Zaugg zum "braven" SCB, den "bösen" Flyers und einem kleinen Seitenhieb in Richtung Hallenstadion.
SCB-Cheftrainer Larry Huras sprach nach dem 4:5 gegen Davos gegenüber 20 Minuten Online Klartext: «Wenn wir am Dienstag in Kloten so spielen wie gegen Davos, dann kassieren wir zehn Gegentore. Wir sollten langsam aber sicher Playoffhockey spielen. Damit können wir nicht erst zwei Tage vor den Playoffs anfangen.»
Die Statistik illustriert, was Huras meint: Der SCB entwickelt nicht mehr die Spielintensität eines Spitzenteams. Wer ist beim SCB «böse»? Niemand mehr. Vor welchem SCB-Star zittern die Gegner? Vor keinem. In den ersten 50 der Strafenliste finden wir sechs Klotener (Hollenstein, Lemm, Santala, Du Bois, Bell und Liniger) und nur noch drei Berner (Gardner, Furrer und Krueger).
«Aura des Bösen» ist verflogen
Mehr noch: Der SCB ist zusammen mit Ambri das fairste Team der Liga (10,2 Strafminuten pro Spiel). Das waren die Berner seit Einführung der Playoffs nach Neujahr noch nie. Die Kloten Flyers (einst der Inbegriff von weichem Schmetterlingshockey) sind das drittböseste Team der Liga (14,6).
Zum besseren Verständnis die Strafenrangliste (gemäss hockeyfans.ch).
1. Zug 18,2*
2. Davos 16,5
3. Kloten 14,6
4. ZSC Lions 13,9
5. Fribourg 13,8
6. Servette 12,0
7. Biel 12,0
8. SCL Tigers 12,0
9. Lakers 11,9
10. Lugano 10,9
12. SC Bern 10,2
12. Ambri 10,2
*Strafminunten pro Spiel
Der Optimist sagt: Wenig Strafen sind ein Zeichen für hohe Disziplin. Der Pessimist sagt: Wenig Strafen sind ein Zeichen für «Badehosenhockey». Der Realist sagt: Der SCB ist zu weich. So werden die Berner nicht Meister.
Der Realist hat recht. Vor der Weihnachtspause ist der SCB gegen die kampfstarken Langnauer 2:5 untergegangen. Jetzt haben die Berner gegen ein spielerisch und taktisch besseres Davos verloren. Obwohl die Bündner vielleicht 70 Prozent ihres Tempospiels und ihrer Intensität erreichten, siegten sie leichter als das Resultat vermuten liesse. Nicht nur waren Spiel und Laufarbeit ohne Scheibe, Powerplay und Boxplay besser. Entscheidender war noch etwas anderes: Die Davoser gewannen mehr Zweikämpfe. In Bern. Vor der grössten Zuschauerkulisse Europas. Der Meister kann auf eigenem Eis eine Spitzenmannschaft nicht mehr einschüchtern. Die «Aura des Bösen», das Einschüchterungspotenzial ist weg. Der SCB hat kein Charisma mehr. Dies zeigt sich letztlich in dieser Saison auch in einer seltsamen, lauwarmen Stimmung im Stadion: Diese mitreissende, Hühnerhaut auslösende, den Gegner einschüchternden Kulisse der vergangenen Jahre gibt es nicht mehr. Auf dem Stimmungsbarometer ist der Tempel «PostFinance Arena» dem Zürcher Hallenstadion so nahe wie noch nie.
Keiner wie Sarault
Die Entwicklung läuft beim SCB gerade wegen der spielerischen Überlegenheit und der Tiefe im Kader, die in neun Siegen in Serie zinsten, in die falsche Richtung: Es ist zwar richtig, in der Qualifikation, die Energie sorgsam zu verwalten und die Kräfte zu schonen. Aber die Balance zwischen Härte und spielerischem Spektakel stimmt nicht mehr. Die Mannschaft ist zu stark «rüthemannisiert». Es braucht wieder eine Prise «Saraultismus» (in Erinnerung an Yves Sarault, den rauen meisterlichen SCB-Leitwolf von 2004).
Der SCB war bereits im letzten Frühjahr mehr ein spielerisches und taktisches als ein rumpelndes Meisterteam (12,7 Strafminuten pro Spiel in der Qualifikation). Aber so weich wie in dieser Qualifikation waren die Berner statistisch seit dem Wiederaufstieg von 1986 noch nie - und vom meisterlichen Rumpelteam von 2004 (20,5 Min.) sind sie weiter entfernt als von der NHL.
Im Grunde spielten am Sonntag der HC Davos und der SCB aneinander vorbei: Die bissigeren Davoser suchten den direkten Weg aufs Tor durch die Mitte, die verspielten Berner zelebrierten zu viel «Helikopterhockey» (Kreisen in den Ecken) auf den Aussenbahnen und zogen das Spiel zu sehr in die Breite.
Es braucht beim SCB ein Zusammenrücken. Als Team, um wieder Kampfkraft und meisterliches Einschüchterungspotenzial zu entwickeln und taktisch durch eine Konzentration der offensiven Feuerkraft in der Mitte. Dann ist der SCB wieder ein Spitzenteam.
Aber so wie die Berner zuletzt spielten, sind sie zu weich, um Meister zu werden.