- Offizieller Beitrag
Der FC Zürich überwintert wohl als Leader – und hat noch stille Reserven. Kann dieser FCZ sogar Meister werden?
Nur nicht abheben. Unter dem Radar weiterfliegen, weiter, immer weiter. Das scheint die Losung des FC Zürich zu sein, der zuletzt fünf Mal in Serie gewonnen hat. Analyse eines Höhenflugs.
Fabian Ruch (NZZ)
Immer wieder Jubel: der FCZ und Wilfried Gnonto.
Valentin Flauraud / Keystone
Es gibt ein paar passende Bilder aus den letzten Wochen, die sich zu einem hübschen Filmchen zusammenschneiden liessen, damit sie die Stimmungslage im FC Zürich wiedergeben. Das Video aus der Kabine nach dem 1:0 gegen YB, als der Trainer André Breitenreiter aus der Quarantäne zu den Spielern sprach, zwei Freitage ausrief und grenzenlosen Jubel auslöste. Oder die Feierlichkeiten mit strahlenden Gesichtern im Letzigrund nach den Erfolgen gegen YB und Luzern. Oder Breitenreiter, wie er bei jeder Gelegenheit erklärt, der FCZ habe noch einen weiten Weg zu gehen und denke nicht an den Meistertitel.
Und ganz frisch: der selbstkritische Torhüter Yanick Brecher am Samstagabend nach dem souveränen 3:1-Sieg in Lausanne am TV. Er sagte: «Diese Leistung war eines Leaders nicht würdig. Wir waren in der zweiten Halbzeit viel zu passiv und zu wenig konzentriert.»
Freude und Leidenschaft, Demut und Hunger. Diese Ingredienzien stehen für den Höhenflug des FCZ. Fünfmal in Serie hat er gewonnen, er dürfte die Winterpause als Leader verbringen. Beim 3:1 in Lausanne erzielte der erst 18-jährige Wilfried Gnonto zwei Tore vor der Pause. Noch vor ein paar Wochen war er beim 2:1-Sieg bei Servette eingewechselt und ausgewechselt worden – und hatte geweint.
Immer deutlicher stellt sich die Frage, die man im Verein nicht gerne hört: Kann dieser FCZ Meister werden?
Die neue Bodenständigkeit
Breitenreiter wird mit Recht als Baumeister des Erfolgs angesehen. Der Trainer hat das Team stabilisiert, er hat ihm ein funktionierendes 3-4-1-2-System verpasst, er hat verunsicherte Spieler wie den Stürmer Assan Ceesay aufgebaut. Zudem hat der FCZ im Sommer mit Adrián Guerrero (links) und Nikola Boranijasevic (rechts) endlich die Aussenpositionen sinnvoll besetzt.
Und Breitenreiter hat das Kader in der Breite so stark verbessert, dass man sogar den Eindruck erhalten könnte, dieses Team besitze stille Reserven. Die erfahrenen Moritz Leitner, Akaki Gogia und Marc Hornschuh, aber auch das einst grosse Talent Ante Coric, der Leader Blerim Dzemaili sowie Aiyegun Tosin, der womöglich beste Stürmer, sie haben teilweise auch verletzungsbedingt noch nicht jene Rolle gespielt, die man ihnen zutrauen würde. «Einige Spieler haben aus unterschiedlichen Gründen noch gar nicht ihr optimales Leistungsvermögen erreichen können», sagt der Sportchef Marinko Jurendic.
Auch nach dem Sieg in Lausanne gibt sich Jurendic nüchtern, er lebt unaufgeregt die neue Bodenständigkeit im Klub vor. «Wir haben nicht vergessen, woher wir kommen», sagt er. Die Erlebnisse der letzten Jahre mit den Rängen 7, 7 und 8 waren derart traumatisch, dass sich sogar der begeisterungsfähige Präsident Ancillo Canepa verbal zurückhält. Er sagt, er sei froh, wenn der FCZ nichts mit dem Abstiegskampf zu tun habe.
Doumbia am wichtigsten
Jurendic verweist auf die letzte Saison, als der FCZ noch im Februar nur zwei Punkte hinter dem Zweiten, Basel, lag – «und dann mussten wir am Ende um den Klassenerhalt kämpfen». Und er sagt: «Wir konnten nicht erwarten, dass es gleich so gut laufen würde.» Schliesslich habe es im Sommer 26 personelle Wechsel in Team und Staff gegeben.
Die Teamleader aber sind länger dabei. Brecher ist ein starker Rückhalt und ein fordernder Captain. Ousmane Doumbia ist für die Balance im zentralen Aufbau verantwortlich. Er stopft Löcher, gewinnt Zweikämpfe, erobert Bälle. Doumbia ist wohl der wichtigste FCZ-Spieler. Vorne ist Antonio Marchesano der Dirigent, Ceesay ist zum Goalgetter geworden. «Mir gefällt auch, wie sich immer wieder andere Spieler in den Vordergrund spielen», sagt Jurendic.
Beim 4:0 gegen Luzern hatte Tosin erstmals von Beginn an gespielt – und bald das 1:0 geschossen. In Lausanne startete Gnonto an der Seite von Ceesay – und traf zweimal. Die taktischen und personellen Entscheidungen des Trainers gehen auf, der FCZ erhält auch viel weniger Gegentore als Anfang Saison. Der Sportchef Jurendic sagt, man habe teilweise, wie beim 1:0 gegen YB, auch das nötige Glück gehabt.
Nur nicht abheben. Unter dem Radar weiterfliegen, weiter, immer weiter. Und vielleicht im Frühling um den Titel mitspielen. Selbst wenn der FC Basel und vor allem YB immer noch stärker einzustufen sind. Es gab einige überraschende Meister, Kaiserslautern 1998 als Aufsteiger in Deutschland oder Leicester 2016 in England. So weit hat es der FCZ nach 17 Runden schon gebracht: Ein Meistertitel wäre keine Sensation mehr.