Er spielt den ZSC-Fans die akustischen Steilpässe
Seit 13 Jahren leiht der Finne seine Stimme den Löwen. Antti Uimonen setzt bei den Torschützen Akzente, sorgt für einen Tweet im hohen Norden und schwört auf ein besonderes Heilmittel gegen Heiserkeit.
Sogar seine Mutter hat ihm diese Frage schon gestellt. Was in aller Welt bringt einen Menschen, der das Klischee des schweigsamen Finnen so selbstverständlich bedient, in einer vollen Eishockeyarena zum Reden? Antti Uimonen antwortet mit einem Schulterzucken: «Ich kann es nicht genau sagen. Es war wohl der ‹Gwunder›.»
Als er sich mit sechzehn an einem Unihockey-Heimspiel der Giants Kloten in der Ruebisbachhalle das Mikrofon schnappte, weil das übliche Personal ausfiel, ging für Uimonen ein still gehegter Wunsch in Erfüllung. Wie es ist, mit der eigenen Stimme eine Halle zu füllen. Warum das richtige Timing entscheidend ist. Und was es braucht, um das Publikum mitzunehmen auf einen akustischen Streifzug. All das durfte er jetzt herausfinden.
Job-Sharing am Speakertisch
Inzwischen ist Uimonen 38 und in seiner 13. Saison als Speaker der ZSC Lions. Derselbe Giovanni Marti, der ihn zuerst zum UHC Dietlikon lockte, holte ihn später in die Stadt und zum Eishockey. Inzwischen teilen sich die beiden das Ehrenamt am Mikrofon der Löwen. Der zurückhaltende Finne ist sich dabei treu geblieben. Sein Stil ist klar und nüchtern, und er hat im vergangenen Jahrzehnt gelernt, sein Sprechtempo anzupassen. Nach einem Unihockeymatch hat ihm einst ein Zuschauer gesagt, er rede viel zu schnell. Das hat er sich zu Herzen genommen. «Wer seine Stimme einem Stadion ausleiht und nicht auf Kritik hört, ist nichts mehr als ein Selbstdarsteller», so sein Standpunkt.
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«Sollen mich die Leute im Falle einer Notfall-Durchsage ernst nehmen, kann ich vorher nicht den Clown machen.»
«Gut gebrüllt» bedeutet für Antti Uimonen nicht, dass er seine Aufgabe in einer Partie besonders laut oder aufgedreht erledigt hat – im Gegenteil. Er sagt: «Ich übernehme den seriösen Part.» Seine Hauptaufgabe besteht darin, Teams, Publikum und die anwesenden Journalisten über Tore und Strafen zu informieren. Faktenvermittlung geht vor Entertainment: «Sollen mich die Leute im Falle einer Notfall-Durchsage ernst nehmen, kann ich vorher nicht den Clown machen.»
Das bedeutet keineswegs, dass Uimonen nicht auch Emotionen zeigt. Gerade bei Toren spürt man seine Freude am rhythmischen Spiel mit dem Publikum. Ruft er «Pat-rick» in die Menge, antworten ihm die Fans garantiert genauso akzentuiert mit «Gee-ring». Wie er die Interaktion mit den Fans beeinflussen kann, findet er mitunter das Faszinierendste an seinem Job.
Als die Lions Mitte Januar nach sechs Niederlagen in Serie zu Hause gegen den EVZ endlich wieder einmal auf einen Sieg zusteuern, lässt er dem Torschützen zum entscheidenden 3:2 besondere Ehre zukommen. Dreimal wirft er den Vornamen «Dean» in die Runde, das letzte Mal mit einem Taucher in die tonalen Tiefen und einem langgezogenen «Diiiin». Es hört sich an, als würde Uimonen mit dem Vokal den Bogen spannen und den Fans dann den Nachnamen zum Abschuss überlassen: «KUKAN» schallt es wie auf Kommando durch die Swiss Life Arena.
Während die Ansagen von Strafen meist in einem Pfeifkonzert untergehen, wird den eigenen Treffern die akustische Bühne freigeräumt. Zwischen dem Speaker und den Fans gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, das Uimonen so erklärt: «Ich warte, bis die Fangesänge nach einem Tor verstummen. Danach überlässt das Publikum mir den Raum, um den Torschützen durchzugeben, sodass dieser auch die verdiente Aufmerksamkeit erhält.»
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«Wenn die Halle kocht, wirkt das auch auf mich elektrisierend.»
Obwohl längst ein Routinier, spürt Antti Uimonen noch jedes Mal, wenn er sich neben Zeitnehmer und Rapportführerin setzt, ein «Basiskribbeln». Traumatische Versprecher sind ihm in den dreizehn Jahren am Mikrofon des ZSC keine passiert, kleinere Fauxpas indes schon: «Einmal habe ich bei einer Durchsage Phil und Chris Baltisberger verwechselt.»
Dass ihm früher im Hallenstadion und auch nach dem Umzug des Clubs in die Swiss Life Arena über 11’ 000 Menschen zuhören, ist für Uimonen längst selbstverständlich. Und doch betont er: «Wenn die Halle kocht, wirkt das auch auf mich elektrisierend.» Bei einer Durchsage ist er dann aber ganz in seinem Tunnel. Der einzige Fall, in dem er das Fenster kurz öffne und auf die Rückmeldung achte, sei bei einem Tor des Heimteams. Hinzu kommt, dass in Uimonens Wahrnehmung die Individuen auf den Rängen in diesen Momenten zu einer Einheit verschmelzen. Das Publikum steht stets im Singular im Stadion. Der Gedanke kommt Uimonen im Gespräch: «Vielleicht macht es für mich darum keinen grossen Unterschied, ob ich zu einer Person oder 1000 Leuten spreche.»
Begrüssung in fliessendem Finnisch
Zu seiner Stimme hat er inzwischen eine solide Beziehung aufgebaut. Sie sei mit dem Alter etwas tiefer geworden, sagt Uimonen schmunzelnd. «Das gefällt mir.» Allerdings kennt auch er noch immer das bekannte Befremden, wenn er sich beim Sender TV24 als Unihockey-Experte – seit über einem Jahrzehnt ist er Sportchef von Schweizer Meister Kloten-Dietlikon Jets – oder auf dem Anrufbeantworter an seinem Arbeitsplatz als Grafiker selbst sprechen hört.
Antti Uimonen ist zwar im Zürcher Unterland aufgewachsen, hat aber den finnischen Pass und spricht die Sprache fliessend. Er selbst definiert seine Herkunft mit Humor: «Ich bin ein Finne, der aussergewöhnlich gut Schweizerdeutsch kann.» Bemerkenswert findet er, dass seine Stimme sich im Finnischen verändert, sie monotoner, tiefer wird. 2021 sass er während einer Partie der Champions Hockey League zwischen dem ZSC und IFK Helsinki am Speakertisch. Dass in Zürich die Gegner in fliessendem Finnisch begrüsst wurden, hat sich noch während der Partie bis in den hohen Norden durchgesprochen. «Ein Freund von mir hat mir den betreffenden Tweet weitergeleitet», erzählt Uimonen und fühlt sich bestätigt: «Die Sprache der anderen zu sprechen wird als besonderes Zeichen der Gastfreundschaft geschätzt.»
Sein Platz hinter Plexiglas in der Arena liegt genau auf Höhe des Eises, kaum jemand ist so nah am Puls der Protagonisten wie der Speaker. Seit den Meistertiteln des ZSC in den Nullerjahren schlägt auch sein Herz für die Löwen. Goalie-Ikone Ari Sulander habe ihn damals zum Fan gemacht. Seine Leidenschaft für den Klub muss Uimonen während der Arbeit kontrollieren, alles andere wäre für einen so korrekten und höflichen Menschen, wie er einer ist, schlicht unprofessionell. Aber: «Trotzdem leide oder freue ich mich stets mit.»
Bald kommt der Frühling, mit ihm die entscheidende Phase der Meisterschaft und Uimonen weiss schon jetzt, was ihm blühen wird: Heiserkeit. «Pünktlich zum Playoff-Start versagt mir fast jedes Jahr die Stimme», sagt er kopfschüttelnd. Neben Halspastillen und Schonung schwört er auf heisses Wasser mit Honig. Lange hatte Uimonen die Mischung für ein Geheimrezept seiner finnischen Grosseltern gehalten, bis er erfuhr, dass Klotens Speakerlegende Jörg Müller am Schluefweg auf exakt dasselbe Hausmittel setzt.