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«Eishockey-Legende der Woche»: Meisterheld statt «Lachnummer»: Wie sich Steve McCarthy im ZSC unsterblich machte
Als Steve McCarthy vor zehn Jahren zu den ZSC Lions kommt, sind die Erwartungen an ihn tief. Sieben Monate später ist alles anders. Heute arbeitet der Kanadier als Coach.
Nicola Berger (NZZ)
Er schoss das entscheidende Tor im siebenten Play-off-Finalspiel: Steve McCarthy stemmt den Meisterpokal in die Höhe.
Peter Klaunzer / Keystone
Im Oktober 2011 schreibt «20 Minuten online»: «Holt der ZSC den langsamsten Verteidiger? Kann dieses Experiment mehr sein als eine Lachnummer?»
Zehn Jahre später steht Steve McCarthy in den Katakomben der Nationwide Arena in Columbus, lacht und sagt: «Zum Glück verstand ich kein Deutsch, aber ich kann mich schon noch erinnern, dass die Leute fanden: Wen zum Teufel holen die da? Und es stimmt, wahrscheinlich war ich wirklich der langsamste Verteidiger der Liga. Ist aber trotzdem alles ganz gut aufgegangen.»
McCarthy, heute 40, ist mit dem ZSC zwei Mal Meister geworden – und er hat eines der unvergesslichsten Tore der Klubgeschichte erzielt. Am 17. April 2012 trifft der Kanadier im entscheidenden siebenten Spiel der Play-off-Finalserie gegen den SC Bern 2,5 Sekunden vor Schluss zum 2:1 und sichert dem ZSC den Titel. Der Berner Torhüter Marco Bührer monierte, behindert worden zu sein – die Schiedsrichter anerkennen den Treffer erst nach minutenlangem Videostudium.
Doch was hat der strikte Defensivverteidiger McCarthy eigentlich überhaupt in Abschlussposition gemacht? Der Trainer Bob Hartley erzählte nach dem Titelgewinn stolz diese Geschichte: «Ich habe ihn gefragt, weshalb er sich so weit vor dem gegnerischen Tor befand. Und er sagte: ‹Coach, du hast uns doch gesagt, wir sollen vor nichts Angst haben.›»
Der Entertainer Hartley, der ungekrönte König der Backhand-Komplimente an die eigene Adresse. Von dieser Unterhaltung weiss McCarthy nichts mehr, er sagt dafür: «Ich habe einfach auf die Uhr geschaut. Es war klar, dass es zu keinem Gegenstoss mehr reichen würde, selbst wenn wir den Puck sofort verlieren sollten. Es war ein bisschen eine Verzweiflungstat, denn wir waren nach langen, harten Play-offs mit den Energiereserven ziemlich am Ende. Und dann habe ich tatsächlich getroffen, niemand war mehr überrascht als ich.»
McCarthy machte sich an jenem Abend unsterblich – und der ZSC verpflichtete ihn auch aus Dank noch zwei weitere Male. 2014 wurde er mit dem Coach Marc Crawford erneut Meister, doch wegen Schulteroperationen verpasste er zahlreiche Spiele. McCarthy sagt: «Ich habe die Zeit in Zürich enorm genossen. Eine wunderbare Stadt. Meine Kinder schwärmen noch heute davon. Wenn mich Spieler heute fragen, ob sie in die Schweiz wechseln sollen, dann sage ich immer: Aber ganz bestimmt. Mach es. Sei einfach gewarnt: Du wirst nicht mehr zurückkommen wollen, so wunderbar ist es dort.»
Kontakt zu den Kollegen von einst hat McCarthy kaum noch, einzig mit dem damaligen Sportchef Edgar Salis tauscht er sich hin und wieder aus. McCarthy arbeitet inzwischen als Coach, nach fünf Jahren als Assistent beim AHL-Farmteam Cleveland Monsters wurde er im September zum Assistenzcoach bei den Columbus Blue Jackets befördert. Das war so nicht geplant, doch weil der eigentlich für die Abwehr verpflichtete Assistent Sylvain Lefebvre, als Verteidiger einst im SC Bern engagiert, die Covid-19-Impfung verweigerte und deshalb freigestellt wurde, wurde ein Platz frei. McCarthy profitierte und sagt: «Es ist eine wundervolle Erfahrung, die ich gerade machen darf.»
Ob man ihn dereinst als Trainer in der Schweiz sieht? Warum nicht, sagt McCarthy, doch: «Mit meinem aktuellen CV würde es wahrscheinlich schwierig, in der Schweiz werden eher erfahrene Coachs eingestellt. Aber ich bin noch jung. Wenn es irgendwann klappt, dann wäre das grossartig.»