• Offizieller Beitrag

    Ein Titel in der Halle wird für mich immer vor einem anderen Titel stehen. Dafür gehe ich jedes Spiel ins Stadion (naja, nicht ganz).

    Aber ich verstehe eure Sicht auch zu 100%. Kloten wegen der Historie und ein Sweep, in Bern wegen der "Belle", 2001 in der Overtime

    (und erst der 2. Titel in meiner Wahrnehmung), usw.

    Aber als Sulo den letzten Penalty gehalten hat und wir das Eis gestürmt haben - WELTKLASSE!!!

    Bin mir nicht sicher, ob wir jemals wieder auf's Eis dürfen/können, sollte der Z den Kübel holen........

    • Offizieller Beitrag

    Severin Blindenbacher nimmt Abschied

    «Dann brausten sechs Polizisten auf Motorrädern auf mich zu»

    Als kleiner Junge träumte er nie von einer Hockeykarriere. Nach 20 Jahren als Profi blickt Severin Blindenbacher (38) zurück auf die schönsten, bittersten und skurrilsten Momente.

    Simon Graf
    Simon Graf (TA)

    Verabschiedung am Samstag im Hallenstadion: Severin Blindenbacher mit seiner Freundin Séverine.


    Verabschiedung am Samstag im Hallenstadion: Severin Blindenbacher mit seiner Freundin Séverine. Foto: Claudio Thoma (Freshfocus)

    Sie verschickten zu Ihrem Abschied Postkarten an Menschen, die Ihnen in Ihrer Karriere begegnet sind. Wie viele haben Sie versendet?

    Das kann ich nicht genau sagen. Ich bin auch immer noch dran. Ich habe nicht jedem eine Karte geschickt. Aber den wichtigsten Leuten aus den bedeutenden Stationen. Es war eine Schnapsidee, dann sagte ich es so nebenbei einer Künstlerin, und sie fand es genial und gestaltete die Karte. Die Aktion kam gut an bei den Leuten. Einige meldeten sich und bedankten sich, Wladimir Jursinow hat beispielsweise angerufen. Er hatte grosse Freude.

    Waren diese Karten auch ein Teil Ihrer Verarbeitung?

    Deshalb tat ich es. Und damit kann ich das Kapitel Eishockey langsam abschliessen. Die Schlittschuhe an den Nagel gehängt: Mit dieser Postkarte verabschiedete sich Blindenbacher.


    Die Schlittschuhe an den Nagel gehängt: Mit dieser Postkarte verabschiedete sich Blindenbacher.

    Wer hat Sie am meisten geprägt, berührt in all den Jahren?

    Hockeytechnisch war das definitiv Jursinow. Einige 100 Spieler haben ihm ihre Karriere zu verdanken. In der Schweiz mindestens 30. Eine Zeit lang hätte man locker ein Team dieser Spieler aufs Eis gebracht. Mit Emanuel Peter, Martin Höhener, Gianni Ehrensperger und wie sie alle heissen.

    Jursinow trieb Sie als Junior in Kloten an Ihre Grenzen. War es eine Hassliebe?

    Eine Zeit lang schon. Er liebte uns alle, wie ein Grossvater. Aber er verlangte auch extrem viel von uns. Unter ihm nahm Eishockey sehr viel Zeit in Anspruch. Bei den Kanadiern wärmst du 30 Minuten auf, trainierst und gehst dann wieder nach Hause. Bei ihm war es so: Zuerst absolvierten wir den Vita-Parcours und umarmten alle Bäume, dann folgten eine Stunde im Kraftraum und zwei auf dem Eis. Dazu hörten wir klassische Musik …

    … klassische Musik?

    Ja, manchmal liess er dazu klassische Musik laufen. Er wollte die Schönheit, die Eleganz der klassischen Musik aufs Eis transferieren. Und fürs Mittagessen hätte er am liebsten Spaghetti für die Garderobe organisiert, damit wir hätten dortbleiben können, um nachmittags gleich wieder loszulegen. Was er nicht checkte: Wir wollten alle nur noch nach Hause und schlafen. (lacht) Er hatte unheimlich hohe Erwartungen an uns, speziell an mich. Er fand, ich müsse mit 17, 18 gleich gut sein wie Marko Kiprusoff, der gerade aus der NHL kam. Unter diesem Druck zerbrach ich zeitweise. Aber eben: Wer durch seine Schule ging, machte seinen Weg. «Einige 100 Spieler haben ihm die Karriere zu verdanken»: Blindenbacher über seinen Klotener Förderer Wladimir Jursinow.


    «Einige 100 Spieler haben ihm die Karriere zu verdanken»: Blindenbacher über seinen Klotener Förderer Wladimir Jursinow. Foto: Jürg Müller (Keystone)

    Sie bestritten im Januar 2020 Ihr letztes Spiel …

    … am 14., richtig.

    Sie konnten sich also schon länger aufs Karriereende vorbereiten. Gab es trotzdem einen Moment, in dem es Sie nochmals einholte?

    Der speziellste Moment war, als mich Sekretärin Nicole Brechbühl aus dem Chat der ZSC Lions entfernte. So zwei Wochen nach der Saison. Da wurde mir so richtig bewusst: Wow, jetzt ist es fertig! Ich weiss noch: Es war kein so guter Tag, ich sass bei mir auf dem Balkon und wusste nicht genau, was ich noch tun sollte. Ich öffnete ein Bier, und dann kam die Message, ich sei aus dem ZSC-Chat entfernt worden. Da wusste ich: Okay, tschau zäme! (lacht)

    Wie stellten Sie sich als kleiner Junge Ihre Hockeykarriere vor?

    Ich stellte sie mir nie vor, sie ergab sich einfach. Das Heldentum, das der Spitzensport auch hat, nahm ich nie so bewusst wahr. Meine Helden waren die Spieler des EHC Bülach, Urs Bärtschi und Co. Nie die Stars der Nationalliga A. Ich wollte einfach Hockey spielen, weil es mir grossen Spass machte. Mit 14 ging ich ins Probetraining beim EHC Kloten und merkte: Da weht ein anderer Wind! Dann ging es relativ schnell, plötzlich war ich Profi.

    Was bleibt Ihnen am meisten in Erinnerung?

    Der Zusammenhalt in der Mannschaft, in einem Kollektiv zu sein, wo alle gleich denken, die Hierarchie klar ist, jeder weiss, was er zu tun hat. Und natürlich, zusammen zu gewinnen. Das ist das Schönste! Von Bülach bis zum Titel in der Champions League, es fühlte sich immer ähnlich an. Dieses Gefühl nochmals zu erleben, spornte mich stets an.

    Sie wurden mit den ZSC Lions viermal Meister, gewannen die Champions League, holten WM-Silber. Was sticht heraus?

    Schon der erste Meistertitel, 2008 im Hallenstadion gegen Servette. Natürlich die Champions League. Und die U-18-WM in Finnland (2001), wo wir Silber holten.

    «Wenn die Schweden nicht Spieler hätten nachmelden können, hätten wir sie im WM-Final so richtig weggeputzt.»

    Und WM-Silber bei den Grossen 2013 in Stockholm?

    Ja klar, aber diesen Final hätten wir schon sehr gern gewonnen. Wenn die Schweden nicht die Möglichkeit gehabt hätten, Spieler nachzumelden, hätten wir sie so richtig weggeputzt. Davon bin ich überzeugt. Die hätten keine Chance gehabt! Aber die beiden Sedins und Loui Eriksson machten dann den Unterschied. Es war trotzdem mein schönstes Turnier. Spiel- und Trainingsplan waren so gut aufeinander abgestimmt, das Wetter stimmte in Stockholm, wir konnten jeden zweiten Tag etwas unternehmen, in der Stadt spazieren, shoppen gehen. Und auf dem Eis liefen wir durch, Josi trug uns in den Final. Schade, hat es am Schluss nicht gereicht. Es wäre zu schön gewesen, die Schweden in Schweden zu schlagen.

    Apropos Schweden: 2009 wechselten Sie zu Färjestad, im folgenden Jahr spielten Sie bei den Texas Stars in der AHL. Wie waren diese Erfahrungen im Ausland?

    Ich möchte sie nicht missen. Sie haben mich weitergebracht. Wenn nicht hockeytechnisch, so sicher menschlich. Ich wollte einfach mal weg von der Schweizer Liga, dann ergab sich Schweden. Da lernte ich eine ganz andere Kultur kennen, eine andere Herangehensweise ans Eishockey. Nicht so dieses Brachiale. In der Schweiz stehst du die ganze Zeit unter Druck. Leistung, Leistung, Leistung! In Schweden geht man diesen Sport ganz anders an. Wohl auch, weil er da zur DNA gehört. Es zählen nicht nur die Siege, der Weg ist das Ziel, es ist ein Prozess. Das provoziert viel weniger negative Emotionen.

    «Die NHL war nie mein grosses Ziel gewesen. Wer weiss, vielleicht hat es auch deshalb nicht geklappt.»

    Trotzdem zogen Sie nach einem Jahr weiter.

    Ich hätte bei Färjestad bleiben können, hatte eine Option auf ein weiteres Jahr. Aber dann kam das Thema Nordamerika auf. Die NHL war nie mein grosses Ziel gewesen. Wer weiss, vielleicht hat es auch deshalb nicht geklappt. Jedenfalls kam ich dann plötzlich in dieser ganz anderen Welt an. Ich und die Amis oder die Kanadier, das passte nie so recht. Ich habe das Gefühl, die übertreiben mindestens um 50 Prozent. Ich war bei Dallas unter Vertrag, wurde bald mal abgeschoben ins Farmteam. Es klappte nicht so recht, zumal ich mich zweimal verletzte. Einmal krachte ich mit dem Kopf in die Bande, später hatte ich noch diesen Autounfall. Dann zog es mir den Boden unter den Füssen weg. Aber auch Nordamerika war eine spannende Erfahrung. Ich lebte in Austin, einer megacoolen Stadt, die ich gerne nochmals besuchen möchte.

    Wie gravierend war jener Autounfall?

    Ich wollte einkaufen gehen, es regnete heftig, ich geriet ins Schleudern und krachte voll in ein anderes Auto. Durch den Aufprall wurde ich gestoppt. Dann brausten sechs Polizisten auf Motorrädern auf mich zu, wie im Film, ein Krankenauto, ein Feuerwehrauto. Der Lenker des anderen Fahrzeugs war ein Fussballtrainer, ein Latino, er nahm es easy. Zum Glück hat es ihm nichts gemacht. Mir schmerzte der Nacken, ich war sowieso sensibilisiert wegen meiner Gehirnerschütterungen. Ich brach die Saison dann frühzeitig ab. Der ZSC hatte zu jener Zeit Mühe, wollte mich unbedingt zurückholen, und so war Nordamerika plötzlich weit weg. Ich hätte – im Nachhinein betrachtet – mehr investieren müssen, um dort drüben Fuss zu fassen und zu reüssieren.

    Mit den ZSC Lions wurden Sie 2011/12 dann gleich wieder Meister unter Bob Hartley. Die Rückkehr zahlte sich aus.

    Absolut. Unter Hartley wehte ein anderer Wind. Es tat dem Verein gut, dass einer kam, der genau sagte, wie alles laufen solle. Der auf jedes Detail achtete. Der sagte: Dieser Rucksack muss bestickt werden, da fehlt das Logo! Oder: auf keinen Fall Truthahn zum Essen, das gibt saure Beine! Es war eine kleine Diktatur. Aber das war nicht schlecht für den Club und auch nicht für die jungen Spieler, die extrem viel profitierten. Wie Geering, Schäppi, Kenins, Cunti, die beiden Baltisberger. Hartley hat sehr gut mit den Jungen gearbeitet. Und jetzt ist er mit Omsk ja wieder Meister geworden. Unglaublich! Er hat in jeder Liga, in der er war, den Titel geholt. Sein Schema X funktioniert.

    Bereuen Sie etwas, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückschauen?

    Nein. Für mich war es gut so, wie es war.

    «Ich wusste, dass es knapp werden würde, wenn ich nochmals in einen Check reinlaufe. Aber ich fand, es sei zu früh, um aufzuhören.»

    Dass Sie 2018 nach Ihrer sechsten Gehirnerschütterung nochmals zurückkehrten und eine siebte einsteckten, die Ihre Karriere beendete? Denken Sie nicht manchmal: Das wäre nicht nötig gewesen?

    Ich wusste schon, dass es ein heisser Ritt ist. Dass es knapp werden würde, wenn ich nochmals in einen Check reinlaufe. Aber ich fand, es sei zu früh, um aufzuhören. Ich wollte mir nochmals beweisen, dass es geht. Sehr wahrscheinlich war das unnötig, ja. Es ist wichtig, dass man zu sich Sorge trägt, dass man sich auch einmal eingesteht, wenn es nicht mehr geht.

    Schwierig, nicht?

    Ja, schwierig. Ich war zu wenig feinfühlig mit mir. Gery (Büsser, der Teamarzt) zitierte mich damals ins Büro und sagte: «Vielleicht ist es besser, wenn du aufhörst.» Ich ging nach Hause und dachte: was, jetzt aufhören? Es fühlt sich nicht richtig an, so aufzuhören. Also versuchte ich es nochmals. Auf in neue Abenteuer: Severin Blindenbacher hat das Kapitel Eishockey abgeschlossen.


    Auf in neue Abenteuer: Severin Blindenbacher hat das Kapitel Eishockey abgeschlossen. Foto: Kurt Schorrer (foto-net)

    Wie geht es Ihnen heute? Haben Sie noch Nachwirkungen von den Gehirnerschütterungen?

    Ich habe manchmal einen Druck im Kopf und bin empfindlich auf Licht. Das ist geblieben. Aber ich möchte es nicht dramatisieren. Es ist, wie es ist. Zum Glück habe ich keine Schmerzen. Sport kann ich auch wieder treiben. Einige können nicht einmal mehr mit ihren Kindern spielen, weil die ihnen zu laut sind. Das ist krass.

    Wie fühlt sich Ihr Körper an nach 20 Jahren Profihockey?

    Ich merke schon, dass ein Übergang stattfindet vom Profiathleten zum Normalo. Ich spüre den Körper auch nicht mehr gleich gut wie vorher. Ins Fitness gehe ich kaum mehr, aber ich treibe schon regelmässig Sport, gehe oft joggen und spiele Padel-Tennis (eine Mischung aus Tennis und Squash).

    Mit Roman Wick, mit dem Sie am Samstag im Hallenstadion von den ZSC Lions verabschiedet wurden.

    Genau, mit Roman oder anderen. Wir gehen ins Padel-Center in Schlieren, das Timo Helbling mitbesitzt. Es macht Spass, diesen Sport zu entdecken. Früher spielte ich Tennis, jetzt Padel. Ein faszinierender Sport, der mit den Winkeln und dem Teamspiel Parallelen zum Eishockey hat. Kürzlich spielten Roman und ich gegen zwei Frauen. Wir wurden gottsjämmerlich eingeteilt. (lacht)

  • DAS wär inovativ - absolut!

    De Zesi isch halt lang au "nur" ZSC gsi. Und die Jungs vo beides gspielt händ Z und Lions händs schwer, bzw. nöd gschafft. Siehe Susi. Wobi, hät öpper nach ihm nomal s'20 gha? Wie S'21, das wird ja wägem Sturzi eigentlich au nümme vergeh

    Ist es nicht gang und gäbe, dass nur Spielerleibchen die dann auch ihre Karriere in Zürich beenden unters Dach gehören? Zesi, Susi und Mitch zum Beispiel haben dann ja noch etliche Jahre bei anderen Clubs gespielt. Von dem her hätte ich es Blindi gegönnt.

    • Offizieller Beitrag

    Ist es nicht gang und gäbe, dass nur Spielerleibchen die dann auch ihre Karriere in Zürich beenden unters Dach gehören? Zesi, Susi und Mitch zum Beispiel haben dann ja noch etliche Jahre bei anderen Clubs gespielt. Von dem her hätte ich es Blindi gegönnt.

    Kann gut sein - korrekt ist es nicht. Stell dir mal vor, unser Captain Geering spielt noch 4 Jahre bei uns und anschliessend noch 2 Jahre z.B. in Ambri.

    Er hätte aber inkl. seiner Juniorenzeit mehr als 30 Jahre beim Z gespielt. Aber sein Leibchen würde nicht unters Hallendach gezogen. Fände ich sehr,

    sehr befremdlich.

  • Kann gut sein - korrekt ist es nicht. Stell dir mal vor, unser Captain Geering spielt noch 4 Jahre bei uns und anschliessend noch 2 Jahre z.B. in Ambri.

    Er hätte aber inkl. seiner Juniorenzeit mehr als 30 Jahre beim Z gespielt. Aber sein Leibchen würde nicht unters Hallendach gezogen. Fände ich sehr,

    sehr befremdlich.

    Einverstanden, aber trotzdem irgendwie komisch wenn du das Shirt einer Clublegende unters Dach ziehst und ihn dann im gegnerischen Team noch bei dir in der Halle zu besuch hast.

    • Offizieller Beitrag

    Kann gut sein - korrekt ist es nicht. Stell dir mal vor, unser Captain Geering spielt noch 4 Jahre bei uns und anschliessend noch 2 Jahre z.B. in Ambri.

    Er hätte aber inkl. seiner Juniorenzeit mehr als 30 Jahre beim Z gespielt. Aber sein Leibchen würde nicht unters Hallendach gezogen. Fände ich sehr,

    sehr befremdlich.

    Seh ich auch so. Da würde ich ein wenig GMV walten lassen und es trotzdem unters Dach ziehen!

    • Offizieller Beitrag

    Einverstanden, aber trotzdem irgendwie komisch wenn du das Shirt einer Clublegende unters Dach ziehst und ihn dann im gegnerischen Team noch bei dir in der Halle zu besuch hast.

    Nach der Karriere natürlich. Nicht wenn er nicht mehr für uns spielt.

    Ja, sonst wäre es tatsächlich mehr als nur merkwürdig - keine Frage.

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    «Die Eishockey-Legende der Woche»: Sergei Prjachin war der Anti-Star im Hallenstadion – und wahrscheinlich genau deshalb bei den Fans so beliebt

    Prjachin war der erste Russe, der mit offizieller Erlaubnis aus der Sowjetunion in die NHL wechselte. Danach verschlug es ihn zum ZSC, wo er so viel Zuneigung wie nie zuvor erhielt – keine einfache Erfahrung für den scheuen Stürmer, der anfangs nur heimlich rauchte.

    Ulrich Pickel (NZZ)


    Sergei Prjachin war so scheu, dass es sogar schwierig ist, Bilder von ihm auf dem Eis zu finden. Hier spielt er im Dress der Calgary Flames.

    Sergei Prjachin war so scheu, dass es sogar schwierig ist, Bilder von ihm auf dem Eis zu finden. Hier spielt er im Dress der Calgary Flames.

    Graig Abel / Getty

    Als er kam, war das eigentlich sensationell. 1991 stellte der Zürcher SC Sergei Prjachin als neuen Ausländer vor. So etwas hatte es beim sportlichen Sorgenkind der Limmatstadt noch nie gegeben. Nicht nur, dass der Transfer dem Trend der Zeit entsprach, damals herrschte in der Schweiz die Russenwelle, angefeuert von den Gottéron-Zauberern Bykow und Chomutow. Prjachin kam darüber hinaus als NHL-Spieler ins Hallenstadion. 1989 hatte er als erster Russe überhaupt die offizielle Erlaubnis erhalten, nach Nordamerika zu wechseln. Bei den Calgary Flames kam der Moskauer Flügelstürmer während dreier Saisons auf 48 Spiele, 6 Tore und 8 Assists.

    In Nordamerika hatte man mehr erwartet, das war das Glück der Zürcher. Und immerhin: Prjachin war bei den Flames, als diese 1989 den Stanley-Cup gewannen, auch wenn er in den Play-offs mit nur einem Einsatz keinerlei Rolle spielte. Der Bewunderung, die die jungen ZSC-Spieler für ihn hegten, tat das keinen Abbruch. Prjachin verströmte den Glanz der grossen weiten Welt, die damals für Schweizer in unerreichbarer Ferne lag.

    Ein Arbeiter mit Star-Status

    Prjachin erfüllte die damals in Zürich noch relativ bescheidenen Erwartungen; er war kein Überflieger wie Bykow und Chomutow. Und auch kein Pawel Bure, Alexander Mogilny oder Sergei Fedorow. Prjachin war überhaupt kein typischer Russe auf dem Eis. Er war weder verspielt noch technisch brillant, er war keine Rakete auf Schlittschuhen. Und aggressiv war er schon gar nicht, obwohl er dazu mit einer Körpergrösse von 1,92 Metern und etwa 95 Kilos gut geeignet gewesen wäre.

    Aber man sah, dass er sein Handwerk verstand, er lieferte zuverlässig Skorerpunkte ab. Und allein damit setzte er sich über viele der ZSC-Ausländer hinweg, die damals im Laufe der Jahre kamen und gingen. Prjachin war mannschaftsdienlich und aufopfernd, seine Spielweise war ehrlich, gradlinig und hatte nie etwas Egoistisches. Er passte damals hervorragend zu diesem Klub. Das merkten die Fans, und allmählich wurden die «Sergei-Sergei-Prjachin»-Rufe immer lauter.

    Am lautesten waren sie im Frühling 1992, als der kleine ZSC das Grande Lugano von John Slettvoll in jenem legendären Penaltyschiessen aus dem Viertelfinal warf. Die Rede ist meistens von Wladimir Krutow, der gealterte einstige Weltstar verwandelte seinen Versuch mit letzter Kraft. Viel weniger im Rampenlicht stand Prjachin, der seinen Penalty um einiges souveräner verwandelte. Als die Fans danach das Eisfeld stürmten, wusste er kaum, wie ihm geschah. Spätestens von diesem Moment an hatte er Kultstatus im Hallenstadion, das er 1994 nach drei Saisons und 98 Spielen wieder verliess.

    Edgar Salis war damals ein junger Verteidiger beim ZSC. Prjachin wohnte im gleichen Haus wie er, nur einen Steinwurf vom Hallenstadion entfernt. Der Bündner blickte zu seinem Mitspieler ehrfürchtig hoch. Und war neugierig. Also sagte er: «Komm doch nach einem Spiel zu mir, dann können wir etwas trinken und reden.» Prjachin kam. Nahm ein Mineralwasser. Und verabschiedete sich bald wieder.

    Kurz darauf sah Salis seinen Nachbarn eines Morgens auf dem Weg zu Fuss ins Training. Prjachin hatte eine Zigarette in der Hand. Sobald er merkte, dass Salis ein paar Meter hinter ihm ging, warf er den Glimmstengel blitzartig weg. Salis sagte verdutzt: «Hey, du weisst doch, dass auch ich gerne mal ein Bier trinke und ab und zu eine Zigarette nehme. Das ist doch kein Problem.»

    Von da an wurden die gemeinsamen Abende zwangloser. Die Sprachbarriere war nicht hoch, Prjachin, der mit seiner Frau in Zürich weilte, sprach ziemlich gut Englisch. Aber er blieb ein introvertierter Mensch, richtig scheu im Umgang, immer hochanständig und bescheiden. «Ich war ein Grünschnabel und er eine grosse Nummer. Aber er verhielt sich wie ein Junior», sagt Salis.

    Die Sowjet-Vergangenheit blieb präsent

    Prjachin war wie viele andere auch ein typisches Kind seiner Zeit. Aufgewachsen und sozialisiert in der Sowjetunion, wo die Spieler mit eiserner Hand gedrillt wurden und wo man ihnen jeden Anflug von Individualismus gnadenlos austrieb. Sein Stammklub war Krylja Moskau, der zur Luftwaffe gehörte. Der freie Lebensstil des Westens machte ihn nicht zu einer verlorenen Seele wie Krutow, doch er war ihm fremd. Von der Vergangenheit lösen konnte er sich nicht restlos.

    Aber eine gewisse Weltoffenheit war Prjachin eigen. Nach dem ZSC wechselte er für vier Jahre nach Finnland und dann noch für ein Jahr nach Japan, bevor er zu seinem Stammklub zurückkehrte. Dort wurde der heute 57-Jährige Trainer. In Zürich ist er als einer der Helden von 1992 unvergessen geblieben. 2012 war er mit Krutow noch einmal zu Gast im Hallenstadion – und wurde gefeiert, als ob der Triumph gegen Lugano eben erst Tatsache geworden wäre.

  • Danke für's posten Larry.

    Ich war auch einer der lauthals "Sergej, Sergej Prjachin" geschrien/gesungen habe (Melodie: Sierra Madre) - YES! Ein Bandenhobel der

    gehobenen Klasse. Was war seine Nr. bei uns? 27? Bin nicht mehr sicher.......

    war doch die 29?

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