Stellungnahme/Diskussionsbeitrag der Sektion Uruguay 2002 zur aktuellen Situation bei den Auswärtsspielen in Zug
Wir haben uns aus zwei verschiedenen Gründen dazu entschieden, dieses ausführliche Statement zu verfassen. Erstens, weil wir von verschiedenen Seiten auf unser Verhalten angesprochen wurden. Zweitens – und das erscheint uns längerfristig noch wichtiger – weil wir damit eine Diskussion beleben möchten, die es sich zu führen lohnt.
Wir haben lange gezögert und diskutiert, wie wir mit der Situation in Zug umgehen möchten und wir haben dabei eine Entscheidung treffen müssen, wie sie wohl noch nie so schwierig war. Die Ausgangslage ist so komplex, dass es dabei kein objektives Richtig oder Falsch gibt. Wir bewegen uns nämlich zwischen verschiedenen Dimensionen, zu denen sich jeder einzelne mehr oder weniger hingezogen fühlt. Und so hat sich jeder für sich persönlich selbst entschieden, wie weit er gehen möchte, um ein Hockeyspiel zu sehen.
Ausgangslage
Auf der einen Seite stehen die Massnahmen des EV Zug und der Zuger Kantonspolizei. Der EV Zug hat seit Beginn der Playoffs einen Scanner aufgestellt, bei dem alle willkürlich ausgewählten Auswärtsfans gescannt werden; heisst: Sie werden fotografiert und ihre ID wird gescannt. Die Zuger Kantonspolizei stellte ein – bei Auswärtsspielen des ZSC in Zug – noch nie dagewesenes Dispositiv auf. 45'000 Schweizerfranken liess man sich das kosten (wobei der EV Zug rund die Hälfte der Kosten übernahm).
Auf der anderen Seite steht der ZSC im Halbfinal der Playoffs in einer Form wie wir sie wohl seit der Champions Hockey League nicht mehr gesehen haben. Wir sind es gewohnt diesen ZSC überall bedingungslos zu unterstützen und mit ihm Zürich als Stadt zu repräsentieren.

Unsere Entscheidung
Es gibt niemanden bei uns, der nicht zwischen diesen beiden Dimensionen hin- und hergerissen ist. Wir konnten uns bis zuletzt nicht zu einer einstimmigen Lösung durchringen und haben es jedem selbst überlassen sich zu entscheiden. Klar ist aber, dass wir unter diesen Umständen nicht als geschlossene Gruppe auftreten können. Es herrscht Einigkeit darüber, dass wir gegen die Massnahmen des EV Zug und der Kantonspolizei sind (Begründungen dazu führen wir weiter unten aus) – nicht aber darüber, wie wir darauf reagieren. Dem Geschehen einfach lautlos fern zu bleiben ist für uns keine Lösung, weil der EVZ/die Polizei damit ihr Ziel erreicht hätte: Unliebsame Fans, die sich nicht einfach so in den kommerzialisierten Sport einfügen, auszusperren. Alle diese Massnahmen einfach lautlos zu schlucken, können wir auch nicht mit uns vereinbaren. Also haben wir uns dafür entschieden, nach Zug zu fahren und ohne die Verwendung pyrotechnischem Materials zum Stadion zu gehen. Dort präsentierten wir zwei Spruchbänder („Fanarbet statt Stasistaat“ und „Polizischte händ in Zug nüt ztue“). Wir sahen das als Lösung, weil wir der Polizei und dem EV Zug nicht die Schlagzeilen liefern wollten, welche sie damit provozierten: „Polizei kontrollierte und verzeigte Dutzenden von gewalttätigen Eishockeyfans. Es kam zu mehreren Verhaftungen.“ – Oder so ähnlich. Dass die Polizei nur darauf wartete, dass jemand das kleinste Vergehen begeht und sie einschreiten können, zeigte sich an der Gewaltbereitschaft der Beamten in Vollmontur und an den Vorfällen nach dem Spiel (an denen keine Mitglieder der SU02 beteiligt waren), die aus den Medienmitteilung zu entnehmen sind: „Ein 22-jähriger Mann zündete seine verbotenen Pyro-Artikel auf dem Bahnhofperron (...) Weiter verzeigte die Zuger Polizei zwei Personen auf dem Rückweg zum Bahnhof wegen Übertretungen gegen das Polizeigesetz, verhinderte eine handgreifliche Konfrontation in Ansatz und führte über ein Dutzend Personenkontrollen durch.“ – Über die Gründe der verzeigten und kontrollierten Personen informiert die Polizei nicht, es dürften jedoch Bagatellen gewesen sein.
Fans schliessen sich uns an – Mannschaft versteht unseren Entscheid
Ein Grossteil von uns begab sich auf jeden Fall zurück nach Oerlikon um das Spiel da in der KEBO zu verfolgen. Besonders freute uns die Solidarität einiger ZSC-Fans, die sich uns spontan anschlossen.
Wie weiter oben beschrieben, war und ist das für uns alle eine äusserst schwere Entscheidung und niemand war und ist damit vollends zufrieden. Erleichtert haben uns diese Entscheidung allerdings auch unsere Spieler: Aus den Gesprächen mit ihnen ergab sich, dass sie uns verstehen und uns in unserem Vorgehen unterstützen.
Sie half uns natürlich auch insofern, als dass sie eine unglaubliche Leistung an den Tag legte und Zug demontierte. So empfingen wir die Mannschaft bei ihrer Ankunft bei der KEBO angemessen.
Wie wir weiter vorgehen, ist noch nicht bestimmt. Wir werden auf jeden Fall diese Zustände in Zug nicht einfach stillschweigend hinnehmen und uns mit verschiedenen Aktionen dagegen wehren.
Fichierungen?
Im Folgenden möchten wir noch unsere Bedenken zu den Massnahmen des EV Zug und der Kantonspolizei Zug ausführen.
Erstens möchten wir festhalten, dass uns kein Fall bekannt ist, bei dem jemand beim Marsch der ZSC-Fans durch die Verwendung von pyrotechnischem Material verletzt worden ist. In Zug im Stadion ist es – mit Ausnahme des einen prominenten und bedauerlichen Vorfalls, als das Spiel wegen dem Zünden von Rauchpulver abgebrochen werden musste – zu keinem nennenswerten Vorfall gekommen. Schon gar keiner, der oben beschriebene Massnahmen rechtfertigen würden.
Wir halten das willkürliche Scannen der Auswärtsfans für äusserst fragwürdig und gefährlich. Fragwürdig, weil wir es nicht als adäquate Reaktion auf die Vorkommnisse sehen, weil nur die Gästefans und davon nur ein ausgewählter Teil betroffen ist.
Gefährlich, weil hier ohne erkenntlichen Grund Daten registriert werden. Bekannt sind wir unserem Sicherheitsdienst alle. Sammelt der Staat im grossen Stil persönliche Daten führt das zu Problemen. Dies zeigte der Fichenskandal der späten 1980er-Jahren (http://www.nzz.ch/nachrichten/ku…_1.3015643.html), aber auch jüngste Vorfälle (http://www.woz.ch/d/fichenskandal-20). Sammelt nun gar eine privater Verein wie der EV Zug solche Daten ist das noch weitaus gefährlicher.
Dieser Gefahr wollten sich diejenigen entziehen, welche vor den Stadiontoren blieben. Ausserdem erinnert das willkürliche Fichieren von Personen und die Ungleichbehandlung an Zeiten, die wir hinter uns glaubten.
Polizeistaat?
Ebenfalls hinter uns glauben wir hierzulande Zeiten totalitärer Polizeistaaten und natürlich wollen wir hier keine falschen Vergleiche herstellen. Es wird einem allerdings schon sehr mulmig, wenn man sieht, mit was für einem Grossaufgebot die Polizei in Zug aufgetreten ist. Wir sind der Überzeugung, dass dieser repressive Weg nicht zu einem Ziel führt und im Gegenteil unnütze Kosten verursacht. Gestern wurde alleine für diesen Polizeieinsatz 45'000 CHF ausgegeben. Damit hat man maximal verhindert, dass wir – wie in den zahlreichen Spielen zuvor auch – singend, feiernd und mit brennenden Fackeln zum Stadion gegangen sind, ohne dass dabei jemals irgendjemand verletzt worden wäre. Das Geld würde viel lieber in Fanarbeit investiert, sodass man Fans nicht aussperrt, sondern miteinbezieht um Probleme - die es selbstverständlich auch gibt - zu lösen. Verschiedene Beispiele im Fussball und Eishockey zeigen, dass sich Fankurven durchaus sehr gut selbstregulieren können.
Im Endeffekt haben uns all diese Massnahmen bloss die Freude am Sport und unserem Fandasein getrübt. Das bedauern wir ausserordentlich und gegen diese Entwicklung des Sports möchten wir ankämpfen.
Sektion Uruguay 2002, im März 2012
PS: Diese Stellungnahme stellt die Sichtweise der Sektion Uruguay dar. Die Crew Eleven hat sich zu diesem Thema bereits vorgängig wie folgt geäussert:
Zitat
Communiqué der Crew 11 anlässlich des PO-Halbfinals gegen den EV Zug
Am 18. Februar dieses Jahres riefen wir mit der Sektion Uruguay zum Boykott des Spiels EVZ-ZSC auf. Wir begründeten diesen Schritt mit der nicht tragbaren und diskriminierenden Stadionpolitik seitens des EV Zug.
Die Zeit verging und wir stehen im Halbfinal der Play-Offs gegen eben diesen EVZ. Unsere Mannschaft wurde stärker, die Hallen voller, die Euphorie grösser. Doch die Stadionsituation in Zug blieb immer noch unbefriedigend, da die Bedingungen, welche ein Fan für einen Matchbesuch zu erfüllen hat, gar noch restriktiver definiert wurden.
In den letzten Tagen diskutierten wir viel und versuchten, verschiedene Szenarien bezüglich eines Matchbesuches in Zug darzulegen. Leider ergab sich für uns keine andere Lösung als den Spielen in Zug weiterhin fernzubleiben, denn die vorherrschenden Zustände widersprechen unserer persönlichen Ideologie.
Die Demütigung, die ein Auswärtsfan in Zug über sich ergehen lassen muss ist enorm. Es beginnt beim Verbot von Doppelhaltern, Spruchbänder und Choreos und nimmt seinen Lauf bis zur fotografischen Festhaltung vom Spielbesucher und dessen ID. Dies erachten wir als massiven Eingriff in unsere persönliche Freiheit und als Diskriminierung in höchster Form. Durch dieses Massnahmenpacket wird jeder Gästefan automatisch unter Generalverdacht gestellt.
Für uns alle ist dies eine sehr schwierige Entscheidung, da wir mit vollem Einsatz hinter unserer grossen Liebe - dem ZSC - stehen und ihn bestmöglich unterstützen wollen. Doch mit einem Besuch in der Bosshard Arena würden wir unsere Überzeugungen über Bord werfen und ein Mass an Demütigung ertragen, welches wir uns selber nicht zumuten können.
Wir sind uns bewusst, dass diese Entscheidung kurzfristig kommt und auf Unverständnis stossen wird, aber um unseren Werten treu zu bleiben, ist dieser Schritt die einzige Möglichkeit.
Unsere Leidenschaft für den ZSC ist unendlich und wir werden die Mannschaft in dieser Serie mit 100 % unterstützen. Zu Hause mit allem was in unserer Macht steht und auswärts bis vor dem Stadion.
Crew 11
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