Simon Bodenmanns HorrorsaisonUnd dann war er wieder positiv
Zwei Covid-Infektionen, eine Gehirnerschütterung, leere Hallen: ZSC-Stürmer Simon Bodenmann blickt auf die härtesten Monate seiner Karriere zurück.
Als alles vorbei war und seine ZSC Lions ausgeschieden, sass Simon Bodenmann in der Garderobe im Hallenstadion und war zu Tode betrübt. «Am Anfang war es brutal hart. Ich war überrascht, wie stark es mich mitnahm», sagt er mit einigen Tagen Distanz. «Ich hatte so viel reingesteckt, so viele Rückschläge gehabt und mich immer wieder aufgerappelt. Es war ein derart langes und intensives Jahr gewesen. Plötzlich war es vorüber. So gerne hätte ich mich, hätte ich uns belohnt für alles.» Daraus wurde nichts.
Bodenmann ist 33. Er verlor mit dem EHC Kloten schon einen Playoff-Final, in dem das Team eine Hand am Pokal hatte. Aber so hart traf ihn das Aus wohl noch nie. Das hat zu tun mit allem, was er in den letzten 14 Monaten durchmachen musste.
Es begann mit dem abgesagten Playoff im März 2020 wegen des Coronavirus, nachdem die Zürcher eine exzellente Regular Season gespielt hatten. Als einige Wochen später das Sommertraining wieder begann, auf individueller Basis, fühlte er sich ein, zwei Tage kränklich. «Ich hatte ein bisschen Temperatur. Nichts Schlimmes. Wenn ich mich in einem anderen Jahr so gefühlt hätte, hätte ich am Abend ein Neocitran genommen und am nächsten Tag weitergemacht.» Doch es war kein normales Jahr.
Teamarzt Gery Büsser schickte den Stürmer zum Corona-Test, zumal dieser auch einen Geschmacksverlust beklagte. Als Bodenmann das positive Ergebnis erhielt, war er geschockt. «Damals war das Virus noch nicht so verbreitet, und ich war stets einer gewesen, der vorsichtig war und versuchte, mich so gut es geht davor zu schützen. Ich reduzierte meine Kontakte massiv, war zu jener Zeit nur mit meiner Freundin. Trotzdem erwischte es mich. » Es müsse beim Einkaufen im Coop passiert sein, mutmasst er.
Hügelsprints mit Handicap
Bodenmann machte einen milden Verlauf durch. Während der Quarantäne begann er zu Hause schon wieder zu trainieren. Als er wieder zum Team stiess, war er aber zunächst etwas stutzig. Bei den Hügelsprints, sonst eine seiner Paradedisziplinen, rannte er den anderen hinterher. Natürlich fragte er sich: «Ist das wegen Corona?» Er versuchte sich zu beruhigen mit dem Gedanken, dass man auch nach normaler Krankheit zunächst etwas Rückstand habe.
Als es aufs Eis ging, fühlte sich Bodenmann dann wieder topfit. Bis er im drittletzten Testspiel gegen Biel den Kopf anschlug. Nichts Schlimmes, dachte er. Im zweitletzten kassierte er gegen Zug nochmals einen Check. «Ich merkte, etwas ist nicht gut. Aber ich dachte: Eine Woche Pause, dann bin ich zurück.» Es wurden zwei Monate. Gehirnerschütterungen halten sich nicht an Comebackpläne.
Dann meldete sich die Covid-App
Besonders bitter war für Bodenmann: Als er wieder hätte spielen können, meldete die Swiss-Covid-App, er habe mit einem positiv Getesteten Kontakt gehabt. Also musste er sich wieder in Hausarrest begeben. Als er zurück war und wieder trainierte, tauchten bei den ZSC Lions einige Fälle auf und musste das ganze Team in Quarantäne. «Immer wieder kam etwas dazwischen», blickt er zurück. «Das hat mich mental fertiggemacht. Ich musste extrem beissen, um mich wieder ranzukämpfen.»
Am 20. November gab er endlich sein Saisondebüt, nach vier Partien war es schon wieder vorbei mit Spielen. Das Coronavirus hatte erneut zugeschlagen. 16 Teammitglieder erwischte es, Bodenmann auch – ein zweites Mal. «Ich hatte weiter aufgepasst und war schon überrascht», sagt er. Weil seine erste Infektion über drei Monate zurücklag, wurde er wieder getestet.
Wie häufig und wie gravierend erneute Infektionen sind, darüber ist sich die Wissenschaft noch unschlüssig. «Ich hatte beim zweiten Mal gar keine Symptome, auch keinen Geschmacksverlust», sagt Bodenmann. «Wäre ich nicht getestet worden, ich hätte es nie erfahren.»
Teamarzt Büsser habe ihm leidgetan. «Er machte alles Menschenmögliche, wir hatten das Team auf drei Garderoben aufgeteilt, PET-Boxen auf der Bank, selbst an Auswärtsspielen, und trotzdem dieser Ausbruch. Das zeigt, wie schwierig es ist, dieses Virus zu kontrollieren. Man ist in einem Team eben doch recht nah zusammen. Und auf dem Eis trägst du keine Maske, vielleicht überträgt es sich da.»
Immerhin erholte sich Bodenmann wie die meisten Profisportler gut vom Coronavirus. Und weil die Mannschaft durchseucht war, blieb sie in der Folge verschont von weiteren Quarantänen. Doch natürlich war es auch danach keine Saison wie sonst, in den leeren Hallen. «Ohne die Zuschauer fehlt die Energie von draussen», sagt Bodenmann. «Natürlich sagen alle, wir seien Profis und müssten damit umgehen können. Aber die Fans sind schon ein wichtiger Faktor. Wenn du früher einen an die Bande gecheckt hast, johlten sie. Nun blieb es einfach still.»
Die Emotionen, auch die negativen, welche die aggressiven Lausanner im Viertelfinal provoziert hätten, habe er umso mehr genossen, sagt Bodenmann. «Es ging hart zu und her, aber das war cool. So kam richtig Playoff-Stimmung auf.» Ganz anders als gegen Servette, das die Emotionen im Halbfinal bewusst herausgenommen habe. «Die Genfer zogen einfach ihr Ding durch, liessen sich durch nichts und niemanden ablenken.» Nach drei Spielen war es vorbei.
Für einige geht die Saison im Nationalteam weiter, nicht für Bodenmann. Patrick Fischer hatte ihn 2018 auf die schwarze Liste jener gesetzt, die für einen Termin abgesagt hatten. Im Sommer 2020, nach der gestrichenen Heim-WM, gab der Nationalcoach nochmals allen eine Chance. Doch Bodenmann mochte nicht mehr: «Es ist zu viel vorgefallen mit Fischer, so dass ich zu ihm sagte: ‹Für mich ist es gut.›»
Den Playoff-Final zwischen Zug und Servette schaut sich Bodenmann nicht an. Das tue zu sehr weh. «Wir hätten beim ZSC ein Team gehabt, das hätte Meister werden können. Aber wir fanden gegen Genf nicht das richtige Mittel zum Sieg.»
Keine Abschiedsreise
Eine Abschiedsreise mit dem Team, etwa nach Barcelona, fällt diesmal wegen des Coronavirus aus. Die ZSC-Spieler trafen sich in den letzten Tagen einige Male in der Garderobe und tauschten sich bei einem Bier aus. Sie hatten einiges zu besprechen und zu verarbeiten.