• Offizieller Beitrag

    Er wusste, was er wollte

    Sein früherer Coach Kent Ruhnke erinnert sich an den verstorbenen Peter Jaks

    KENT RUHNKE 59 WAR VON 1998 BIS 2000 COACH VON PETER JAKS BEI DEN ZSC LIONS UND FEIERTE MIT IHM DEN ERSTEN ZÜRCHER MEISTERTITEL NACH 39 JAHREN.

    Das ist alles so schwer zu verstehen. Wie kann ein ehemaliger Eishockeyspieler vom Kaliber eines Peter Jaks so schnell so tief fallen, dass er sich das Leben nimmt? Sein tragischer Tod scheint die Fortsetzung des «Sommers der Verzweiflung» in der Hockeywelt. Schon drei NHL-Spieler beendeten in den vergangenen Monaten ihr Leben. Ist das einfach Zufall, oder handelt es sich hier um ein weitgreifendes Problem?

    Jene drei Spieler waren Raubeine, die öfter prügelten als Tore schossen. Jaks war genau das Gegenteil. Er war der reinste Goalgetter, den man sich vorstellen konnte. Ein Puck von seinem Stock folgte wie einem Laserstrahl ins Lattenkreuz. Und er war so kräftig, dass er sich seinen Weg zum Tor pflügen konnte, sogar mit zwei Verteidigern, die an ihm dran hingen. Und wenn er dort war, liess er die Goalies tölpelhaft aussehen, indem er ihnen den Puck zwischen die Beine schob oder antäuschte und sie zu früh aufs Eis gehen liess, wo sie verzweifelt mit den Armen ruderten, um noch etwas Netz abzudecken.

    Grosse Torschützen sind meistens die smartesten Spieler auf dem Eis, und Peter war keine Ausnahme. Aber fast noch beeindruckender war seine Intelligenz daneben. Mit ihm konnte man über alles diskutieren, über Politik, das Weltgeschehen, natürlich über irgendwelchen Sport – und das in Deutsch, Italienisch, Englisch oder seiner tschechischen Muttersprache. Und er war so selbstbewusst, dass er mit mir nicht nur als seinem Coach sprach, sondern mir auf Augenhöhe begegnete. Bei Danny Hodgson war es dasselbe. Beide waren schon älter und brutal ehrlich. Sie teilten mir ihre Ideen und Bedenken offen mit.

    Ich erinnere mich noch gut, wie ich in Zürich konstant von der Boulevardpresse attackiert wurde (und von Teilen dieses Forums :razz: ) und Peter fragte, was er davon halte. Er sagte: «Kent, wir wissen, es stimmt nicht, was sie schreiben. Aber wenn du dich jeden Tag damit befasst, wirst du es eines Tages selber glauben.» Er schreckte vor der Wahrheit nie zurück und redete niemandem nach dem Mund.

    Trotzdem war er nicht der Traumspieler eines Coaches. Das sind Goalgetter selten. Er war immer etwas zu schwer und ein bisschen ausser Form. Als ich mich einmal nach einem Spiel mit einem seiner früheren Coaches unterhielt und Peter vorbeiging, fragte ihn dieser: «So, Peter, bist du in Erwartung?» Er schmunzelte nur und ging weiter – er hatte einen guten Sinn für Humor, verriet mir später aber einmal, was er von diesem Coach hielt. Und obschon die Fitness sein grösstes Problem war, verstand er es, immer am richtigen Ort zu sein. Der grosse Turnaround der ZSC Lions wurde eingeleitet vom Meisterstück des Simon Schenk, Ari Sulander, Chad Silver, Dan Hodgson und Peter Jaks nach Zürich zu lotsen. Zwei von ihnen sind nun verstorben. Und immer mehr deutet darauf hin, dass es eine Verbindung gibt zwischen Kopfverletzungen und Depressionen. Peter könnten die konstanten Prügel, denen er als Offensivspieler 20 Jahre lang ausgeliefert war, zugesetzt haben. Chad Silver verstarb zwei Tage nach einer schweren Gehirnerschütterung. In unserem Sport wird der kurzund langfristige Einfluss von Kopfverletzungen inzwischen intensiver untersucht. Und das ist auch dringend nötig.

    Wir werden nie genau wissen, wieso sich Peter das Leben genommen hat. Er könnte es vermisst haben, im Mittelpunkt zu stehen. Ein Star zu sein. Ihm fehlte vielleicht das fürstliche Gehalt von früher. Das Teamleben. Die Familie. Aber all das ist Spekulation. Ich erinnere mich bei Peter an einen Menschen mit viel Bodenhaftung. Er war ein ausgeprägter Familienmensch. Ich habe noch das Bild vor meinen Augen, wie seine drei Mädchen fast nach jedem Spiel in der Kabine des Hallenstadions herumrannten. Und er und seine Frau Francesca schlossen sich oft mir und meiner Frau Barbara zum Essen an.

    Die anderen Spieler fühlten sich von Peter angezogen, respektierten ihn und hörten ihm aufmerksam zu. Meine liebste Erinnerung an ihn ist, wie er (meist nackt) mit seinem sumoringerähnlichen Körper in der Kabine sass und seine Teamkollegen mit Heldengeschichten aus seiner Hockeyvergangenheit unterhielt. Wie alle Leader hatte er einen beruhigenden Einfluss in der Garderobe, besonders wenn es hart auf hart ging. Vor allem aber glaubten alle an Peter, weil er genau wusste, wohin er wollte und was er dort tun würde. Ich bin unheimlich traurig, dass diesmal keiner da war, der ihm helfen konnte, ihn umzustimmen.


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    • Offizieller Beitrag

    Ein Gedanke an Peter Jaks

    Bei aller Flut von Spielen sei kurz innegehalten. Gestern Sonntag jährte sich der Todestag von Peter Jaks zum dritten Mal. Er stürzte sich am 5. Oktober 2011 mit 45 in Bari vor einen Zug. Jaks war einer der Grossen im Schweizer Eishockey und ein Monument von einem Mann. Und er war stolz. Vielleicht zu stolz. Seine Ex-Frau Francesca sagte kürzlich in einem Interview im Tessiner Radio, er habe niemandem von seinen Problemen erzählt. Trotzdem blieb sein Kummer seinen Nächsten nicht verborgen. «Ich sah in seinen Augen, dass er nicht mehr glücklich war», sagte Rebecca, eine seiner drei Töchter, in der Dokumentation «Die Einsamkeit der Nummer 19» von 2012. Sie habe ihm seinen drastischen Schritt verziehen, fügte sie an. Francesca Jaks würde sich wünschen, dass die Clubs die angehenden Stars besser auf das Leben danach vorbereiten, wenn die Scheinwerfer aus sind. Sportlern wird stets eingeimpft, selbst die Verantwortung zu übernehmen. Peter Jaks interpretierte dies bis zur traurigen Konsequenz. (sg.)

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