Zitat von larlf
krass was grad bi YB abgaht: ursli isch jetzt au gange...
nzz am sunntig:
Wie sich YB selber demontiert
Der Klub will sparen, entlässt Sportchef Fredy Bickel und verursacht so viel Chaos, dass auch Urs Siegenthaler geht, das sportliche Gewissen des Verwaltungsrats. Der Fall zeigt: YB ist nicht kontrollierbar. Von Benjamin Steffen
Die Young Boys haben mit Andy und Hans-Ueli Rihs seit Jahren zwei schwerreiche und spendable Mehrheitsaktionäre. Aber einen Titel gewannen sie seit 1987 nie. Die Young Boys haben einen Treuhänder im Verwaltungsrat, den Besitzer eines Modegeschäfts, den ehemaligen Chef eines Bauunternehmens und eine frühere Finanzpolitikerin. Aber eine ausgeglichene Rechnung verpassten sie regelmässig. Die Young Boys haben den früheren Kommunikationschef einer grossen Versicherung im Verwaltungsrat. Aber die Kommunikation der jüngsten Massnahme geriet zum Fiasko.
Am letzten Dienstag informierte YB über die Absetzung des Sportchefs Fredy Bickel und des CEO Alain Kappeler. Im Communiqué stand auch der Satz: «Der neue Leiter Sport ist bestimmt und wird im Verlauf des Oktobers bekanntgegeben.» Und der Verwaltungsrat bitte um Verständnis, dass keine weiteren Informationen und Interviews gegeben würden.
Am Abend rief der Verwaltungsrat Urs Siegenthaler ausgewählte Journalisten an. Den einen sagte er: «Wir haben zwei, drei Kandidaten.» Den anderen: «Wir wissen, wer kommt.» Und bevor er das Champions-League-Spiel FC Basel - Rasgrad besuchte, sprach Siegenthaler auch im Schweizer Fernsehen. «Wir haben mit dem einen oder anderen Kandidaten Rücksprache gehabt, es sind ein paar im engeren Kreis», sagte Siegenthaler – dabei stand er im St.-Jakob-Park vor der Fan-Kurve des FC Basel. YB-Fans liefen Sturm, am Freitag gab Siegenthaler den Rücktritt bekannt.
Es ist das x-te Kapitel einer leidvollen YB-Saga. Es geht nicht primär darum, dass der Klub das eine schreibt und ein Verwaltungsrat das andere sagt. Es geht darum, dass der Wirrwarr nicht erstaunt. Wann immer die Berner einen gewichtigen Entscheid treffen, vermögen sie nicht so richtig zu vermitteln, worum es geht – ob sportliche, wirtschaftliche oder persönliche Gründe den Ausschlag gaben.
Die jüngste Massnahme gründet in einem Sparplan, dessen Umsetzung dem Sportchef Bickel offenbar nicht zugetraut worden war. YB soll saniert werden, was für das defizitäre Unternehmen schon schwierig genug ist. Doch das Hauptproblem besteht darin, dass YB nicht kontrollierbar ist. Die Young Boys waren nicht in der Lage, die Bickel-Absetzung zu moderieren; sie liessen den Fall so viel Eigendynamik annehmen, dass sie innert vier Tagen die beiden Führungsleute mit dem grössten sportlichen Know-how verloren.
Bickel-nahe Kreisen behaupten, es habe einen Machtkampf mit Siegenthaler gegeben; Siegenthaler will davon nichts wissen. Doch es spielt gar keine Rolle, was stimmt. Die CEO Peter Jauch, Stefan Niedermaier und Ilja Kaenzig, die Trainer Christian Gross oder Uli Forte, der Verwaltungsrat Benno Oertig – in den letzten Jahren gab es im Stade de Suisse so viele Sündenböcke und Opferlämmer, dass es hinfällig ist, Austarierungen vorzunehmen.
Eine Frage der Kultur
Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt ein wenig? Wer ist gut und wer bös? Egal. Denn bei YB ist es zur Kultur geworden, dass Lokalfürsten aufsteigen und bald fallen. Es ist eine Kultur, die es schaffte, sich im System von Andy und Hans-Ueli Rihs einzunisten, nicht wegen bösen Willens der beiden, aber durch ihr Wirken aus Distanz. Sie überlassen die Betriebsführung wechselnden Statthaltern ihres Vertrauens, denen sie die Gunst entziehen, wenn sie sich von jemand Neuem haben überzeugen lassen. Oft gibt es Grabenkämpfe, die erst enden, wenn die Rihs-Brüder Position beziehen. Und so entstanden Sonderbarkeiten, stets aufs Neue. Etwa: Trainerwahlen verkamen zu Kompromissentscheiden, weil zu viele mitredeten. Oder: In der Sportkommission hatten bis zu Siegenthalers Ankunft nur Personen ohne Fussball-Background ständigen Einsitz.
Die Situation ist so komplex, dass sie sich auch diesmal nicht auf ein Duell reduzieren lässt, Siegenthaler gegen Bickel. Siegenthaler kam im März 2016, fehlte laut eigenen Aussagen aber vier Monate, weil er als Berater des deutschen Nationalteams mit der Euro beschäftigt war. Siegenthaler sieht darin den Beleg dafür, dass seine Mitverantwortung bei Bickels Sturz gar nicht so gross sein könne; Berner Beobachter sagen, es habe die Zusammenarbeit mit ihm grundsätzlich erschwert.
Dennoch begannen sich mit Siegenthalers Ankunft die Gewichte im Verwaltungsrat zu verschieben. Verwaltungsratssitzungen waren zunehmend von Eitelkeiten geprägt, Mitglieder begannen sich vor den Rihs-Brüdern aufzuspielen. Siegenthaler war das neue sportliche Gewissen, es machte sich gut, auf seiner Seite zu sein – und weil bekannt war, dass Siegenthaler dem Sportchef nicht sehr gewogen war, schien es nur eine Frage der Zeit, bis Bickel an Rückhalt verlieren würde.
Der Verwaltungsrat hatte lange eine Person mit Fussballerfahrung gesucht. Am liebsten hätten sie «jemanden wie Ottmar Hitzfeld», sagte ein Mitglied des Gremiums der «NZZ am Sonntag» im letzten Jahr. Die Verwaltungsräte waren sich der eigenen Mängel bewusst, sie wollten nicht nur Fachleute für Finanzen oder Kommunikation. Also gelangten Vorschläge in die Sitzungen; Richard Gostony, der Besitzer des Modegeschäfts, schlug Siegenthaler vor. Schon damals will mehreren Personen zu Ohren gekommen sein, dass der Sportchef Bickel Vorbehalte hegte gegenüber Siegenthaler.
Und dann entschied sich der Verwaltungsrat für Siegenthaler – worauf eigentlich keiner dem anderen eine Chance gab, weder Siegenthaler Bickel noch Bickel Siegenthaler.
Es mag richtig sein, dass das Kontrollorgan keine Rücksicht nimmt auf die Meinung eines Angestellten – aber dass just Siegenthaler den Zuschlag bekam, legt doch nahe, dass Bickels Lobby schon geschwächt war. Im Januar 2016 erhielt der Sportchef einen unbefristeten Vertrag mit langer Kündigungsfrist. Was wie ein grosses Vertrauensbekenntnis wirkte, lässt sich im Rückblick auch gegenteilig interpretieren. Hätte Bickel einen mehrjährigen Vertrag erhalten, wäre YB die Entlassung teurer zu stehen gekommen als im jetzigen Fall.
Wie gross der Rückhalt Anfang Jahr auch war – es befremdet ohnehin, wie plötzlich YB von der Vorwärtsstrategie abrückt. YB wollte sich hinter Basel als zweite Kraft behaupten, die stark genug sein sollte, wenn der Serienmeister einmal schwächeln würde. Bickel engagierte gute und teure Spieler, forcierte den Nachwuchs, das Kader gewann an Wert. Bickel beschloss nichts hinter dem Rücken des Verwaltungsrats, jeden Entscheid segnete das Gremium ab. Es lag nicht einfach an Bickel, dass es immer wieder millionenschwere Defizite gab, die Rihs und Rihs stets deckten.
«Muss ich das erklären?»
Diese Bereitschaft ist erloschen, und so steht der Klub vor markanten Veränderungen, finanziell und personell. YB braucht einen Sportchef und früher oder später einen fussballkundigen Verwaltungsrat, am liebsten «jemanden wie Ottmar Hitzfeld». Auf Siegenthalers Einfluss hin wäre wohl Paul Meier neuer Leiter Sport geworden, ein eher unbekannter Funktionär. Der Verwaltungsratspräsident Hanspeter Kienberger räumt ein, dass mit jemandem ein Vertrag bestehe, «aber wir stehen vor einer neuen Ausgangslage». Nichts könnte die Schwäche der YB-Struktur besser verdeutlichen, als dass die Neubesetzung eines Amts grundlegend infrage steht, wenn sich einer von acht Verwaltungsräten verabschiedet.
Auch unter neuem Diktat wird der Betrieb nicht sofort anders und billiger werden. Es wird Jahre dauern, bis YB ein ausgeglichenes Budget erreicht. Teure Verträge laufen weiter oder müssen ausbezahlt werden, falls die Spieler nicht in Änderungskündigungen einwilligen. Insider rechnen damit, dass YB mit Zuschauereinnahmen, Hospitality und Sponsoring 25 Millionen Franken erwirtschaften könnte, Transfer- und europäische Einnahmen nicht eingerechnet. Diese Summe lässt Rang 2 weiterhin möglich erscheinen, aber sie beträgt nicht einmal einen Drittel des heutigen FCB-Budgets und liegt wohl rund zehn Millionen unter den heutigen YB-Ausgaben (die Berner kommunizieren keine Zahlen).
Über allem schwebt die Frage, ob die Rihs-Brüder YB loswerden wollen. Am Montag stellen sie sich den Medien; es soll ein informeller Termin sein, einen Käufer werden sie nicht präsentieren. Aber im Prinzip steht das Konstrukt mit Stadion und Klub längst zum Verkauf; doch die Besitzer hofften stets auf einen Erlös von gut 100 Millionen Franken, ein Betrag, der umso unrealistischer erscheint, wenn sich YB selber immer mehr der Voraussetzungen beraubt, in der Champions League zu spielen. Ein Käufer mit dieser Zahlungsbereitschaft liesse sich am ehesten im Ausland finden; neuen Schweizer Besitzern müssten die Rihs-Brüder die Übernahme zu einem Discountpreis offerieren, eventuell sogar mit einer Defizitgarantie für die ersten Jahre.
Doch vorerst gilt es, die Selbstdemontage dieser Woche zu verdauen. Vor einem Monat fragte ein Journalist den Coach Hütter, wer YB sei. Hütter entgegnete leicht genervt: «Wer ist YB? Muss ich das erklären?» Hütter ist nun ein Jahr bei YB. Vielleicht hat er in diesen Tagen verstanden, dass es niemand erklären kann.