- Offizieller Beitrag
Die ZSC Lions starten ohne Spektakel – sie gefallen aber trotzdem
Der Meister kommt mit vier Punkten aus zwei Spielen gut aus den Startlöchern. Es besteht noch viel Luft nach oben, die Zürcher warten auf den Einsatz ihrer offensiven Künstler. Die Handschrift des neuen Trainers ist derweil schon gut sichtbar.
Ulrich Pickel (NZZ)
Einen Schönheitspreis hat der Meister gegen den SCB und die Rapperswil-Jona Lakers nicht gewonnen. Aber das kann ihm egal sein. Damit nicht gleich Hektik ausbricht, geht es beim Saisonstart in erster Linie darum, möglichst gut aus den Startlöchern zu kommen. Und das ist den Zürchern nicht schlecht gelungen. Mit vier Punkten aus zwei Spielen können sie zufrieden sein.
Drei Tore haben sie geschossen, drei erhalten – die kleine Ziffer allein deutet an, dass es bisher unspektakulär zuging. Dass die Torschützen Drew Shore, Denis Hollenstein und Maxim Noreau heissen, ist aus Zürcher Sicht erfreulich. Shore war letzte Saison ein Sorgenkind, jedes frühe Erfolgserlebnis stärkt das Selbstvertrauen und hilft dem US-Center, das Vergangene hinter sich zu lassen. Und im Fall von Hollenstein und Noreau gilt: Je früher Neuzugänge treffen, desto leichter fällt ihnen der Anpassungsprozess. Und für den neuen Coach Serge Aubin sind die Punkte wichtig, weil sie jene Ruhe geben, die jeder Trainer braucht, um ungestört arbeiten zu können.
Die ersten zwei Spiele gaben auch einen Eindruck davon, wie die Handschrift des Kanadiers aussieht. Er sagte: «Wir wollen das Spiel von hinten heraus entwickeln, und ich glaube, wir waren ziemlich solid in der Defensive. Was den Angriff betrifft, ist es eine Frage der Zeit, bis wir unser Potenzial ausschöpfen.»
Serge Aubins taktische Maxime
Es kommt nicht von ungefähr, dass Aubin den Fokus auf ein diszipliniertes Abwehrverhalten legt. Im Kader steckt sehr viel Substanz, gleichwohl ist dieses Gebilde verwundbarer, als man auf den ersten Blick denkt. Aubin hat mitbekommen, dass die ZSC Lions in der letzten Saison lange Zeit Mühe mit einer sauberen Defensive hatten, was ein Hauptgrund war, warum sie am Ende der Qualifikation nicht über den siebenten Platz hinauskamen. Die Zürcher sind von ihrer Veranlagung her verspielt, sie lieben es, mit der Scheibe schöne Spielzüge und Passfolgen aufs Eis zu zaubern. Die defensive Absicherung vergessen sie allerdings gerne. Deshalb gilt nun «defense first» als Maxime. Auch wenn der Zeitpunkt noch sehr früh ist: Im Vergleich mit dem chaotischen letzten Herbst scheinen die Lions auf soliderem Fundament zu stehen.
Und der Coach ist mehr als ein Zweckoptimist, wenn er davon ausgeht, dass die Offensive mit der Zeit stärker werden wird. Erstens braucht die Mannschaft etwas Zeit, um seine Philosophie zu verinnerlichen. Es ist noch nicht allzu lange her, da mussten sich die Spieler mit einem komplexen schwedischen System abmühen. Dann kam das Intermezzo mit Hans Kossmann, der das skandinavische Korsett über Bord warf und taktische Einfachheit predigte. Und nun steht seit dem letzten Dezember der dritte Trainer da, der dem Team an der Taktik-Tafel die Marschrichtung vorzeichnet.
Hinzu kommt, dass die Lions nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sind. Die Fraktion der offensiven Künstler ist stark dezimiert. Mit Robert Nilsson, der in dieser Kategorie die Nummer eins ist, können sie auf unabsehbare Zeit gar nicht rechnen. Sein designierter Stellvertreter, der neu verpflichtete Tscheche Roman Cervenka, verpasste den Saisonstart leicht angeschlagen. Und der Scharfschütze Fredrik Pettersson muss noch zwei Spielsperren absitzen, bis er wieder spielberechtigt ist. Aubin sieht die Möglichkeit, dass Cervenka am Dienstag dabei sein wird. Dasselbe gilt auch für Hollenstein, der in beiden Partien einer der auffälligsten Lions war, am Samstag aber nach einem Check vorzeitig aufhören musste. Laut Aubin handelt es sich jedoch nur um ein kleines muskuläres Problem.
Dafür ist Pius Suter zurück. Er ist eine willkommene Verstärkung, mit mehr als einem Skorerpunkt pro Spiel war er letztes Jahr einer der effizientesten Zürcher. Zur allgemeinen Überraschung erschien er schon am Samstag in Rapperswil-Jona im Line-up.
Pius Suters langer Tag
Wenige Stunden vor dem Spiel war er am Samstag in Kloten gelandet, mit dreistündiger Verspätung. Der 22-jährige Center weilte knapp zwei Wochen im Vorbereitungs-Camp der New York Islanders in der NHL. Theoretisch hätte er bis Anfang Oktober bleiben können, aber er fiel einem Kaderschnitt zum Opfer. Man bleibe in Kontakt, sagte er. Es war sein zweiter Anlauf, im Vorjahr weilte er bei den Ottawa Senators. Ein dritter soll nächstes Jahr folgen, die NHL ist Suters Ziel. Ende Saison läuft sein Vertrag in Zürich aus. Diesen ohne eine Ausstiegsklausel für Nordamerika verlängern werde er sicher nicht, «alles andere lassen wir jetzt noch offen».
In der zweiten Meisterschaftswoche geht es für die Zürcher mit nur zwei Spielen weiter, am Dienstag im Hallenstadion gegen die SCL Tigers, am Freitag folgt eine Partie in Genf – zwei auf Papier gut lösbare und deshalb umso tückischere Aufgaben. Der Meister ist solid gestartet. Gefestigt ist er noch nicht.