ZSC-Marathonmann Yannick WeberEtwas hat er NHL-Star Roman Josi voraus
Der Berner Yannick Weber wechselte zu den ZSC Lions, weil er Meister werden wollte. Nun trennen ihn noch zwei Siege vom Titel. Daran hat der 31-Jährige erheblichen Anteil.
Simon Graf
Publiziert heute um 17:04 Uhr
Mit ganzem Herzen dabei: Yannick Weber muss im Viertelfinal gegen Biel vom Schiedrichter besänftigt werden.
Foto: Ennio Leanza (Keystone)
Der Bart spriesst bei Yannick Weber. Einen Monat ist es her, dass die ZSC Lions ins Playoff stiegen, seitdem hat sich der 33-Jährige nicht mehr rasiert. Oder sogar noch ein paar Tage mehr. «Ich trage eigentlich immer einen Bart. Aber jetzt ist er schon ziemlich lang», sagt Weber schmunzelnd. Das Ritual der Playoff-Bärte stammt aus der NHL, die New York Islanders führten es zu Beginn der 1980er-Jahre ein und gewannen viermal in Serie den Stanley-Cup. Es scheint also zu funktionieren.
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Webers imposanter Bart steht auch für die Reise, welche die ZSC Lions im Playoff zurückgelegt haben. Vom Fehlstart gegen den EHC Biel, als sie das Saisonende in extremis abwenden konnten, bis zur 2:0-Führung gegen den favorisierten Meister EVZ. Inzwischen haben die Zürcher achtmal in Folge gewonnen. Haben sie es verlernt zu verlieren? «Eine dumme Frage», sagt Weber. «Die ersten drei Spiele gegen Fribourg und die zwei gegen den EVZ hätten auf beide Seiten kippen können. Es ist ein harter Kampf, aber wir wurden im Final nun zweimal belohnt, dass wir unser Spiel bis zum Schluss durchzogen.»
Kein Riese, aber zäh und furchtlos
Der Schlüssel ist die defensive Stabilität, die die Zürcher in den letzten Wochen gefunden haben. In den letzten 11 Spielen haben sie nur 16 Tore zugelassen, gerade mal 1,45 im Schnitt. In der Regular Season waren es noch 2,5 pro Spiel gewesen. Weber ist mit seiner Routine ein Eckpfeiler in der ZSC-Defensive geworden. Obschon kein Riese, ist er zäh und furchtlos in den Zweikämpfen, gestählt durch 13 Jahre und über 500 Spiele in der NHL.
Zusammen mit Patrick Geering bewältigt er im Playoff am meisten Eiszeit bei den Zürchern. Der Captain steht bei 24:48 Minuten pro Spiel, Weber bei 23:58. In Spiel 2 gegen Gottéron, das in der zweiten Overtime entschieden wurde, stand der Berner über 31 Minuten auf dem Eis – ein Marathonpensum. Doch Weber sagt: «Für mich ist das kein Problem. Ich wurde angestellt, um diese Rolle zu übernehmen, um so viel Eiszeit zu haben. Und in so engen Spielen kommt man noch mehr zum Einsatz. Aber ich fühle mich jung wie ein 18-Jähriger.»
Wie ein 18-Jähriger? Wirklich? Weber verzieht keine Miene und sagt: «Natürlich fühlt man sich nicht immer top in jedem Spiel. Aber am Schluss ist es eine Kopfsache. Ich habe schon so viele Hockeyspiele absolviert in meiner Karriere. Ich musste mich schon oft durchbeissen. Das ist ein Grund, wieso ich in Amerika so lange Erfolg hatte. Es ist eine Einstellungssache. Und damit man solche Spiele, solche Serien übersteht, dafür steckt man doch die ganze harte Arbeit hinein.»
Achtmal in Serie durften die ZSC Lions jubeln: Yannick Weber (rechts) und seine Zürcher Kollegen.
Foto: Ennio Leanza (Keystone)
Dass Weber nach 15 Jahren in Übersee nicht zu seinem Stammclub SC Bern zurückkehrte, sondern bei den ZSC Lions unterschrieb, überraschte viele. Aber es passt zu ihm. Er wollte unbedingt etwas erreichen und sah in Zürich die besseren Perspektiven. Nun trennen ihn mit den Lions nur noch zwei Siege vom Titel. Doch daran mag er noch gar nicht denken. So intensiv, so umstritten waren die ersten zwei Finalspiele. «Die Zuger machen unglaublich Druck auf uns Verteidiger. Manchmal liegt eine schöne Angriffsauslösung einfach nicht drin. Dann müssen wir den Puck einfach mit einem Lob oder via Plexiglas aus dem Drittel schiessen.»
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«Manchmal ist der einfachste Spielzug der beste. Wir wollen den Zugern keine Gratischance geben.»
Yannick Weber
Weber versteht es immer besser, das Gespür für die Situation zu entwickeln. Lange hatte man in dieser Saison das Gefühl, er wolle aufgrund der hohen Erwartungen an ihn als NHL-Rückkehrer immer noch etwas Spezielles bieten, ein Dribbling hintenraus oder ein perfekter langer Pass. Das ging manchmal auch schief. Inzwischen minimiert er sein Risiko und hat er sich zu einem sicheren Wert entwickelt. «Manchmal ist der einfachste Spielzug der beste», sagt er selber. «Wir wollen den Zugern keine Gratischance geben.»
Obschon die ersten zwei Spiele sehr umkämpft waren, Weber sieht bisher leichte Vorteile bei den Zürchern. «Jetzt haben wir zwei Tage frei, und Zug wird sicher einige Dinge ändern. Bei uns ist es genau gleich. Wir können noch mehr bringen, wir können uns noch verbessern. Wir wissen nun auch, was funktioniert und was nicht. Spiel 3 wird wieder eine enge Partie mit einer hohen Intensität.»
Ein Meistertitel bei den Profis fehlt noch im Palmarès Webers. Er wurde 2005 mit 15 Elitejunioren-Meister mit dem SC Bern und gewann 2008 mit Kitchener die Ontario Hockey League. Übrigens zusammen mit seinem aktuellen ZSC-Teamkollegen Justin Azevedo, der Liga-Topskorer wurde und mehrere Awards einheimste. In der NHL war die Teilnahme mit Nashhville am Stanley-Cup-Final 2017 gegen Pittsburgh (2:4) sein Highlight.
«Die beste und zugleich härteste Erfahrung meiner Karriere», blickt Weber zurück. «Es war mein Kindheitstraum, den Stanley-Cup zu gewinnen. Und in der NHL ist der Weg extrem lang, mit 82 Qualifikationsspielen und vier Playoff-Runden. Wenn man so nah dran ist, ist es extrem hart, wenn man es nicht schafft. Aber das bleiben Erinnerungen fürs Leben.»
Sein Bart sei damals übrigens noch länger gewesen, fällt Weber ein. Und wie steht es um den Bartwuchs seines Freundes und langjährigen Predators-Teamkollegen Roman Josi, der aktuell mit 31 seine beste NHL-Saison überhaupt spielt? Weber schmunzelt. «Roman hat Bartwuchs, aber nicht so viel wie ich. Dafür hat er ein paar andere Qualitäten, die noch ein bisschen wichtiger sind.»