ZSC Lions: Der Klub sucht einen Trainer, «bei dem man weiss, dass er der Chef ist»
Momentan ist noch offen, wie der Nachfolger von Arno Del Curto bei den ZSC Lions heissen wird. Der Klub braucht wieder mehr Kontinuität auf der Trainerposition. Doch damit ist es nicht getan. Solange im Kader alles beim Alten bleibt, wird auch der neue Trainer nicht weit kommen.
Ulrich Pickel (NZZ)
Noch ist offen, wie der nächste Trainer im Hallenstadion heissen wird. Aber was auf ihn zukommt, steht schon fest: Nachdem die Zürcher erstmals seit 13 Jahren die Play-offs verpasst haben, muss er das verlorene Selbstvertrauen der Spieler wiederherstellen. Er muss die vielen Jungen fordern, fördern und ausbilden. Er muss eine neue Leistungskultur etablieren. Er muss die Spieler auf der persönlichen Ebene erreichen, muss ihnen Freude und Kreativität vermitteln und Versagensängste nehmen. Er muss als Taktiker und Kommunikator ein Könner sein. Er muss bei allem, was er tut, eine klare Linie vorgeben und durchsetzen. Er muss helfen können, den bei den enttäuschten Zuschauern verloren gegangenen Goodwill zurückzugewinnen.
Der Trainerstuhl ist zum Schleudersitz geworden
Und last, but not least: Er sollte zumindest eine gewisse Kontinuität wiederherstellen. Vier Trainer verbrauchten die ZSC Lions in den letzten zwei Jahren. Als sie im Januar in einem sentimentalen Anflug die Kultfigur Arno Del Curto für den voreilig entlassenen Serge Aubin verpflichteten, war damit die Erwartung verbunden, Aufbruchstimmung und begeisterndes Eishockey würden Einzug halten. Das Experiment ist krachend gescheitert, entsprechend richtig war die Entscheidung, mit einem neuen, von der Vergangenheit unbelasteten Gesicht in die Zukunft zu gehen.
Was genau im Anforderungsprofil für den neuen Coach steht, behält der Klub für sich – sonst könnte es ja sein, dass sich der eine oder andere Kandidat fälschlicherweise als genau das ausgeben würde, was die Zürcher suchen. Etwas lässt sich der Sportchef Sven Leuenberger entlocken: «Einer, bei dem man weiss, dass er der Chef ist», müsse es sein. «Wir sind mitten in den Diskussionen», sagt Leuenberger weiter. Bis wann diese dauern werden, lässt er offen. Obwohl es sich herumgesprochen hat, dass der Zürcher Trainerstuhl zum Schleudersitz geworden ist, mangelt es nicht an Kandidaten. Die Position ist gut bezahlt, Zürich ist ein wunderbarer Ort zum Leben – und im Grunde ist bei den ZSC Lions alles vorhanden, um Erfolg zu haben.
Kein Wunder, machen in der Gerüchteküche klingende Namen die Runde. Ralph Krueger zum Beispiel. Der ehemalige Schweizer Nationalcoach war in den letzten sechs Jahren CEO des Premier-League-Klubs Southampton, aber nun endet seine Zeit im englischen Fussball. Der 59-jährige Deutschkanadier kann sich eine Rückkehr an die Bande gut vorstellen, wie er kürzlich im Interview mit der NZZ sagte. Allerdings ziert er sich auch und sagt, es sei für ihn im Moment eher schwer vorstellbar, sofort wieder ins Tagesgeschäft einzusteigen und eine Mannschaft zu übernehmen. Das mag stimmen oder Taktik sein. Krueger war immer geschickt in Sachen Selbstvermarktung.
Grönborg, Crawford, Therrien?
Fest steht jedenfalls, dass die Zürcher viel von Krueger halten, das gilt für Leuenberger, aber auch für den Lions-CEO Peter Zahner, der lange im Eishockeyverband tätig war. Das Duo Zahner/Krueger funktionierte bestens. Die Frage ist, wie sehr Krueger auf der Höhe der Zeit ist nach so langer Zeit im Fussball. Seine Qualitäten als Kommunikator und Verkäufer stehen ausser Frage. Eher schwer vorstellbar ist der schwedische Nationaltrainer Rikard Grönborg. Er kommt Ende Saison auf den Markt, gewann zuletzt zweimal WM-Gold und möchte seinen Status im Ausland in klingende Münze umwandeln. Aber ein Mann, der seit 2006 ausschliesslich für Schwedens Verband und nie als Klubtrainer tätig war, kann kaum dem Anforderungsprofil der Lions entsprechen.
Hans Kossmann und Marc Crawford werden auch als Kandidaten gehandelt. Doch ob die Rückkehr eines Ehemaligen der Weisheit letzter Schluss wäre? Wohl wurden beide mit den Lions Meister, aber ihre Wahl zeugte nicht von besonders viel Innovationsgeist. So hell zum Beispiel die Ära Crawford mit drei ersten Plätzen in der Qualifikation, einem Meistertitel und einer Finalteilnahme leuchtet, so liegt auch ein Schatten über ihr. Damals begann die Spielkultur zu degenerieren, bis die Zürcher nur noch eine Schönwetter-Mannschaft waren, der es an Biss und Charakter fehlte – eine Schwäche, die im 2015 verlorenen Final erstmals sichtbar wurde und bis heute nicht überwunden werden konnte. Im Grunde wäre auch Chris McSorley verfügbar. Er ist in Genf als Coach nicht mehr erwünscht und nun bereits zum zweiten Mal auf das Amt des Sportchefs abgeschoben worden. Allerdings gibt es ein Problem: Der Kanadier besitzt noch einen langfristigen und hochdotierten Vertrag.
Herumgereicht wird auch der Name Michel Therrien, der bis Februar 2017 Coach der Montreal Canadiens war und seither frei ist. Der Kanadier würde einem Schema entsprechen, das in Zürich bestens bekannt ist und zum Erfolg führte: Erfahrene ehemalige NHL-Trainer, die zu Hause in die Sackgasse geraten sind und deshalb anderswo ihr Glück versuchen – wie Therriens Landsleute Bob Hartley und Crawford. Sie sind die prominentesten Namen auf der Liste der bisherigen Lions-Trainer. Die Zürcher Eishockey-Organisation besteht erst seit 22 Jahren, und bereits umfasst die Liste 18 Namen. Kontinuität auf dieser Position bestand fast nie, Crawfords vierjährige Amtszeit ist die mit Abstand längste. Und doch waren die vielen Wechsel meistens kein Problem.
Er muss kein Zauberer sein
Ein unfehlbares Muster, an dem man sich orientieren könnte, lässt sich beim Blick auf die Liste nicht ausmachen, auch bei den sechs Meistertrainern nicht. Es waren teilweise ganz unterschiedliche Typen. Jedem aber war eine bis zur Sturheit reichende Konsequenz eigen – ein Grundzug, der alle erfolgreichen Trainer kennzeichnet. Obwohl nur ein Jahr im Amt, war Hartley die prägendste Figur. Unter Schweiss und Tränen brachte der gnadenlose Zuchtmeister aus Kanada die Zürcher auf Vordermann, ehe er sich wieder in Richtung NHL verabschiedete. Auch Crawfords Erfolg geht zu einem guten Teil auf Hartleys Vorarbeit zurück. Ob die heutige Zürcher Mannschaft aber einen Mann wie Hartley aushalten würde, ist eher zweifelhaft.
Ganz so schwierig, wie es aussehen mag, ist die Trainersuche aber nicht. Die Lions brauchen keinen Zauberer, den sie ohnehin nicht finden. Nur einen versierten Fachmann. Der muss aber in Ruhe arbeiten können. Auch Aubin hätte gewiss das Zeug zum Chef, wie man ihn sich jetzt wünscht, gehabt – aber man liess ihm keine Zeit. Die Klubführung muss wieder lernen, Geduld mit dem Trainer zu haben. Ohne diese Art von Rückendeckung hätten sich auch die Stanley-Cup-Sieger Hartley und Crawford nicht durchsetzen können.
Der Trainer ist nur ein Puzzleteil. Ein wichtiges, aber es gibt noch wichtigere. Das Team zum Beispiel. In den letzten zwei Jahren ist der grösste Teil der Spieler weit unter den Erwartungen geblieben. Das hängt mit der erratischen Führung zusammen, auf die das Trainer-Wirrwarr zurückgeht. In erster Linie aber fallen die schlechten Leistungen auf die Spieler selber zurück. Änderungen im Kader drängen sich auf. Zahner und Leuenberger haben sich bisher nicht an dieses Thema gewagt. Sie werden es dem neuen Mann überlassen. Dieser wird auch da beweisen müssen, dass er der Chef ist.