Hier das ganze Interview von Crawford, welches Sbornaja oben erwähnte. Finde es hat ein paar ganz bemerkenswerte Passagen:
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Marc Crawford: «Das Glas ist mehr als nur halb voll»
Marc Crawford schwebt mit den ZSC Lions auf einer Erfolgswelle. «suedostschweiz.ch» bat den kanadischen Trainer des NLA-Leaders am Donnerstag nach dem Mittagstraining in Oerlikon zum Interview über sein Team und Olympia.
Mit Marc Crawford sprach Kristian Kapp
Marc Crawford, Sie verliessen gerade fröhlich pfeifend und singend das Eis. Ist das die Gelassenheit des souveränen Leaders?
Marc Crawford: Nein, nein (lacht). Ich konnte gestern beim Konzert Michael Bublés im Hallenstadion dabei sein. Und schauen Sie hier (zeigt ein Video auf seinem Handy, die Red.). Ich durfte vor dem Konzert in die Garderobe zu Michael. Wir kennen uns noch aus meinen Zeiten in Vancouver. Als er mich sah, fand er, wir müssten sein Einsingen gemeinsam absolvieren. Wir sangen dann «Good Old Hockey Game», extra wegen mir. Aber hören Sie genau hin: Ich war furchtbar.
Wie viel tragen die aktuellen Leistungen Ihrer Mannschaft zur guten Laune bei?
Das spielt bei mir nicht so eine grosse Rolle. Ich bin grundsätzlich der «Glas-ist-halb-voll-Typ» und nicht jener, der das Glas halb leer sieht. Und zugegeben: Momentan ist das Glas mehr als nur halb voll. Aber du musst auch dann immer weiter pushen, wenn du zuoberst stehst. Das ist im Erfolg mindestens so wichtig, als wenn du bloss versuchst, erfolgreich zu sein.
Sie führen die Tabelle mit 15 und mehr Punkten Vorsprung an. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?
Zunächst einmal mit unseren Neuzuzügen. Sportchef Edgar Salis hat sehr viele gute Dinge getan im Sommer, indem er einige gute junge Leute zu uns ins NLA-Team aufsteigen liess. Das half unserer Tiefe. Dann haben wir uns auf den Ausländerpositionen verbessert. Marc-André Bergeron ist ein Premium-Spieler in dieser Liga. Und Ryan Keller ist ein ehrlicher Hockeyspieler. Ein Spielertyp, der uns gut tut. Er spielt geradelinig und ist gut im Unterzahlspiel. Und schliesslich sind einige unserer jungen Spieler wie Ronalds Kenins, Reto Schäppi oder Patrick Geering im Vergleich zur letzten Saison noch mehr gereift und sind nun sehr gute NLA-Spieler.
Ihre grosse Challenge lautet nun, angesichts dieses grossen Vorsprungs dafür zu sorgen, dass der Fokus nicht verloren geht …
Das wäre wohl so, wenn wir nicht so eine gute Truppe hätten mit Erfahrung und Leadership. Ich kann diesbezüglich meinen Captain Mathias Seger nicht hoch genug loben. Für mich ist er der beste Captain, den ich je hatte. Und ich hatte ja einige bemerkenswerte Captains in meiner Karriere (Joe Sakic, Markus Näslund oder Rob Blake, die Red.). Doch Mathias ist wirklich speziell, und er erhält Hilfe von erfahrenen Leuten wie Bärtschi, Blindenbacher oder Shannon.
Das letzte Mal, das eine Mannschaft die Qualifikation derart dominierte, war 2008. Bern gewann damals mit 22 Punkten Vorsprung, schied dann aber dennoch unspektakulär in der ersten Play-off-Runde aus.
Wir müssten uns darüber im Normalfall Gedanken machen. Aber ich glaube, dass die aktuelle Saison anders ist. Und zwar wegen Olympia. Diese Pause ist mit 24 Tagen sehr lang. Und sie wird bei allen Teams für gleiche Voraussetzungen sorgen. Es kann dir als klarer Leader passieren, dass du unbedingt neue Rekorde erreichen willst und dann auf die Play-offs hin ausgelaugt bist. Mit der Olympiapause besteht diese Gefahr nicht.
Wie werden Sie mit dieser langen Pause mitten in der Saison umgehen?
Ich glaube, dass wir die grösste Challenge aller Teams haben. Während andere Teams quasi ein drei Wochen langes Trainingscamp organisieren können, haben wir sechs Spieler in Sotschi und damit die meisten der Liga.
Reden wir ein wenig über Olympia …
Es ist das beste Eishockeyturnier überhaupt. Die besten Spieler spielen für ihr Land am besten Turnier. Ich habe es immer genossen, sei es aktiv als Nationaltrainer oder als Zuschauer. Mit Russland, Kanada und den USA sehen sich mindestens drei Länder als Goldanwärter.
Ich glaube sogar vier: Schweden. Und mit der Slowakei, Tschechien, Finnland und der Schweiz sind vier weitere fähig, zu gewinnen. Sie müssten dazu aber drei grosse Überraschungen schaffen und das ist sehr schwierig. Eine oder vielleicht zwei gelingen dir an einem Turnier. Aber drei?
Tippen Sie auf Kanada?
Ich denke, das beste Team aus diesem Quartett wird durch den Goalie bestimmt. Ist Henrik Lundquist der beste Goalie, wird Schweden das beste Team sein. Gleiches gilt für Semyon Varlamov und Russland, Roberto Luongo oder Carey Price und Kanada sowie Jonathan Quick und die USA. Gleiches gilt für Aussenseiter wie die Schweiz oder Finnland: Was können Jonas Hiller oder Tuukka Rask bewirken?
Die Selektion Kanadas hat für die meisten Diskussionen unter den Hockeynationen gesorgt. Ihre Meinung dazu?
Ich war mit meinem Tipp sehr nahe dran. Ich legte aber weniger Wert darauf, in der Verteidigung exakt je vier Links- und Rechtsschützen zu haben. Nehmen Sie also in der Abwehr Brent Seabrook statt Marc-Éduard Vlasic und fügen Sie im Sturm Claude Giroux hinzu. Dann haben Sie mein Team. Der Rest bleibt gleich.
Ältere Superstars wie Verteidiger Dan Boyle und Stürmer Martin St. Louis hätten Sie in dem Fall ebenfalls zuhause gelassen?
Ich weiss, dass Turniere wie Olympia für ältere Spieler sehr hart sind. Sieben Spiele in elf Tagen ist extrem. Ältere Spieler beginnen unter diesen Bedingungen stark, sind am Ende aber keine Faktoren mehr. Ich glaube, dass dies die Gedanken bei der Selektion waren.
Kanada hat gleich neun potenzielle Center im Team. Ein Problem?
Nein, da Vielseitigkeit wichtig ist. Spieler auf diesem Level finden zudem immer einen Weg. Steven Stamkos hat schon bewiesen, welch grossartiger Flügelstürmer er sein kann. Für Marleau, Benn, Tavares und Bergeron gilt dasselbe. Gesetzt als Center sind für mich nur Crosby, Toews und Getzlaf.
Der Sturm scheint auf den ersten Blick eine Ansammlung von offensiven Superstars zu sein.
Es ist aber auch eine dynamische Gruppe und doch sehr komplett. Stamkos, Bergeron, Tavares, Getzlaf oder Perry sind auch allesamt gute Boxplay-Spieler. Und es hat aussergewöhnliche Forechecker darunter. Jamie Benn ist diesbezüglich für mich einer der besten überhaupt.
Ihre Mannschaft, die ZSC Lions, stellen sechs Spieler ab: Fünf für die Schweiz, einen für Lettland. Ihr Captain Seger wird diese Rolle auch in der Nati übernehmen.
Ich bin sehr happy für ihn. Für ihn spricht, dass er «frisch» ist. Dass er den Dezember bei uns verletzt verpasste, könnte ein Segen für die Schweiz sein. Wir haben ja vorher über ältere Spieler und ihre Probleme an Turnieren gesprochen. Es geht vor allem um die Frische. Und gut für ihn ist ebenfalls, dass die Schweiz mit acht Verteidigern spielen wird. Dann ist er am besten. Auch wenn er mir da widerspricht, da er so viel wie möglich spielen will.
Im Sturm ist nebst den «Selbstläufern» Cunti und Wick auch ein Morris Trachsler dabei.
Er hat es verdient, da er eine sehr gute Saison spielt. Seine letzte Saison bei uns war nicht wirklich grossartig. Aber er hat die starken Leistungen an der WM in Schweden fortgesetzt. Er war zu Beginn unseres Trainingscamps vor der Saison sogar der mit Abstand beste Spieler.
Trachsler war bereits 2008, als er mit Genf überraschend in den Play-off-Final kam, ein Faktor. Dennoch scheint er bis heute ein eher unterschätzter Spieler im Schweizer Eishockey zu sein.
Ja, weil er in erster Linie kein Skorer ist und bei uns auch kaum Powerplay spielen darf. Aber er ist ein Elite-Schlittschuhläufer. Und das ist eine Voraussetzung, um beim olympischen Turnier mithalten zu können.
Bekommen in unserer Liga Typen wie Trachsler zu wenig Anerkennung?
Das ist so. Und das wird der nächste Schritt für das Schweizer Eishockey sein. Die Schweiz hat bewiesen, dass sie Goalies, technisch gute Stürmer sowie spiel- und passstarke Verteidiger produzieren kann. Ein Roman Josi zum Beispiel gehört für mich in die Top 10 oder 15 der NHL-Verteidiger. Aber auf NHL-Stufe hat die Schweiz noch keine defensiven Verteidiger und Stürmer produziert. Sobald Stürmer wie Trachsler und Reto Schäppi oder generell kräftige und pucksichere Verteidiger, die gegen jeden Gegner verheben, auf NHL-Level spielen, wird die Schweiz einen Schritt weiter und auf der Stufe von Schweden sein.
Apropos NHL. Wie weit sehen Sie Luca Cunti?
Er hat eine Chance. Seine Skills werden immer wieder die Augen von Beobachtern öffnen. Er ist ein grossartiger Läufer und sehr stark im Abdecken der Scheibe. Und er kann gute Spielzüge kreieren. Aber um eine Chance zu erhalten, muss er gewisse Bereiche verbessern. Dazu gehören vor allem das Spiel ohne Scheibe, die Art und Weise, wie er in den freien Raum kommt und sein Defensivverhalten. Aber ich denke, er wird seine Chance erhalten.
Aus heutiger Sicht erscheint es absurd: Cunti erhielt vor nicht einmal drei Jahren beinahe keinen Platz in der NLB …
Das zeigt auch, wie viel davon abhängt, ob du als Spieler wirklich dazu beitragen möchtest, Dinge geschehen zu lassen. Luca war immer schon talentiert, aber nun stecken in seinem Spiel auch Zweck und Bestimmung.
Ihr Spieler Ronalds Kenins überraschte im Sommer, als er einen Vertrag mit den Vancouver Canucks unterschrieb, bei denen er sich ab nächster Saison durchsetzen möchte.
Ich glaube, seine Chancen stehen sehr gut. Sowohl läuferisch als auch als Checker ist er sehr gut. Und man soll seine Fähigkeiten am Puck nicht unterschätzen. Wenn er es in der NHL packen will, wird er als Rollenspieler in den kleinen Details des Spiels überdurchschnittlich sein müssen. Doch sich in diesen Bereichen zu verbessern ist einfacher, als wenn es um technische Skills eines offensiv talentierten Spielers geht. Ronalds hat die Entschlossenheit, um sich durchzusetzen. Er spielt sehr hart.
Ist die Grösse kein Problem?
Ich glaube nicht. Wenn Sie sich Spieler in NHL-Garderoben anschauen, werden Sie feststellen, dass viele wie Kenins aussehen: Sehr kräftig, fast schon «eckig» gebaut.