1/2-Final: ZSC vs EV Zug

    • Offizieller Beitrag


    Rauschende Ballnacht mit dem ZSC

    Die Zürcher eliminierten auch den EVZ mit 4:0 und sorgen mit ihrem Playoff-Märchen für Begeisterung.

    Von Simon Graf

    Keiner weiss bei den ZSC Lions besser als Jeff Tambellini, welch starke Emotionen Eishockey auslösen kann. Im Frühling 2011 spielte der Kanadier mit Vancouver im Stanley-Cup-Final gegen Boston und erlebte, wie jenes Duell die ganze Stadt in den Bann zog. Und als die Canucks den Titel knapp verpasst hatten, entlud sich die Enttäuschung in Tumulten auf den Strassen Vancouvers. Doch am Samstagabend nach dem vierten Sieg über Zug beteuerte Tambellini vor der ZSC-Kabine mit glänzenden Augen: «Glauben Sie mir, es war im Stadion lauter als in Vancouver. Die Schweizer Fans sind so leidenschaftlich.»

    Während Monaten hatten die ZSC Lions zu Hause in einer meist unterkühlten Umgebung gespielt. Am Samstag, im erstmals ausverkauften Hallenstadion, kochte die Stimmung über. 4000 Wunderkerzen hatten schon zuvor für Atmosphäre gesorgt, im Spiel deuteten die Zürcher früh an, dass sie die hohen Erwartungen nicht enttäuschen würden. Sie spielten aktiver als in den beiden Partien zuvor, in denen sie einiges Glück beansprucht hatten, und unterhöhlten bald einmal den Glauben der Zuger. Nachdem Ambühl und zweimal Schäppi von der 29. bis zur 35. Minute von 1:0 auf 4:0 erhöht hatten, durfte man sich auf den Rängen ganz den Festivitäten widmen.

    Mit 17:5 Toren eliminierten die ZSC Lions in vier Spielen das beste Team der Qualifikation. Und nachdem sie im Viertelfinal den Davoser Scharfschützen Petr Sykora frustriert hatten, stoppten sie im Halbfinal Liga-Topskorer Brunner. Die Strategie Bob Hartleys, Ambühl und Tambellini auf die gegnerische Topreihe anzusetzen, ging perfekt auf. Auch, weil sich die Protagonisten dieser Aufgabe passioniert widmeten. «Ich liebe diese Rolle», sagte Tambellini, der in der NHL schon ähnlich eingesetzt worden war. «Da bist du immer am Puls des Geschehens. Und wir haben ein ausgeglichenes Team. Nun haben einfach die anderen Linien die Tore geschossen.»

    23 von 30 Toren von Schweizern

    Tambellini traf gegen Zug erst mit einem sehenswerten Shorthander zum 5:0, als die Serie entschieden war. Dafür hat Bärtschi im Playoff schon 8 Tore erzielt. 23 der 30 Tore wurden von Schweizern geschossen – ein gutes Zeichen. Die Mannschaft ist gut ausbalanciert und wirkt äusserst fit, allen voran Ambühl und Tambellini, die so antrittsschnell scheinen wie noch nie. «Wir haben in unserer Kabine keinen Einzigen, der nach dem Spiel keinen Eisbeutel auf seinen Körper legt», sagte der Kanadier. «Wir blocken ständig Schüsse, laufen bis zur Erschöpfung. Das tut weh. Aber nur so kann man im Playoff gewinnen. Hier geht es nicht mehr um Talent, sondern nur darum, sich aufzuopfern und unablässig weiterzuarbeiten.»

    Hartley: «Eine Familie geworden»

    Das Playoff und die Qualifikation seien zwei verschiedene Saisons, in denen unterschiedliche Qualitäten gefragt seien, ist Tambellini überzeugt. «Einige sind stark in der Qualifikation, andere blühen erst im Playoff auf.» Hartley sagt: «Wir sind eine Familie geworden. Der Schlüssel dazu ist, dass sich jeder als Teil dieser Familie fühlt.» Selbst Gobbi und Ziegler, die kaum spielten, würden mit ihrer positiven Einstellung zur guten Ambiance im Team beitragen.

    An seinem ersten Arbeitstag am 26. Juli habe er gesehen, dass es viel Arbeit gebe, blickt Hartley zurück. «Aber ich merkte auch schnell: Diese Spieler wollen arbeiten.» Der erste Titel seit 2008 ist noch weit weg. Und doch ist er inzwischen ein realistisches Ziel geworden. Denn Tambellini und seine Kollegen können nicht genug bekommen von rauschenden Ballnächten wie am Samstag.

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    Kommentar Von Simon Graf

    Vom hässlichen Entlein zum Schwan

    Die wundersame Auferstehung der ZSC Lions im Playoff gemahnt an die Rockballade «Schwan» des Mundartbarden Gölä, in der er besingt, wie aus dem ungeschickten, verspotteten und einsamen Mädchen von der Schule eine von Schönheit strahlende Frau wurde. Auch die Zürcher hatten im Verlauf der Qualifikation einiges an Spott über sich ergehen lassen müssen, und so sehr sie sich auch Mühe gaben, ihnen fehlte die Ausstrahlung. Mancher Fan blieb angesichts des grauen Alltags der ZSC Lions lieber zu Hause. Doch nun, im März, sind sie die Bewunderten und Umjubelten geworden. Plötzlich identifiziert sich ganz Zürich mit diesem Team.

    Wie konnte es dazu kommen? Zuerst einmal deshalb, weil die ZSC Lions wie das Mädchen in Göläs Song fest daran glaubten, dass aus dem hässlichen Entlein dereinst ein Schwan werden könnte. Sie hörten, obschon die Resultate lange auf sich warten liessen, nie auf zu arbeiten und schafften es je länger, desto besser, die Ideen ihres neuen, fordernden Headcoaches Bob Hartley umzusetzen. Und mit jedem Sieg wuchsen nun im Playoff ihr Glaube und ihr Selbstvertrauen.

    Für den Schwan, so weiss wie Schnee, gibt es bei Gölä keine Grenzen mehr. Und für die ZSC Lions in diesem Playoff ? Sie dürften im Final auf den SC Bern treffen, ein Team, das in diesem Winter Ähnliches durchgemacht hat und auch zur richtigen Zeit erstarkt ist. Und wer schon einmal einen Schwanenkampf erlebt hat, der weiss: Da geht es unerbittlich zu und her.

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    Seger: «Glücklich, aber noch nicht zufrieden»

    (Interview: sg.)

    Der ZSC-Captain über die Stimmung im Team und die Annäherung an Bob Hartley.


    Was hätten Sie entgegnet, wenn Ihnen jemand gesagt hätte, der ZSC würde Davos und Zug 4:0 eliminieren?

    Ich hätte ihm zugelächelt. Wir glaubten immer an uns, daran, dass wir im Playoff etwas erreichen könnten. Aber zweimal 4:0 hatten wir sicherlich nicht erwartet. Natürlich nehmen wir es gerne.

    In den beiden Serien erzielten die ZSC Lions 30 zu 9 Tore. Eine beeindruckende Bilanz.

    Beeindruckend sind vor allem die neun Tore, die Flüeler in acht Spielen zugelassen hat. Das ist ein unglaublicher Wert. Aber wir müssen schon wieder nach vorne schauen. Im Final werden wir auf einen Gegner mit sehr viel Selbstvertrauen treffen. Egal, ob es Bern oder Fribourg ist.

    Wie erklären Sie die Entwicklung vom Durchschnittsteam der Qualifikation zum Dominator im Playoff ?

    Wir hatten einen schwierigen Start, haben danach aber immer besser gespielt. Auch wenn es sich nicht immer auszahlte in Resultaten. Es ist das Ziel jedes Teams, im Playoff sein bestes Eishockey zu spielen. Das ist uns gelungen.

    Musste sich das Team zuerst an Bob Hartley gewöhnen?

    Es war ein beidseitiger Prozess. Wir mussten uns an sein System gewöhnen, es verinnerlichen. Aber auch er machte eine Entwicklung. Es ist schon etwas anderes, ob man in Nordamerika oder in Europa coacht. Wir haben uns gefunden.

    Ist Hartley weicher geworden?

    Nein, weicher sicher nicht. Er ist sehr fordernd. Und das ist auch gut so. Er hat bei uns eine Leistungskultur entwickelt.

    Was war der Schlüssel im Playoff ?

    Wir spielten gegen die beiden besten Offensivteams. Klar ist da die Abwehrarbeit der Schlüssel. Flüeler war hervorragend, aber auch die Stürmer haben extrem gut defensiv gearbeitet.

    Wie war die Stimmung am Samstagabend in der Kabine?

    Gut, aber nicht ausgelassen. Wir sind glücklich, aber noch nicht zufrieden. Wir wollen noch mehr.

    Schauen Sie sich am Dienstag das TV-Spiel Fribourg gegen Bern an?

    Ich weiss nicht. Ich denke, wir werden von unserem Finalgegner noch genug Videobilder zu sehen bekommen.

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