Könnte bitte jemand den "grafschen" Artikel aus dem heutigen Tagi posten. Merci!
Wo sind die Zürcher Leaderfiguren?
Die Mannschaft wünschte sich einen Trainerwechsel, nun hat sie unter Marc Crawford sechsmal in Serie verloren. Es gibt kein Zurück. Die Spieler müssen zeigen, was in ihnen steckt.
Simon Graf
Publiziert heute um 14:40 Uhr
Und wieder hat es nicht gereicht: Die ZSC Lions am Samstag nach der sechsten Niederlage in Serie. Foto: Walter Bieri (Keystone)
Das Penaltyschiessen der ZSC Lions am Samstag gegen Lugano (2:3) eignet sich als Anschauungsbeispiel, wie Athleten ohne Selbstvertrauen aussehen. Man hatte bei den Zürcher Schützen das Gefühl, als würden sie nur widerwillig aufs Lugano-Tor zufahren. Und vor Niklas Schlegel angelangt, schossen sie ohne jegliche Überzeugung. Oder wie im Training bei einer Übung, die sie einfach noch abspulen müssen.
Nur der Franzose Alexandre Texier probierte einen Trick und war als Einziger erfolgreich. Alle anderen hinterliessen den Eindruck, als hofften sie, dass sich Schlegel in Luft auflösen und so der Puck irgendwie ins Tor fliegen würde. Oh Wunder, es passierte nicht! Von den elf Zürcher Versuchen war gerade mal einer erfolgreich. Mitte Oktober in Ambri hatten im Penaltyschiessen noch alle drei ZSC-Schützen getroffen, Ende November in Davos drei von fünf. Einer von elf? Gegen Schlegel, der zwar ein guter Goalie ist, aber nicht gerade ein Riese, der das ganze Netz abdeckt? Es war eine Bankrotterklärung.
Wie in der Pannensaison 2005/06
Zu behaupten, die Mannschaft sei in eine Krise gerutscht, ist sogar untertrieben. Wie sich bestandene Hockeyspieler innert so kurzer Zeit derart verunsichern lassen, ist erstaunlich. Sechs Niederlagen in Serie, das hatten die ZSC Lions letztmals im Oktober 2005 unter Christian Weber erlebt. In der Pannensaison, in der sie dreimal den Trainer wechselten, ehe sie sich im Playout-«Final» gegen Fribourg retteten. Dank der Tore von Gastspieler Hnat Domenichelli.
Zitat«Die Spieler sind verkrampft. Und sie finden momentan immer einen Weg, mit ungeschickten Aktionen die Spiele aus der Hand zu geben.»
Sportchef Sven Leuenberger
«Es ist sehr unangenehm», sagt Sportchef Sven Leuenberger zur aktuellen Situation. «Ich bin recht erstaunt, dass wir in relativ schneller Zeit das Selbstvertrauen verloren haben. Die Spieler wollen es zu gut machen. Sie versuchen, genau das zu tun, was man ihnen sagt. Aber du musst in diesem Spiel auch improvisieren können. Wenn der schnelle Pass nach vorne nicht funktioniert, weil niemand anspielbar ist, probiert man halt etwas anderes. Das Spielerische ist uns verloren gegangen. Die Spieler sind verkrampft. Und sie finden momentan immer einen Weg, mit ungeschickten Aktionen die Spiele aus der Hand zu geben.»
Es ist nicht so, dass die Mannschaft durch den Trainerwechsel von Rikard Grönborg zu Marc Crawford erschüttert wurde. Die Spieler fühlten sich vom Schweden allein gelassen und sehnten einen Wechsel und klare Worte herbei. Doch nun bringen sie es nicht auf die Reihe. Was die Frage aufwirft: Wo sind die Leader in diesem Team, das so viel Erfahrung und Klasse aufweist? In diesem Team mit Weltmeistern, diversen aktiven und ehemaligen Schweizer Nationalspielern? Es ist an der Zeit, dass diese nun aufstehen und das Spiel in die Hand nehmen. Kein schöner Anblick für Marc Crawford: Sein Team findet immer wieder Wege in die Niederlage. Foto: Walter Bieri (Keystone)
Die ZSC Lions sind immer noch in den Top 6, die einem die direkte Playoff-Qualifikation garantieren. Doch von hinten brausen Teams wie der EV Zug heran. Gegen die Zuger spielen die Zürcher heute Montag – es ist der Auftakt zu einer intensiven Woche mit vier Spielen. Klar ist: Die Zürcher müssen ihre Niederlagenserie bald stoppen, sonst werden sie nach hinten durchgereicht und müssen ins Pre-Playoff der Teams auf den Rängen 7 bis 10. Und in einer Best-of-3-Serie kann alles passieren.
Crawford erhöhte die Intensität im Training, die zuletzt unter Grönborg arg gelitten hatte. Doch inzwischen hat der Kanadier das Tempo wieder etwas gedrosselt, weil er sah, dass das Team im Verlaufe der Spiele Mühe bekam. Seine Idee, die Angriffe schneller zu lancieren, hat noch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Immerhin führte am Samstag ein langer Pass zu Hollenstein zum 1:1. Doch das Team hat die richtige Balance zwischen schneller und kontrollierter Auslösung noch nicht gefunden.
ZitatCrawford hat noch nicht das richtige Gespür für die Mannschaft entwickelt.
Kommt dazu, dass Crawford noch nicht das richtige Gespür für die Mannschaft entwickelt hat. Auf der Suche nach den richtigen Kombinationen stellte er immer wieder die Linien um und setzt er zuweilen auf die falschen Spieler. Es ist auch für ihn noch ein Findungsprozess. Er weiss noch nicht genau, was er von wem erwarten kann. So richtig überzeugt hat unter ihm, abgesehen von den Goalies, noch keiner.
Crawford hatte schon für die nächsten zwei Saisons unterschrieben, als er in der Altjahreswoche angefragt wurde, ob er als Nothelfer bereits früher übernehmen würde. Vielleicht bereut er seine Zusage inzwischen. Aber nun gibt es kein Zurück mehr.