Die neue GC-ChefinSie setzte sich in einer Männerwelt durch, jetzt muss sie GC aufpäppeln
Die Amerikanerin Stacy Johns arbeitete sich im American Football hoch. Nun ist sie plötzlich tonangebend bei den Grasshoppers.
Publiziert heute um 17:28 Uhr
Schon ausgestattet mit einem GC-Schal: Stacy Johns bei ihrem ersten Besuch auf dem Campus.
Foto: Michael Buholzer (Keystone)
Es ist früh morgens in Los Angeles, als sich Stacy Johns dieses Fussballspiel anschaut. GC gegen den FCZ, Anpfiff 7.30 Uhr, bis in die Nachspielzeit steht es 1:1. Nicht das, was sich die Grasshoppers erhofften, denkt Johns, aber besser als eine Niederlage.
In den Schlussminuten ist Johns mit Larry Freedman am Telefon, sie ist einige Sekunden voraus in ihrem Stream. Und dann kommt diese 95. Minute, als Pascal Schürpf loszieht, das 2:1 schiesst und für kurzzeitige Jubelstürme an der amerikanischen Westküste sorgt. «Ein Hollywood-Ende», nennt es Johns – passt ganz gut.
GC ist nun Teil ihres Lebens. Johns ist die Präsidentin des Grasshopper Club Zürich, seit der Verein vor gut zwei Wochen vom Los Angeles FC übernommen wurde. In Kalifornien ist Johns Chief Operating Officer und Chief Financial Officer. Ihr Kollege Freedman wiederum ist in LA Co-Präsident und Chief Business Officer, bei GC sitzt er im Verwaltungsrat.
Neun Stunden beträgt der Zeitunterschied zwischen Zürich und Los Angeles, Derbys gibt es also zum Frühstück. Die Gruppe um Johns und Freedman ist das gewohnt, sie kommt oft zusammen, auch virtuell, um Spiele von Wacker Innsbruck zu schauen, einem anderen Team aus dem LA-Portfolio. Zum Teil laufen auch Spiele von Bayern München, mit dem deutschen Rekordmeister pflegt der LA FC eine strategische Partnerschaft im Nachwuchsbereich.
Zu diesem Netzwerk gehört jetzt auch GC, aus China wurde USA, aus Schanghai wurde Los Angeles. Die neuen Eigentümer wollen präsenter sein, als es die Chinesen vor ihnen waren, das gelingt ihnen bisher recht gut. Auch weil Sky Sun, einer von Johns’ Vorgängern, nur sporadisch und Besitzerin Jenny Wang nie zu den Medien sprach. Johns ist da anders, amerikanischer eben, sie will eine Aufbruchstimmung entfachen.
Ein blaues und ein weisses Herz auf Instagram
Das kommt im Umfeld des Clubs offenbar gut an. Johns erzählt von einer Flut an E-Mails, Instagram- oder Linkedin-Nachrichten, von der sie überwältigt sei. «Die Leute teilen ihre Leidenschaften, Freuden, Sorgen und Beschwerden mit uns», sagt sie. Sie selbst hat ihr Instagram-Profil bereits aktualisiert: blaues Herz, weisses Herz.
Für Johns ist das alles insofern neu, als dass sie noch nicht lange im Fussballgeschäft tätig ist, schon gar nicht im europäischen. Sie stammt aus einer Kleinstadt im Bundesstaat Indiana, ein Team aus der Major League Soccer gibt es da nicht. American Football ist König. 2007 gewannen die Indiana Colts letztmals die Super Bowl.
Johns war da dabei, hautnah. Während 16 Jahren arbeitete sie für die Colts. Es gab Zeiten, da fühlte sie sich als Frau in einer männerdominierten Welt ausgeschlossen. Wenn die Männer sich zum Beispiel nach dem Besuch des Fitnessstudios in den Garderoben austauschten. Oder die Meetings auf 19 Uhr angesetzt wurden. Zu dieser Zeit war Johns nicht Geschäftsfrau, sondern Mutter. Sie hat drei Kinder, der Jüngste, Charlie, ist elf und hat bereits ein GC-Trikot.
«Ich denke nicht, dass das Absicht war, das war einfach die Art, wie sie Geschäfte machten», sagt Johns über die Zeit bei den Colts. Es habe sich auch einiges getan in den Jahren, es sei einfacher geworden, beschönigen aber wolle sie nichts, «es war eine harte Zeit». Johns fand ihren Weg, arbeitete sich hoch und wurde zur Vizepräsidentin der Colts.
Das liegt in der Familie, ihr Vater begann einst als Mechaniker, ein College besuchte er nie, und doch leitete er später eine Firma. «Und meine Mutter sagte mir stets, dass ich als Frau alles schaffen könne, was ich wolle.» Johns und ihr Bruder waren die Ersten aus der Familie, die ein College besuchten. «Meine Eltern arbeiteten hart dafür, dass wir es dorthin schafften», sagt sie.
Johns hatte immer ein Gefühl für Zahlen, sie studierte Rechnungswesen, nach dem College arbeitete sie als Wirtschaftsprüferin. Sport lag ihr schon da, sie spielte Tennis. Zu Hause schaute die Familie viel Sport, eigentlich fast jeden. Mit Fussball kam sie in Berührung, weil ihr Bruder gelegentlich spielte und später ihr Ex-Mann.
Jetzt spricht sie zu Studentinnen
Erst 2020 aber, während der Pandemie, kam der Anruf, der sie nach Los Angeles führen sollte und vom American Football in den Fussball. Johns übrigens spricht nie von Soccer, wie es die Amerikaner sonst häufig tun.
Zuerst konnte es sich Johns nicht vorstellen, Indiana zu verlassen, sie lebte nie ausserhalb des Staates. Aber sie hörte sich das Angebot trotzdem an, fand beim Vorstellungsgespräch heraus, dass der LA FC eine Frau in einer Führungsposition suchte, und dass der Verein «authentisch, vielfältig und divers ist». Der LA FC war immer noch jung, erst 2014 wurde er gegründet, er ist eine amerikanische Erfolgsgeschichte, 2022 wurde das Team mit den schwarzgoldenen Trikots erstmals Meister.
Die neuen Köpfe bei GC: Larry Freedman und Stacy Johns, beide sitzen im Verwaltungsrat.
Foto: Michael Buholzer (Keystone)
«Mir gefiel die Idee, in einen Sport einzusteigen, der immer noch wächst», sagt Johns. «Die NFL ist riesig und Football zweifellos die erfolgreichste Sportart in Amerika, aber warum nicht für eine Sportart arbeiten, die ganz unten ist und versucht, an die Spitze zu kommen?» Also sagte sie zu. Mit den Kindern, die zwei Töchter interessieren sich mehr fürs Tanzen, und den zwei Hunden zog sie nach Kalifornien.
Johns wurde Finanzchefin und fühlt sich heute am richtigen Ort, «seit ich hier bin, ist mir klar, dass ich das wahrscheinlich schon früher hätte tun sollen», sagt sie. Seit sie in Los Angeles ist, muss sie sich kaum mehr Gedanken darüber machen, wie sie sich in einer männerdominierten Welt durchsetzen soll, sondern darüber, was sie jüngeren Generationen mitgeben kann.
Darüber spricht sie an Hochschulen vor Studenten und Studentinnen. Oder sie gibt im privaten Rahmen Ratschläge. Die Freundin ihrer älteren Tochter zum Beispiel möchte gerne einmal Sportagentin werden. «Sie fragt mich: ‹Kann ich das ?› Und ich sage: ‹Natürlich kannst du das!›» Johns hilft ihr nun, die richtigen Leute dafür kennen zu lernen.
In ein paar Wochen wird Johns mit einer Gruppe vom LA FC zurück nach Zürich kommen, sich umhören und Gespräche führen. Noch ist ihr Lebensmittelpunkt Los Angeles, aber wer weiss, was folgt, wenn die Kinder alle erwachsen sind.
Als die Partnerschaft mit den Bayern Tatsache wurde, unterhielt sie sich einmal mit Larry Freedman über das Thema. Sie sagte: «Weisst du, wenn ich darüber nachdenke, dann denke ich, dass ich in Zukunft nicht mehr hier leben muss.»