Lukas Flüehler im 20min Interview. Einfach ein unglaublich toller bodenständiger Typ!!
Lieber Lukas, vielen Dank für alles was du beim ZSC geleistet hast.
Wer weiss, vielleicht klatschen Sie dir auch im Büro zu ;P
HOCKEY-GOALIE LUKAS FLÜELER:
«Ich wollte meine Karriere im Tor und mit dem Meisterpokal beenden»
Mit Lukas Flüeler ist Ende der Saison eine grosse Figur des Schweizer Eishockeys zurückgetreten. 20 Minuten hat den dreifachen ZSC-Meistergoalie in Zürich getroffen.
Milchkaffee statt Gatorade. Business-Hemd statt Schienen. Erst Anfang Mai hat der langjährige ZSC-Goalie Lukas Flüeler (33) seine Aktivkarriere beendet. Trotzdem ist der frischgebackene Familienvater bereits tief im Berufsleben danach angekommen. Ob zwischen den Pfosten oder für eine Versicherungsgesellschaft: Lukas Flüeler ist eine Bank. 20 Minuten hat sich mit ihm auf ein Gespräch getroffen – nach sechs Uhr abends. Er müsse jetzt eben arbeiten.

«Einer der grössten Zürcher Sportler der jüngeren Geschichte», «ZSC-Legende»: Lukas Flüeler, du wurdest vieles genannt. Wie würdest du gerne bezeichnet werden?
Es gab eine kleine Gruppe der ZSC-Mannschaft, die in den letzten Jahren eine lässige Zeit gehabt hat und Titel gewinnen konnte. Ein Teil dieser Reise gewesen zu sein, macht mich extrem stolz. Geering, Baltisberger, Schäppi oder eben auch Flüeler. Es ist schön, ein Teil dieser Vereinsgeschichte sein zu dürfen.
Wir treffen uns im Café des Amis an der Nordstrasse. Wieso hast du diesen Platz gewählt?
Ich wohne mit meiner Frau Nina und Töchterchen Stellina im Kreis 6. Ich finde es unglaublich schön hier, sehr familiär. Es ist grün, obwohl es mitten in der Stadt ist. Und ja, das Café des Amis, ist heute zwar etwas verregnet. Aber an einem sommerlichen Tag ist es richtig cool.
Dein zweitliebster Platz muss demnach das Hallenstadion sein?
Ich kann wirklich sagen: Die Halle war ein Zuhause. Gastronomie, Eismeister: Es gab so viele Menschen da, mit denen ich 15 Jahre zu tun hatte. Nicht nur ich werde das Hallenstadion vermissen. Aber es ist auch gut für den ZSC, mit der neuen Halle einen Neustart zu machen.
Ein Neustart, der ohne Lukas Flüeler stattfindet. Schmerzt das nicht?
Nein, das ist gut so. Es ist ein guter Abschluss für mich. Der Neustart fängt ohne mich als Spieler an, aber mit mir als Fan. Ich freue mich extrem auf das neue Stadion mit einem Bier in der Hand.

Weitermachen war trotz auslaufendem Vertrag kein Thema?
Ich bin jemand, der gerne und weit vorausplant. Ich habe meinen Rücktritt nicht eines Morgens beschlossen. Mit meinem Fünfjahresvertrag hatte ich etwas Zeit, um mein Karriereende zu planen. Nun freue ich mich auf die Karriere danach.
Körperlich wäre es noch weitergegangen?
Mein Körper hat mir in den letzten Jahren immer wieder ein Bein gestellt, ich war immer ein bisschen verletzt. Als Goalie ist das natürlich verheerend. Man verliert seine Position und muss sich zurückkämpfen. Das ist mir immer wieder gelungen, zuletzt aber nicht mehr.
Heisst?
Das nervt. Es ist mental eine grosse Challenge, zuschauen zu müssen. Ich weiss nicht, ob die Frage noch kommt. Aber wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte…

Die Frage kommt.
Ich würde mehr an der Profilaxe arbeiten, um mich nicht zu verletzen. Wenn du erst einmal in den Strudel kommst, ist es zu spät.
Du wurdest drei Mal Meister (plus einmal als Überzähliger), nach der letzten Saison stehen aber nur zwölf Einsätze zu Buche. Bitterer Nachgeschmack?
Wie würdest du denn aufhören wollen? Im Tor und mit einem Pokal. Ich war nicht im Tor und den Pokal haben wir auch nicht geholt. Klar wünscht man es sich anders. Aber es ist extrem schwierig, als Sportler den richtigen Moment zu finden. Ich glaube aber, ich habe den perfekten Moment gefunden. Noch einmal die Playoffs bis ganz am Schluss zu erleben, war dennoch wunderschön.
Wenns nicht das Ende ist, was war dann der grösste Moment in deiner Karriere?
Mein erster Titel 2012 mit Coach Bob Hartley. Wir haben in der Finalissima in Bern zweieinhalb Sekunden vor Schluss die Meisterschaft geholt. Als junger Goalie vor der grössten Kulisse Europas den Titel zu gewinnen, das ist unvergesslich. In jenem Moment konnte ich das gar nicht richtig realisieren. Aber wenn ich jetzt Highlights schaue, war das schon der intensivste Moment.
Und sonst so?
All die Reisen in der Champions League. In der Hockeywelt kennt man sich ein bisschen. Es sind immer ungefähr die gleichen Gegner. Da ist es extrem erfrischend, einmal in Tschechien oder Schweden aufzutreten – unterhaltsame Carfahrten mit dem Team inklusive.
Was war der Tiefpunkt?
Die Verletzungen. Man ist immer ein bisschen enttäuscht mit der Situation und mit sich selbst. Darauf schaut man nicht gerne zurück.
Du sagtest immer, du willst so gehen, dass du in den Spiegel schauen kannst. Kannst du?
Das kann ich definitiv. Es musste niemand sagen ‹hey, es ist langsam Zeit, aufzuhören›. Das war mir immer wichtig. Ich wäre auch bis in den Final hinein bereit gewesen, im Tor zu stehen. Dies wollte ich immer sagen können.
Du warst in Nordamerika, aber nie in der NHL. Bereust du das?
Ich habe eine Saison in der nordamerikanischen Juniorenliga gespielt und da ein gutes Jahr gehabt. Die Chance auf eine Rückkehr tat sich danach leider nie mehr auf. Nach dem Titel 2014 und dem Final 2015 gab es wieder Kontakt.
Wieso hat es nicht geklappt?
Ich hatte immer lange Verträge beim ZSC und wollte diese auch erfüllen. Auch eine Ausstiegsklausel gab es nicht.
Quote
Wenn man am Morgen ins Büro eincheckt, klatscht keiner mehr.
Lukas Flüeler
Die Karriere nach der Karriere. Über Goalies ist bekannt: Sie sind ein spezieller Schlag. Wie ist das mit deiner neuen Rolle in der Privatwirtschaft vereinbar?
Sehr gut. Ich bin ein Teamplayer und erreiche sehr gern Ziele gemeinsam. Es ist allerdings eine Umstellung von der Sprache und dem Umgang, die in der Hockey-Garderobe gepflegt werden. (lacht) Aber auch ich werde älter, von dem her ist das ok so. Aber ja: Wenn man am Morgen ins Büro eincheckt, klatscht keiner mehr.
Zweite Karriere heisst auch Freizeitsport. Wie hält sich Lukas Flüeler fit?
Mit dem Kinderwagen spazieren gehen. Und natürlich Golf. Früher habe ich zwischen den Löchern das Wägeli genommen. Nun laufe ich selber. Klar ist es schwieriger, dies neben der Arbeit zu koordinieren. Aber ohne Sport geht es nicht.
Was ist mit Eishockey?
Kollegen von mir haben eine Mannschaft in der Zürcher Eishockey-Plauschliga. Ich habe mich dort als Spieler angemeldet. Ich opfere mich als Verteidiger in der vierten Reihe – und gebe dem Goalie all den Support zurück, den ich während meiner Karriere erhalten habe.
Im Goal wird man dich nicht mehr sehen?
Nein, nie mehr. Das kann ich hier und jetzt unterschreiben. Diese Kapitel ist beendet. Ich habe meine ganze Ausrüstung verschenkt.
Welche Person in deinem Hockey-Umfeld hat dich am meisten geprägt?
Ich würde sagen Simon Bodenmann. Er war schliesslich mein Trauzeuge und wir haben über zehn Jahre lang zusammen eine WG gehabt. Wir haben oft gegeneinander gespielt. Ich beim Zett, er bei Kloten und Bern. Umso schöner war es, dass wir am Schluss noch einmal zusammen spielen konnten. Auch mit einem Patrick Geering habe ich seit unserem gemeinsamen Jahr 2007 bei GCK viel erlebt. Es war schon emotional, sich nach einer so intensiven Zeit zu verabschieden.
Wie haben sie dich verabschiedet?
Ende Saison gibt es immer eine Teamreise. Eigentlich wollten alle nach Barcelona. Aber sie haben gewusst, dass Mallorca mein Lieblingsort ist. Deshalb sind sie mit mir zum Abschluss zwei Nächte auf die balearische Insel geflogen. Ein tolle Geste.
Wer hat die Abschiedsrede gehalten?
(lacht) Es gab mehrere. Solche mit mehr und solche mit weniger Inhalt.
Hockeyaner geben bekanntermassen Gas. Du hast ein paar tolle Feste erlebt mit dem ZSC.
Ja, Feste gehören dazu. Da muss ich ganz klar Matthias Seger erwähnen. Er hat mir beigebracht, dass man hart arbeiten und dem Hockey alles unterordnen muss. Dass man dann, wenn es die Zeit zulässt, aber auch Spass neben dem Hockey haben soll. Aber keine Ausreden am nächsten Tag! Das hat Segi im Club und in der Nati vorgelebt.
Eine Anekdote?
In Zürich im Ausgang waren wir sicherlich etwas ruhiger. In der Champions League waren wir etwas lauter und länger weg.
Segers berühmtes Bild nach dem Meistertitel 2012: Schlafend im Tram samt Meisterkübel. Wo warst du zu diesem Zeitpunkt?
Im Bett. Meisterfeiern haben etwas extrem Anstrengendes. So viele Eindrücke und sofort Bier auf den leeren Magen. Segi ist immer am längsten geblieben. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat.
Wer ist der verrückteste Teamkollege?
Severin Blindenbacher. «Crazy-Blindi» ist urban, kennt extrem viele Leute hier. Er ist extrem cool neben dem Eis – aber hat auf dem Eis immer geliefert.
Wer ist der beste Schweizer Goalie?
Leonardo Genoni. Da müssen wir nicht diskutieren. Er ist wahrscheinlich der beste aller Zeiten. Es ist ein Wunder – und Glück für die Liga und Fans, dass er nicht in der NHL spielt.
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