«Ich liebe hohe Erwartungen»
Der neue ZSC-Coach Rikard Grönborg erklärt erstmals ausführlich, wieso er sich für die Lions entschieden hat.
Wer ist Rikard Grönborg? Ein «harter Arbeiter» und «sehr neugieriger Mensch». Foto: Melanie Duchene (Keystone)
Simon Graf
@SimonGraf1
Bratislava
Sie waren schon ein paarmal in Zürich, auch als schwedischer Nationaltrainer. Was wissen Sie über die ZSC Lions?
Ich kenne die Tradition dieses Clubs, habe mich auch mit dessen Geschichte auseinandergesetzt. Mit der Fusion des Grasshopper-Club und des ZSC. Und ich weiss, dass die Fans Resultate erwarten. Ich liebe hohe Erwartungen. Als schwedischer Nationalcoach habe ich Erfahrung damit. Und die Leute aus der Organisation, die ich getroffen habe, haben mich beeindruckt. Von Mister Frey über Peter Zahner zu Sven Leuenberger. Wie sie mir alles dargelegt haben. Wie Sie ja wohl wissen, verfolgte ich den Job eines Headcoachs in der NHL. Aber als das nicht klappte und mir die Lions ein Angebot machten, konnte ich nicht Nein sagen. Es ist eine Herausforderung, die mich sehr reizt.
Wie nahe waren Sie an einem NHL-Job?
Ich hatte ein paar Jobinterviews, aber letztlich war nichts Konkretes auf dem Tisch. Ein paar NHL-Teams warten ja immer noch zu. Und als mich die Lions kontaktierten, war ich von Anfang an sehr interessiert. Ich flog nach Zürich, traf alle, und sie präsentierten mir alles. Da sagte ich zu mir: Das ist eine konkrete Offerte von einem der Topclubs aus Europa, da muss ich zusagen! Zudem gefällt mir die Schweizer Liga, das High-Speed-Eishockey, das hier gespielt wird. Und die Eishockeykultur. Ich freue mich auch, in der Schweiz zu leben. Es ist ein wunderschönes Land. Ich liebe Ordnung.
Als schwedischer Nationalcoach arbeiten Sie nur punktuell mit den Spielern. Was wird anders sein als Clubtrainer?
Zuerst einmal freue ich mich darauf, täglich mit den Spielern zu arbeiten und zu erleben, wie sich das Team im Verlaufe des Jahres entwickelt. Die Beziehung zu den Spielern aufzubauen. Ein Grund, wieso bei uns Schweden so viele grossartige Spieler an die WM kommen, ist, weil ich mit ihnen schon gearbeitet habe, seit sie 16, 17 sind. Sie wissen, was sie bei mir erwartet. Ich bin gut darin, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Spieler Topleistungen bringen.
Es heisst, die ZSC Lions bräuchten einen Coach, der mit harter Hand führt, manchmal die Peitsche schwingt. Sind Sie ein harter Trainer?
Was heisst schon hart? Für mich geht es darum, zusammenzuarbeiten. Nicht gegeneinander. Es ist nicht ich gegen sie, es ist wir. Ich bin sehr neugierig, stelle viele Fragen. Aber wenn wir beschlossen haben, etwas zu tun, setze ich das durch. Wenn wir über längere Zeit Erfolg haben wollen, nicht nur ein Jahr, muss man einen etwas anderen Ansatz wählen, als die Peitsche zu schwingen, wie Sie es ausdrücken.
Sind Sie mehr Schwede oder Amerikaner?
Diese Frage wird mir oft gestellt. Als ich zurück nach Schweden kam, wurde ich als Amerikaner angeschaut. Weil sich zuvor meine ganze Coachingkarriere in Nordamerika abgespielt hatte. Das war ein Trumpf für mich: Ich kannte die schwedische Kultur, aber auch die nordamerikanische Art des Coachings. Ich coachte 15 Jahre in Nordamerika. Gleichzeitig ist mir die Ausbildung wichtig. Ich mag es, die Spieler zu entwickeln, anzutreiben, damit sie ihr Bestes ausschöpfen. Ich bin also eine Mischung, kein typischer Schwede, aber auch kein typischer Amerikaner.
«Stolzer als auf meine Goldmedaillen bin ich auf meine Beständigkeit.»
Rikard Grönborg, ZSC-Coach
Sie waren als Spieler kein Star, mussten sich als Coach hocharbeiten. Wie prägte Sie das? Was sagt das über Sie aus?
Dass ich ein harter Arbeiter bin. Ich bin keiner, der die Stunden zählt. Wenn du in diesem Job Erfolg haben willst, musst du mehr tun als der neben dir. Ich führte in Schweden in der gleichen Saison die U-18 und die U-20. Zudem habe ich einen akademischen Hintergrund, mir gefällt es zu planen. Ich hatte ja nicht vor, Coach zu werden, als ich aufgehört hatte zu spielen. Aber das Eishockey brachte mich immer wieder zurück, eröffnete mir neue Chancen. Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Ich liebe es, in einem kompetitiven Umfeld zu arbeiten. Und ich liebe das Eishockey. Mein Job vereint alles.
Hat es Sie verändert, Weltmeistertrainer Schwedens zu sein?
Nicht gross. Ich bin stolzer auf meine Beständigkeit als auf die Goldmedaillen. Als Coach kann man nur konstante Arbeit bringen. Ob es dann Gold wird, oder ob man einen Final verliert, das hängt an den Spielern. Aber ich habe mich immer durch konstante Arbeit ausgezeichnet. Wir spielten stets um Medaillen mit.
Wie reagieren die Leute, wenn sie Sie in Stockholm auf der Strasse sehen?
Das hat sich schon etwas verändert. Natürlich werde ich öfter angesprochen. Aber das stört mich nicht. Als Nationalcoach ist es Teil des Jobs, dass man ein Botschafter ist fürs Eishockey. Das gefällt mir. Ich wirke auch gerne in der Trainerausbildung. Aber jetzt freue ich mich darauf, mit einem Clubteam zu arbeiten. Als mir der Verband einen Dreijahresvertrag anbot, lehnte ich ab, weil ich das Gefühl hatte, dass es Zeit ist für etwas Neues. Zürich war da noch kein Thema.
Könnten die ZSC Lions für Sie das Sprungbrett in die NHL sein? Wie bei Bob Hartley und Marc Crawford?
Ich betrachte das nicht so. Vielleicht bleibe ich zehn Jahre in der Schweiz, wer weiss. Ich ging einst nach Nordamerika für ein Jahr und blieb 20 Jahre. Man weiss nie, wohin einen das Leben führt.
Haben Sie sich mit Hans Wallson unterhalten, bevorSie unterschrieben?
Nein, ich habe mit Lars Johansson geredet. Aber nicht vertieft. Ich will mir meine eigene Meinung bilden. Wir sprachen mehr darüber, wie es ist, in Zürich zu leben. Auch mit Hartley habe ich mich darüber unterhalten. Sie haben beide geschwärmt.
Wurden Sie schon vor der Schweizer Mentalität gewarnt?
Ich komme mit einem offenen Geist. Wenn ich schon Vorurteile hätte, wäre das nicht gut. Und wenn ich denken würde, in der Schweiz sei alles gleich wie in Schweden, wäre ich kein besonders guter Coach.
Die Schweizer Liga ist geprägt von einer Welle von nordländischen Coachs. Der Stil von Dan Tangnes bei Zug mit Druck auf dem ganzen Eis wird momentan als das Nonplusultra angesehen. Was schwebt Ihnen vor?
Ich finde laufbetontes Eishockey auch gut. Aber ich mag es, den Rhythmus des Spiels zu verändern. Und den Puck schnell zu spielen. Das Passspiel ist sehr wichtig. Wenn man hier an der WM die Russen beobachtet oder unser Team, wie wir das Tempo variieren, ich denke, das ist der nächste Schritt.
«Ich lernte zu verstehen, welch grossen Einfluss Kommunikation hat, verbal wie nonverbal. Wie man anderen hilft, die Dinge nicht negativ zu sehen, sondern als Chance.»
Rikard Grönborg, ZSC-Coach
Wie gut kennen Sie die Mannschaft schon?
Ich hatte gerade ein Meeting mit Sven Leuenberger, und wir gingen das Team gemeinsam durch. Aber ich habe erst mit Pettersson und Nilsson gearbeitet. Wenn ich nach Zürich komme, werde ich mich mit jedem Spieler treffen, um ihn kennen zu lernen.
Im WM-Final 2018 schlugen Sie mit Schweden die Schweiz im Penaltyschiessen. Das war ein bisschen glückhaft, nicht?
Die Schweizer spielten ausgezeichnet, es war, als ob wir das ganze Spiel hinterherliefen. Die Regeln besagten nun mal, dass der Final im Penaltyschiessen entschieden wird. Dieses Jahr ist es ja anders. Ich sprach nach dem Spiel mit Fischer, natürlich war er sehr enttäuscht. Aber er durfte stolz sein auf sein Team. 2013 in Stockholm war ich auch schon dabei, als Assistenztrainer. Die zwei Silbermedaillen zeigen, dass die Schweizer vieles richtig machen, ein gutes Programm haben.
Sie haben einen Bachelor-Abschluss in Journalismus ...
… und einen Master-Abschluss in Management. Da ging es viel um Leadership. Ein spannendes Thema! Mich interessiert, was Menschen antreibt. Wir sind alle anders, funktionieren unterschiedlich. Ich lernte zu verstehen, welch grossen Einfluss Kommunikation hat, verbal wie nonverbal. Wie man anderen hilft, die Dinge nicht negativ zu sehen, sondern als Chance. Die klassischen Kabinenansprachen mache ich auch ab und zu. Aber die tägliche Beziehung zu den Spielern ist wichtiger. Ich studierte sieben Jahre, coachte daneben aber schon. So konnte ich schon gewisse Dinge einbauen und ausprobieren.
Welchen Titel würden Sie als Journalist über ein Porträt über Sie setzen?
Vielleicht diesen: Ich habe noch lange nicht genug. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Das treibt mich vorwärts.
Der amerikanische Schwede
Rikard Grönborg ist eine markante Figur mit seinem gepflegten weissen Bart. Als Weltmeistercoach Schwedens 2017 und 2018 geniesst er in seiner Heimat ein hohes Ansehen. Er war kein grosser Spieler, hörte mit 26 auf, um in St. Cloud das College abzuschliessen. Dort rutschte er ins Coaching hinein. 2006 kehrte er nach Schweden zurück und arbeitete sich im Verband hoch, vom Scout und Videocoach bis zum A-Nationaltrainer. Nun unterschrieb er bis 2021 beim ZSC. Er besitzt auch den US-Pass, ist mit der Amerikanerin Dawnie verheiratet und hat mit ihr die Töchter Chloe (6) und Grace (1).