Alexander Kühn am Donnerstag den 28. Februar 2013
Vom FCZ zu GC: Geständnis eines Konvertiten
Jahrelang hätte ich mir lieber alle zehn Fingernägel ausreissen lassen, als den Cup-Halbfinal zwischen den Grasshoppers und dem FC Zürich vom 3. März 2004 (6:5 nach Verlängerung) noch einmal anzusehen. Sie erinnern sich: Der FCZ, damals noch der liebenswerte Kleine im Zürcher Fussball, führte gegen den beleidigend erfolgreichen Rekordmeister im Hardturm bis in die Schlussphase der regulären Spielzeit mit 5:2. Obwohl mit Urs Meier ein Referee im Einsatz stand, den wir FCZ-Anhänger für einen verkappten GC-Fan hielten. Und obwohl Meier César nach dessen Treffer zum 5:2 wegen übertriebenen Torjubels mit Gelb-Rot unter die Dusche geschickt hatte.
Ich und meine Freunde, die den Hardturm gewöhnlich etwa so gern betraten wie eine Katze die Tierkadaver-Verbrennungsanlage, fühlten uns rundum wohl. Mit unseren Nokia-8310-Handys verschickten wir schon hämische Kurznachrichten an die Kollegen im GC-Block, spotteten über die seltsame Frisur von GC-Stürmer Mladen Petric (Zöpfchen!) und träumten vom Ende der sich zuverlässig wiederholenden Derby-Demütigungen. Dann aber schlug das Schicksal erbarmungslos zurück: In der 83. Minute gelang Eduardo mit einem Volley das 3:5, in der 89. Minute per Kopf das 4:5. Und in der 92. Minute – Meier liess vier Minuten nachspielen – schoss Petric trotz Zöpfchen per Abstauber das 5:5. Nun gingen auf unseren Handys die Spott-SMS ein, und mir schwante in meinem dunkelblauen Yasar-Trikot mit dem vom Tumbler lädierten Green.ch-Aufdruck schon, dass es auch diesmal nichts mit dem Triumph werden würde.
Die Verlängerung erlebte ich in einem emotionalen Koma, über Richard Nuñez’ Heber zum 6:5 für GC konnte ich mich nicht einmal mehr richtig aufregen. Mit einem vollen SMS-Speicher schlich ich nach dem Schlusspfiff Richtung Tramstation, trat auf dem Weg gegen den Reifen eines Autos und prellte mir luxuriös den Fuss. Aber das war nun auch egal. Genauso egal wie die drei Tore von Daniel Gygax und der vom zwölften GC-Mann Meier unterschlagene Penalty. Beim Thema Zürcher Fussball konnte ich erst wieder lachen, als GC am 12. April den Cupfinal gegen den FC Wil mit 2:3 verlor.
Und jetzt kommt das Geständnis: Wenn GC und der FCZ am 17. April 2013 wieder einen Cup-Halbfinal bestreiten, drücke ich den Grasshoppers die Daumen. Denn was der FCZ mir seit dem Ende der Ära von Sven Hotz angetan hat, ist noch schlimmer als die eingangs beschriebene Cup-Niederlage. Mit dem Amtsantritt von Präsident Ancillo Canepa und dem zur Schau getragenen Anspruch, neben dem FC Basel die einzige ernstzunehmende Kraft im Schweizer Fussball zu sein, verblasste meine Liebe zum Stadtclub sukzessive. Eine Liebe, die zuvor schon durch den penetranten Selbstbeweihräucherungsdrang der FCZ-Fanszene gelitten hatte und im Januar 2010 mit der Verpflichtung des teuren und mir wenig sympathischen Bundesliga-Restpostens Ludovic Magnin auch formal endete.
Trotz der schönen Erinnerungen an grosse FCZ-Figuren wie den Jahrhundertgoalie Ike Shorunmu, die Trainer Gilbert Gress und Lucien Favre, den georgischen Bierdeckeldribbler Gotcha Jamarauli, den in der Schlussphase bedingungslos nach vorne stürmenden Fredy Chassot und den auch tänzerisch überzeugenden Jahrhundertpatron Sven Hotz gelang es mir nie mehr, tiefer gehende Sympathien für den FCZ zu entwickeln. Das Selbstverständnis des Clubs ist mir zu grosskotzig geworden, die Fans zu sehr von der kulturellen Bedeutung ihres Treibens überzeugt. Und wenn ich dann noch an die unsägliche Phase der Irokesenfrisuren zurückdenke, dann tut es mir richtig leid um den alten FCZ, der wie der aktuelle keinen Erfolg hatte, dies aber auf eine sympathische Art. Es war so wunderbar rührend, mit welchen taktischen Verzweiflungstaten Raimondo Ponte und Gilbert Gress einst längst verlorene Spiel noch zu wenden versuchten und die treuen Fans (sie feierten noch ihre Mannschaft und nicht sich selbst) auch noch an diese illusionären Pläne glaubten.
Doch wie gesagt, nun bin ich ein Zürcher Fussball-Konvertit. Einer, der fast zehn Jahre lang eine Saisonkarte für die Osttribüne im alten Letzigrund besass (damals wurden die Tickets beim Betreten des Stadions noch mit der Zange gelocht) und konstatieren muss, dass der FCZ ausser dem Erfolg heute all das verkörpert, was einst an GC so befremdete. Einer, der nicht anders kann, als sich zu freuen, wenn das lange verspottete GC wieder ganz oben mitspielt. Einer, der noch ein altes FCZ-Trikot mit einer Widmung von Monsieur Gress im Schrank hat, und hofft, dass er es wieder einmal mit Stolz anziehen kann, wenn der ganze Coolness- und Wichtigkeits-Spuk um den einst sympathischsten Verein Europas zu Ende ist.
http://blog.tagesanzeiger.ch/steilpass/inde…es-konvertiten/
----------------------------------------------
Ich kenne viele Leute die zwar nicht zu GC wechselten aber gleich denken!