Da no für die ohni Abo:
Sollten die ZSC Lions im Playoff 2023 weit kommen, könnten sie in ein paar Wochen auf diesen Mittwoch, 22. März, zurückblicken. Nicht nur, weil die Partie in Davos ungewöhnlich lange dauerte: Den Club-Rekord vom 27. März 2022 (1:0 gegen Biel) verpassten sie zwar um vier Minuten und zwölf Sekunden, dennoch reichte der ebenfalls in der 2. Overtime gewonnene Match mit Sven Andrighettos Siegestor nach einer Spielzeit von 84:15 Minuten für Platz 2 in der Rangliste der längsten ZSC-Playoff-Spiele.
Wichtiger aber war die Art und Weise des Sieges. Es war ein Erfolg in einem lange Zeit «hässlichen» Match, in dem den Zürchern spielerisch nur wenig gelang. Intensität, Härte-Level und Bereitschaft zum Kampf, meist entlang der Bande, waren aber hoch – beidseits. Es war kein typischer Klassiker HCD - ZSC, «kein so flüssiges Spiel gegen Davos wie sonst», beschrieb es Reto Schäppi. «Der HCD erzeugt extremen Druck auf uns, so hast du kaum Platz für kontrollierte Spielauslösungen.»
Mittendrin: Die vierte Linie des ZSC
Umso grösser war die Befriedigung beim ZSC, ein so mühsames Spiel erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Es sind genau diese erkrampften, «hässlichen» Siege, die Teams auf Playoff-Runs zusammenschweissen. Dass die vierte Linie eine grosse Rolle spielte, während sich die Top-Formationen neutralisierten, passte dazu.
Mittendrin auch Schäppi, der 32-jährige Routinier, der als Center mit den deutlich jüngeren Nicolas Baechler (19) und Willy Riedi (24) startete – in einzelnen Shifts durfte auch der als 13. Stürmer mitgereiste Kyen Sopa (21) in dieser Formation mittun. Erst als Coach Marc Crawford nach Spielmitte wie so oft seine Linien zu verändern begann, stürmte auch Jérôme Bachofner an der Seite Schäppis.
Die Aufgabe blieb dieselbe: Energie ins Spiel bringen, mit so vielen Checks wie möglich den in dieser Serie zuvor physisch überlegenen Davosern wehtun, den Puck auf alle erdenklichen Weisen aufs Tor bringen. Der spektakulärste aller ZSC-Checks aus allen Perspektiven: Reto Schäppi gegen den Davoser Captain Andres Ambühl. Video: Mysports
Vor allem im Startdrittel gelang dies Schäppis Linie vorzüglich, der Center nannte diese Einsätze «Momentum-Shifts». Und, welch ein Bonus: Die Zürcher Tore in der normalen Spielzeit schossen Riedi und Baechler – Ersterer traf «hässlich» und so wohl ungewollt mit dem Schlittschuh zum 1:0. «Dabei hätte er einen so guten Schuss», spasste Schäppi nach dem Spiel. Für Letzteren war es sogar der erste Treffer auf NL-Niveau, Baechler spielte diese Saison vor allem bei den GCK Lions. Für den Teenager war die Partie aus einem weiteren Grund speziell: «Das war der bislang längste Match meiner Karriere.
Schäppi selbst stand knapp 19 Minuten auf dem Eis, für den persönlichen Rekord reichte es wegen des Biel-Spiels nicht, dort hatte er noch knapp 21 Minuten Auslauf erhalten. Spurlos ging das Spiel aber nicht vorbei am Routinier: «Vor der ersten Overtime fühlte ich mich kaputt», gestand er. Darum zog er die komplette Ausrüstung aus und legte alle durchgeschwitzten Sachen auf den Föhn: «Danach fühlte ich mich wieder gut.» Gewusst wie.
Zitat«Gring abe u seckle.»
Patrick Geering, Captain ZSC Lions
Deutlich mehr Zeit verbrachte Verteidiger Patrick Geering auf dem Eis. Seine gut 28 Minuten waren genug für seine persönliche Nummer 2 – ebenfalls im Biel-Match vor einem Jahr hatte er knapp sechs Minuten mehr Eiszeit erhalten. Irgendwann würden einen die Emotionen tragen, sagte der ZSC-Captain. «Du hast zudem keine Zeit, müde zu sein.» Auch kämen keine Gedanken auf, dass es «episch» werden könnte, sprich ein Spiel mit drei oder noch mehr Overtimes: «Du denkst nur an deine nächste Aktion.» Oder, um es trotz Original-«Zürischnurre» des Schwamendingers mit den Worten der legendären Berner Läuferin Anita Weyermann zu sagen: «Gring abe u seckle.»
Vorsicht vor der Geschichte
Übrigens: Trotz all der Glücksgefühle über diesen wunderschön hässlichen Sieg braucht es den Mahnfinger beim ZSC. Entgegen ersten Vermutungen gewinnt nämlich nach einem solchen Krimi mit mehreren Overtimes häufig das unterlegene Team das nächste Spiel. Das war vor ein paar Tagen bei Lugano - Servette der Fall (zuvor Sieg der Genfer nach drei Verlängerungen).
Und das war auch so nach dem Weltrekordspiel am 12. März 2017 in Norwegen, als Joakim Jensen mit seinem Treffer um 2.32 Uhr in der achten Verlängerung nach 217:08 Minuten Storhamar zur 3:2-Führung in der Best-of-7-Serie schoss. Gegner Sarpsborg gewann die nächsten beiden Spiele mit nur einem Gegentor.