KENT RUHNKE ÜBER DAS REZEPT, DEN PLAYOFF-FINAL GEGEN SERVETTE ZU WENDEN
Ein harter Charaktertest für den ZSC
Von Kent Ruhnke*
Beat Forster ist eine Zielscheibe. Jedes Mal, wenn er den Puck berührt, jagt ihm ein Genfer Spieler hinterher, springt ihn an oder traktiert ihn mit dem Stock. Und ich bin überzeugt, dass er auch Beleidigungen über sich ergehen lassen muss. Im zweiten Finalspiel wurde das alles zu viel für den ZSC-Verteidiger. Er sprang wie ein Verrückter auf der Spielerbank auf und ab – immer wieder. Und Dave Chambers, der Verteidigercoach, musste ihn Mal für Mal beruhigen. Die Taktik von Chris McSorley ging perfekt auf.
McSorley hat eine Seite aus dem «Rezeptbuch» von Fred Shero gestohlen, dem Coach von Stanley-Cup-Sieger Philadelphia von 1973/74. Bis dahin hatte die ganze Liga versucht, den Puck vom grossen Bobby Orr von den Boston Bruins fernzuhalten. Nicht Shero. Er wies seine Truppen an: «Schiesst den Puck in die Ecke von Orr, geht ihm nach, zermürbt ihn, bringt ihn aus dem Konzept!» Der Ansatz von McSorley ist derselbe. Forster ist der beste ZSCSpieler, und seine 150 Strafminuten zeigen, dass er seine Emotionen nicht immer im Griff hat. McSorley will, dass bei Forster immer Feuer brennt. Und wenn die Bombe hochgeht, zerplatzen auch die Chancen der ZSC Lions. Die Herausforderung für die Zürcher ist nun, eine Frage zu beantworten: Bleiben sie bei ihrer Spielweise, oder wollen sie versuchen, Servette mit den eigenen Waffen zu schlagen? Sie schafften es am Montag im Mitteldrittel, als sie das Spiel physisch dominierten. Können sie das wieder tun, diesmal über einen ganzen Match hinweg? Sollen Sie es überhaupt probieren?
Das Torpedosystem von McSorley legt es darauf an, dass der Gegner seinen Plan ändern muss.
Was dagegen nicht mehr funktioniert, ist das weit verbreitete System, den Puckführenden auf eine Seite zu steuern und ihm eine Falle zu stellen («Trap»). Aus meiner Erfahrung ist die einzige Möglichkeit, die Genfer Spielweise zu kontern, ein aggressives 2-1-2-System zu spielen wie Davos. Das bedeutet, dass zwei Stürmer (gegen je einen Genfer Verteidiger) forechecken und die Verteidiger an der Bande nachrücken, um die Bandenpässe abzufangen. Und wenn der Puck in die eigene Zone reingelenkt wird, muss man ihn so schnell wie möglich die Bande entlang rausspielen.
Man muss die Genfer Verteidiger sofort unter Druck setzen, immer und immer wieder. Überall auf dem Eis muss man Eins-gegen-eins-Situationen kreieren. Und man muss sich davor hüten, dass die weniger talentierten Servette-Spieler um einen herumschwirren und zu Fehlern zwingen, weil man den Puck zu lange hält. Man muss auf seine Chance warten und dann zuschlagen. Natürlich muss man sich auch bei Genf ein, zwei Schlüsselspieler aussuchen und sie permanent belästigen. Wenn man ihnen unter die Haut geht, wird es plötzlich bei ihnen zu einem Feuerwerk der Emotionen kommen. Das wäre für die ZSC Lions schöner als der 1. August. Ich muss gestehen, dass ich Chris McSorley bewundere. Niemand hat härter gearbeitet als er, um ein Team zu bauen, während bald sieben Jahren blieb er stur bei seinem Plan. Natürlich, wenn er nur der Coach und nicht auch der Manager und Besitzer wäre, wäre er in dieser Zeit einige Male entlassen worden. Er muss sich nicht mit einem oft lästigen und inkompetenten Management herumschlagen. Das ist ein enormer Vorteil. McSorley lässt einen Stil spielen, mit dem man alle Zuschauer aus den Stadien vertreiben würde, wenn ihn alle praktizierten. Ihm ist das egal. Wichtig ist für ihn nur, dass ihn nur noch zwei Siege vom ersten Schweizer-MeisterTitel trennen.
Kann der ZSC die Serie noch herumreissen? Es ist möglich, aber für das Team ist die jetzige Situation ein ganz schwieriger Charaktertest. Die Zürcher müssen bereit sein für weitere intensive, körperbetonte PlayoffFights und die Schmerzen untereinander verteilen. Ein Amerikaner sagte einmal zu mir: «Meine Freiheit endet da, wo meine Faust deine Nase trifft!» Daran müssen sich die ZSC Lions orientieren, wenn sie noch Champions werden wollen.
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