu gewinnen. Trotzdem sagt er: «Wir sind guter Dinge und fahren dorthin, um im Minimum einen Punkt zu holen.»
Eine Zugabe auch für die Fans
Die Spieler werden sich zweifelsohne zerreissen. «Nicht nur für mich, sondern für Kloten und unsere Fans, die uns immer unterstützten», fügt Tomlinson an. Das Hauptziel der Saison ist bereits erfüllt. «Wir wollten unbedingt zwei Mannschaften hinter uns lassen, jetzt sind es schon drei. Und wir haben die Möglichkeit, noch mehr abzuhängen.»
«Wir spielen um den Pre-Playoff-Einzug – so geil.»
Jeff Tomlinson
Tomlinson und sein Staff leisteten bisher gute Arbeit, das Vertrauen in die Spieler ist gross. «Für uns Coachs ist es jetzt quasi wie: Mach die Tür auf und lass die Pferde raus», beschreibt der Erfolgstrainer die Ausgangslage. Er ist «sehr optimistisch», dass die Saison noch weitergeht, und spricht einmal mehr von einer schönen Situation. «Ajoie, Langnau und Ambri spielen um nichts mehr, wir um den Pre-Playoff-Einzug – so geil.»
Den Tag X möglichst lang hinauszögern
Doch was, wenn nicht – und es in Davos sein allerletztes Spiel an der Bande wäre? Wie ginge er damit um? «Damit befasse ich mich jetzt nicht, ich bin nur auf unsere Aufgabe fokussiert», entgegnet er und ergänzt nach einer kurzen Pause: «Keine Ahnung, wie ich reagieren würde. Mir ist schon lange bewusst, dass dieser Tag kommt.» Er sei darauf vorbereitet. «Obwohl es schwer wird.»
Derzeit überwiegt die Vorfreude auf das, was noch kommt und darauf folgen könnte. «Eine solch enge Kiste habe ich noch nie erlebt: Vier Mannschaften, die in der letzten Runde um drei Plätze kämpfen. Hätte mich vor der Saison jemand gefragt, ob ich in dieser Position sein möchte, ich hätte sofort unterschrieben.» Sein Team wird alles daransetzen, sein Karriereende hinauszuzögern – für mindestens zwei weitere Spiele oder sogar noch mehr.