• Der Pleonasmus ist rein zufällig :mrgreen:

    Nein, mich interessierts tatsächlich. Ich empfinde oft, es würde nicht mal beachtet werden, wenn der Sektor leer wäre.

    Auch zuhause, Kovars Purzelbaum war so ziemlich das Maximum an Kommunikation von der Mannschaft.

  • Das ist definitiv so und auch keine Überraschung. War mit dem Spiel zufrieden, das Schlussresultat 1-2 Gegentreffer zu hoch.

    Das 3. Rappi Tor war ziemlich brutal und zeigt, dass auf Augenhöhe mitzuspielen, oder gar spielbestimmend zu sein nichts nützt wenn im dümmsten Moment ein Patzer (zu offensiv) passiert.

  • Das 3. Rappi Tor war ziemlich brutal und zeigt, dass auf Augenhöhe mitzuspielen, oder gar spielbestimmend zu sein nichts nützt wenn im dümmsten Moment ein Patzer (zu offensiv) passiert.

    3 min. vor Schluss einen 2er zu kassieren ist immer dumm, lassen wir nicht unerwähnt, dass nicht nur der Klöti in dieser Szene hätte raus müssen. Und ja, dann willst Du den Ausgleich mit der Brechstrange erzielen und alles riskieren, dann läufst hald in einen solchen Konter. Ähnlich ungeschickt hat man sich nach dem 5er gegen Rappi angestellt, in dem man sich mit einer Strafe gleich wieder selber geschwächt hat.

    Rappi's Sieg ging in Ordnung, über 4 Linien hinweg sind Rappi und 95% der NLA-Teams deutlich besser besetzt. Aber das ist das Los eines Aufsteigers und das ist ok so.

  • 3 min. vor Schluss einen 2er zu kassieren ist immer dumm, lassen wir nicht unerwähnt, dass nicht nur der Klöti in dieser Szene hätte raus müssen. Und ja, dann willst Du den Ausgleich mit der Brechstrange erzielen und alles riskieren, dann läufst hald in einen solchen Konter. Ähnlich ungeschickt hat man sich nach dem 5er gegen Rappi angestellt, in dem man sich mit einer Strafe gleich wieder selber geschwächt hat.

    Rappi's Sieg ging in Ordnung, über 4 Linien hinweg sind Rappi und 95% der NLA-Teams deutlich besser besetzt. Aber das ist das Los eines Aufsteigers und das ist ok so.

    Keine Angst, wir tanzen schon bald an und lassen sicher den einen oder anderen Punkt im Wald zurück.

    • Offizieller Beitrag

    Von Ajoie bis Langnau proben die Aussenseiter zum Auftakt der National-League-Saison den Aufstand

    Das erste Wochenende der National League brachte zahlreiche Überraschungen. Die Aussenseiter profitieren zumindest zum Meisterschaftsstart von den Auswirkungen der Erhöhung des Ausländerkontingents.

    Nicola Berger18.09.2022, 18.00 Uhr (NZZ)


    Grosser Name in einem kleinen Klub: Der ehemalige tschechische Nationalcoach Filip Pesan leitet jetzt den HC Ajoie an.

    Grosser Name in einem kleinen Klub: Der ehemalige tschechische Nationalcoach Filip Pesan leitet jetzt den HC Ajoie an.

    David Cerny / Reuters

    Bei den SCL Tigers schien nach katastrophalen Auftritten in der Vorbereitung Nervosität um sich zu greifen, nach acht Niederlagen in neun Testspielen. Es sorgte für Unruhe, dass die langjährige Teamstütze Yannick Blaser im August zu den GCK Lions in die Swiss League abgeschoben wurde, wo die SCL Tigers immer noch einen grossen Teil seines Salärs übernehmen müssen.

    Das Portal «Watson» warf bereits die Frage auf, ob der neu eingesetzte Trainer Thierry Paterlini nicht vielleicht abgelöst werden müsse; der Kanadier Todd Elik, die Klubikone schlechthin, befinde sich doch gerade auf Besuch im Emmental. Dann besiegte Langnau am Freitag die schwachen ZSC Lions 2:1 nach Verlängerung und führte am Samstag in Zug zwischendurch 3:1. Das war ein ermutigender Auftakt für ein Team, das quasi ohne Kredit spielt, weil sich im Kader kaum Schweizer Spieler finden, die anderswo Unterschlupf fänden – Langnau fehlt es zu sehr an der sportlichen Perspektive und am Geld, als dass auf dem Transfermarkt Achtungserfolge gefeiert werden könnten.

    Der HC Ajoie kennt ähnliche Probleme. Der Aufsteiger von 2021 war im letzten Winter nicht konkurrenzfähig, er kassierte in 51 Partien 224 Gegentreffer. Im Sommer stellten die Jurassier ein neues Trainertrio ein: Der Headcoach Filip Pesan, 44, betreute bis zu den Olympischen Spielen die tschechische Nationalmannschaft. Ihm assistieren der weit gereiste frühere Ambri-Sportchef Ivano Zanatta und die frühere Lugano-Legende Petteri Nummelin, einer der spektakulärsten Verteidiger in der Geschichte des Schweizer Eishockeys. Es sind verhältnismässig grosse Namen in einem kleinen Klub.

    Am Freitag unterlag Ajoie beim hochgerüsteten HC Lugano nur 0:1, und dessen Coach Chris McSorley sagte: «Ajoie ist sehr, sehr gut organisiert. Sie werden in dieser Saison keine Punktelieferanten mehr sein.» 24 Stunden später gewann Ajoie gegen Gottéron 4:2 – einen Gegner, der 2021/22 exakt 100 Tore weniger kassiert hatte.

    Noch besser startete Ambri-Piotta, ein Klub, der sich seit Menschengedenken in der ultimativen Aussenseiterrolle definiert. Ambri siegte bei Gottéron und vor ausverkauftem Haus gleich 5:1 gegen Bern. Ambri zeigte, dass mit ihm im Kampf um die Play-off-Plätze zu rechnen ist.

    Biel erwischt einen perfekten Start

    Fallbeispiel Nummer 4 ist der EHC Biel. Es kommt selten vor, dass Martin Steinegger ratlos wirkt. Aber in der Woche vor dem Saisonstart tappte der Bieler Sportchef, einer der fähigsten Manager im Land, im Dunkeln. Er habe kein Gefühl dafür, wo seine Mannschaft stehe, sagte Steinegger. Die Vorbereitung war miserabel verlaufen: Vier Mal hatte Biel gegen Konkurrenten aus der National League getestet, vier Mal verlor er. Auch den DEL-Teams Augsburg und Berlin unterlag Biel.

    Der Trainer Antti Törmänen musste in den Lokalmedien schon vor dem ersten Pflichtspiel die Nerven beruhigen. Man habe sehr hart trainiert, direkt vor den Testspielen, es gebe keinen Anlass zur Sorge. Zumal teilweise bis zu zehn Stammspieler verletzt ausgefallen waren. Der Finne behielt recht: Biel gewann zum Auftakt beide Partien, in Lausanne und gegen Genf/Servette, es war ein Wochenende nach Mass und ohne Verlustpunkte.

    Es ist früh, 2 von 52 Runden sind gespielt, ein einziges Wochenende. Aber es ist kein Zufall, dass es so viele Überraschungen gab; dass die Aussenseiter den Aufstand probten. Die Erhöhung des Ausländerkontingents von vier auf sechs hat den Klassenunterschied verringert.

    Gewiss sind die Ausländer der ZSC Lions teurer und besser als jene der SCL Tigers. Aber die Kluft ist deutlich kleiner als bei den Schweizer Spielern, auch die Ausländer der Langnauer können für den Unterschied sorgen: Den Siegtreffer besorgte Vili Saarijärvi, er war 2021/22 der produktivste Verteidiger der finnischen Liga.

    Wer als kleines Team seine besten Kräfte forciert, kann die Grossen ärgern. Zumindest einen Abend lang. Die Frage ist, wie lange das funktionieren kann, aber das sind Sorgen für andere Tage: Für Ajoie und Langnau ist es schon ein Erfolg, wenn man die Hoffnung auf die Pre-Play-offs nicht vor Weihnachten begraben muss. Und so den Anhang bei Laune halten kann – ohne Mäzenatentum ist jedes verkaufte Ticket wertvoll.

    Der ZSC versucht es mit der Brechstange

    Bei den Titelkandidaten sind die Eiszeiten der Schlüsselfiguren ein Dauerthema. Chris McSorley sagt, sein Team sei im letzten Jahr nicht zuletzt darum auf Platz 9 abgestürzt, weil er seine wichtigsten Spieler aufgrund von Verletzungssorgen zu lange zu stark forciert habe. «Irgendwann», so McSorley, «ist die Zitrone ausgepresst.»

    Dan Tangnes, der zweifache Meistercoach des EV Zug, erklärt: «Wir diskutieren jeden Tag über die richtige Belastung für die Spieler. Es ist ein Balanceakt, sie frisch zu halten.» Er achte darauf, seine Stürmer möglichst nicht mehr als 18 Minuten pro Spiel aufs Eis zu schicken, sagt Tangnes. Es ist ein Luxus, den er sich nach den Erfolgen der letzten Jahre leisten kann: Niederlagen in der Qualifikation beunruhigen in Zug niemanden, intern wie extern; es ist kaum möglich, mehr Jobsicherheit zu haben.

    Aber nicht viele Trainer haben sich einen solchen Komfort erarbeitet. Rikard Grönborg, der nicht unumstrittene Coach der ZSC Lions, etwa benötigt Siege. Sein Bewusstsein dafür scheint geschärft zu sein: Bei der enttäuschenden Niederlage in Langnau stand der Nationalstürmer Sven Andrighetto mehr als 23 Minuten auf dem Eis, der Abwehrchef Mikko Lehtonen sogar 25. Die Werte sind auch darum so hoch, weil der ZSC oft im Powerplay spielte.

    Aber es zeigt exemplarisch, wie stark die Underdogs die Favoriten gefordert haben. Für die Parität der Liga ist das ein gutes Zeichen. Zumindest so lange, bis bei den Marathonmännern von Ajoie bis Langnau die Kräfte schwinden.

  • Klar und deutlich: "Der ZSC versucht es mit der Brechstange"

    a. Chris McSorley, was man nicht tun soll

    b. Dan Tangnes, Konzept, was man tun soll

    c. Rikard Grönborg, woran er scheitern wird

    Hat RG kein Vertrauen in den letzten 1,5 Linien und ist deshalb in einem Teufelskreis gefangen?

    Einmal editiert, zuletzt von Danny (20. September 2022 um 08:52)

    • Offizieller Beitrag

    Wirbel um Mike Schälchli

    Kaum ist Kloten zurück, herrscht Unruhe

    Acht Kündigungen in zehn Monaten und ein Sportchef auf dem Absprung – das wirft Fragen auf. Im Brennpunkt beim Aufsteiger: Die Rolle des Präsidenten.

    Angelo Rocchinotti (TA)
    Publiziert: 23.09.2022, 14:29

    Umtriebiger Mike Schälchli: Der Präsident ackert für den EHC Kloten, sein System ist aber nicht überall unumstritten.


    Umtriebiger Mike Schälchli: Der Präsident ackert für den EHC Kloten, sein System ist aber nicht überall unumstritten. Foto: Leo Wyden

    Eine Medienmitteilung vier Tage vor dem Saisonstart bringt den Stein ins Rollen. Der Inhalt? Geschäftsführer Christian Fontana – er verantwortet die neu geschaffene Sparte «EHC Kloten Business» – werde durch den 30-jährigen ehemaligen Unihockey-Spitzenspieler Anjo Urner ersetzt. Zudem wolle sich Sportchef Patrik Bärtschi neu orientieren und werde den Club Ende Saison verlassen.

    Das Wort Neuorientierung stösst dem ehemaligen Profi sauer auf. «Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich keine andere Lösung mehr sah, als zu kündigen», so der 38-Jährige gegenüber Mysports. Der Boulevardpresse ist später zu entnehmen, der Sportchef habe mit der grossen Kelle anrühren wollen und schon im letzten Jahr das Budget überzogen. Insider sagen, ein Budget habe nie existiert.

    Brisant? Bärtschis Abgang reiht sich ein in eine ganze Liste von Kündigungen, angefangen beim ehemaligen Geschäftsführer Pascal Signer, der mitten in der letzten Saison das Handtuch warf. Gerüchte, wonach Signer und Präsident Mike Schälchli das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne hatten, halten sich bis heute hartnäckig.


    Acht Abgänge in zehn Monaten


    Nach Signer haben auch der Finanzchef, die HR-Mitarbeiterin, der Sicherheitschef, die für den Spielbetrieb zuständige Person, Teamchef Beat Equilino und nun Bärtschi ihre Jobs quittiert. Die eben erst eingestellte Marketing- und Kommunikationsleiterin hat bereits während der Probezeit gekündigt. Acht Abgänge innerhalb von zehn Monaten? Das wirft Fragen auf.

    Hört man sich im und um den Club um, fällt immer wieder der Name Schälchli. Seit drei Jahren steht der umtriebige Event-Veranstalter dem EHC als Präsident vor, obwohl ihm aufgrund von möglichen Interessenkonflikten einst davon abgeraten wurde. Grund? Schälchlis Tit-Pit GmbH holt seit 2012 für Kloten die Sponsorengelder ein. Aufsteiger Kloten hat die ersten zwei Partien verloren. Und sorgt auch neben dem Eis für Schlagzeilen.


    Aufsteiger Kloten hat die ersten zwei Partien verloren. Und sorgt auch neben dem Eis für Schlagzeilen. Foto: Patrick B. Kraemer (Keystone)

    Als Schälchli 2018 von Hans-Ueli Lehmann beauftragt wird, die Nachfolge zu regeln, übernimmt Rolf Tresch. Doch der starke Mann bleibt Schälchli. Sieben Monate später, just an Heiligabend, übernimmt er das Präsidium. Er sehe sich als leisen Präsidenten, sagt Schälchli. Und stützt Kloten dank seines grossen Netzwerks breiter ab. Der Club kommt zur Ruhe. Doch Schälchli eckt auch an.

    Der Vorwurf? Der Präsident mische sich überall ein, wolle alle wichtigen und auch unwichtigen Entscheidungen selbst treffen. «Er wurde gefährlich mächtig, holt seine Kumpels an Bord und baut ein System auf, das ihn unentbehrlich macht», sagt ein Insider, der anonym bleiben will. Auffallend? Viele der auf der Geschäftsstelle beschäftigten Personen haben einen Bezug zu Tit-Pit. Auch der neue CEO.

    WEITER NACH DER WERBUNG

    Anjo Urner fungierte als Head of Sports bei Tit-Pit, die wiederum vor Jahresfrist von der Swiss League mit der Vermarktung beauftragt wurde. Das Mandat wurde jedoch im Sommer aufgelöst. Einnahmen wurden keine generiert. Stattdessen fehlten den Clubs 375’000 Franken.


    «Hirnverbrannter Blödsinn»


    Schälchli selbst will sich nicht äussern. Dass der Präsident zu mächtig sei, sorgt bei Aktionär und Beirat Jan Schibli für Kopfschütteln. «Ein hirnverbrannter Blödsinn», sagt der Elektrounternehmer, dessen Firma den EHC seit Jahrzehnten unterstützt. «Wir haben 18 Eigentümer, zwei stiessen neu dazu. Es gibt viele Interessen. Mike versucht, das Ganze zu orchestrieren, was nicht immer einfach ist.» Schibli, der beim Beinahe-Konkurs 2012 viel Geld verlor, spricht von klaren Strukturen. Viele würden ein finanzielles Risiko tragen. Da könne keiner schalten und walten, wie er wolle. «Nie in den letzten 15 Jahren war es sauberer und transparenter.»

    Die Nähe zu Tit-Pit stelle kein Problem dar. «Mike ist nicht Alleininhaber dieser Agentur und als Privatperson Präsident des EHC», so Schibli. Urner, der nun bei Kloten unter Vertrag steht, spricht von einem Vorteil, würden einige auf Mandatsbasis für den EHC arbeiten. «Sie stehen im Sommer, wenn wenig los ist, nicht auf der Lohnliste.» Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Mike Schälchli 2016 mit dem damaligen CEO Matthias Berner (l.).


    Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Mike Schälchli 2016 mit dem damaligen CEO Matthias Berner (l.). Foto: Melanie Duchene (EQ Images)

    Laut Schibli stammt Urner aus seinem Kreise, was der CEO bestätigt. «Ich bin nicht Mikes Kollege. Ich lernte ihn über Jan (Schibli, die Red.) kennen, dessen Firma den UHC Uster unterstützt», sagt Urner. Auch andere Kandidaten seien zur Wahl gestanden. Er habe sich dem Verwaltungsrat vorstellen müssen. Dass nun von Unruhe die Rede ist, trifft Urner. 13 Angestellte würden gerade gemütlich beim Feierabendbier oder vor einem Aperol Spritz sitzen. Die Stimmung sei super.

    Offen bleibt die Frage, wie es mit Bärtschi weitergeht. Offenbar soll ihm die Medienmitteilung vor dem Versand vorgelegt worden sein. Doch er habe zu spät reagiert. «Wir haben ihm im Hinblick auf die nächste Saison keine verlässlichen Zahlen geben können. Zu gross sind die Unsicherheitsfaktoren. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt», so Schibli.

    Eine Freistellung des Sportchefs stehe nicht zur Debatte. Schibli: «Er verfügt über eine Kündigungsfrist und ist sehr wertvoll. Es gibt keine Bad Feelings.» Trotzdem braucht man kein Prophet zu sein, um zu erahnen, dass Bärtschi kaum bis April 2023 in Kloten tätig sein wird.


    • Offizieller Beitrag

    Die NHL-Trainerlegende staunt

    «So etwas wie Ambri habe ich noch nie erlebt»

    Claude Julien verbringt zwei Wochen als Berater beim Tessiner Eishockey-Kultclub. Eine Begegnung mit dem Kanadier und Ambris Coach Luca Cereda.

    Kristian Kapp
    Kristian Kapp (TA)
    Publiziert heute um 06:30 Uhr

    Treffen zweier Trainergenerationen: Ambris Luca Cereda (41) links und sein Gast Claude Julien (62) in der Gottardo Arena.


    Treffen zweier Trainergenerationen: Ambris Luca Cereda (41) links und sein Gast Claude Julien (62) in der Gottardo Arena. Foto: Claudio Bader


    Claude Julien, wie sind Sie ausgerechnet in Ambri gelandet?


    Claude Julien: Ich kenne Assistenztrainer René Matte seit fast 30 Jahren. Er fragte mich an der letzten WM, ob ich den Start der Saison in Ambri verbringen möchte als Berater des Coaching-Staffs. Eishockey ist meine Passion. Ich hatte das Glück, als Trainer so viele gute Erfahrungen zu sammeln. Ich möchte diese nun weitergeben.

    Luca Cereda: Ich arbeite seit sechs Jahren mit René zusammen, das ist heutzutage im Sport eine sehr lange Zeit. Wir wollten neue Elemente in unsere Arbeit hineinbringen. Ich wollte jemanden, der viel mehr Erfahrung hat als ich und der bereit ist, diese mit uns zu teilen. Ich will wissen, ob das, was wir machen, richtig ist. Für mich ist es eine Ehre, Claude dabei zu haben. Für die Spieler ist es gut, mit jemandem zu arbeiten, der die Weltbesten trainiert hat. Ich habe darum diesen Sommer auch mit dem Tessiner Skitrainer Mauro Pini gesprochen, der Petra Vlhova betreut. Du kannst von Leuten, die mit den Allerbesten arbeiten, so viel lernen. Nur schon, wenn du weisst, wie sie mit ihnen umgehen.



    Was wussten Sie von Ambri?


    Julien: Nicht viel. Ich war im Januar vor Olympia erstmals überhaupt in der Schweiz, als wir mit der kanadischen Nationalmannschaft in Davos ein Trainingscamp durchführten. Es war verlockend, in ein so schönes Land nochmals zurückzukehren und mehr zu sehen.


    Claude Julien in der Garderobe von Ambri-Piotta. Claude Julien in der Garderobe von Ambri-Piotta. Foto: Claudio Bader

    Claude Julien (62) hat eine bemerkenswerte Trainerkarriere in der besten Eishockey-Liga hinter sich. Der Kanadier stand im vielleicht schwierigsten Markt für Eishockey-Coachs, bei den Montreal Canadiens, und in der US-Sportstadt schlechthin, bei den Boston Bruins, zwischen 2002 und 2021 insgesamt 17 Jahre lang als Chef an der Bande. Dazu kam eine Zwischenstation bei den New Jersey Devils (2006/07).

    Julien schaffte es nie zum NHL-Stammspieler, ein Jahr nach seinem Rücktritt 1992 begann er aber eine unermüdliche Trainerkarriere: Nach sieben Jahren als Juniorentrainer in Hull coachte er zunächst in Hamilton zweieinhalb Jahre das AHL-Farmteam der Montréal Canadiens. Nach der Beförderung folgten zweieinhalb Jahre beim NHL-Rekordmeister, dann die Saison in New Jersey, bevor er 2007 von den Boston Bruins verpflichtet wurde. In den zehn Saisons hintereinander in Boston gewann er 2011 den Stanley Cup, bereits zwei Jahre zuvor war er zum besten NHL-Coach ausgezeichnet worden.

    Nach seiner Entlassung in Boston kehrte er mitten in der Saison 2016/17 sofort zurück nach Montreal, wo er bis 2021 tätig war. Von 1993 bis 2021 hatte Julien in 28 Jahren nie eine Pause eingelegt, was in NHL-Kreisen sehr unüblich ist für Trainer. Letzte Saison war Julien Nationaltrainer Kanadas an den Olympischen Spielen in Peking und an der WM in Finnland, wo er Silber gewann. Seine Zukunft beim kanadischen Verband ist derzeit noch offen. (kk)


    Sie sahen also Davos und nun Ambri, zwei der kleinsten Orte im Schweizer Eishockey. Kein Kulturschock nach 20 Jahren Montreal und Boston?


    Julien: Nein, das ist einfach nur toll. Zum ersten Mal nach Ambri zu fahren, zu sehen, wie extrem klein das Örtchen ist, und dann am ersten Spiel diese beeindruckende Eishalle zu erleben. Als völlig Unerfahrener fragte ich mich: Wo kommen all die Leute her?



    Hatten Sie Ihren Gast darauf vorbereitet, welch spezielle Atmosphäre ihn in der Gottardo Arena erwarten würde?


    Cereda: Nein, wir hatten gar keine Zeit dafür. Claude kam vorletzten Donnerstag an, es ging alles schnell, wir mussten unser erstes Spiel in Freiburg am Freitag vorbereiten, am Samstag folgte dann unser erstes Spiel zu Hause gegen Bern. Und es war laut. Als ich am Sonntag aufwachte, hatte sich mein Kopf vom Lärm noch nicht wirklich erholt. Das war eine gute Ambri-Taufe für Claude. (lacht)

    Julien: Ich war so beeindruckt, dass ich meiner Frau und den Kindern gleich ein Video mit Impressionen nach Hause schickte. So etwas wie Ambri habe ich noch nie erlebt. Natürlich haben wir in Nordamerika bis zu 20’000 Zuschauer an Spielen, aber so laut wie hier ist es dort nicht. Es ist ein völlig anderes Erlebnis, so extrem, wie hier die Fans mitgehen. Ich wurde auch schon gewarnt, was hier erst alles los sein wird nächsten Dienstag beim grossen Spiel gegen den Rivalen Lugano. Darauf freue ich mich besonders.

    Zitat
    «Natürlich ist Eishockey in Nordamerika in vielem gleich. Aber dort stehen die Coachs ihren Spielern nicht so nahe.»
    Claude Julien


    Welche Fragen stellen Sie Claude Julien?


    Cereda: Ich habe ihm als Erstes gesagt, dass wir wegen ihm nichts verändern und auch nicht im Vorfeld schon Fragen stellen wollen. Er soll unsere Arbeit beobachten und uns korrigieren oder Inputs geben, wenn ihm etwas auffällt. Auch Spielern gegenüber. Einzelne hören seit sechs Jahren nur René und mich reden, das kann auch mal nerven. Eine neue Stimme tut da gut.

    Julien: Ich will auf keinen Fall stören, nur helfen. Das ist ein sehr schmaler Grat. Ich nehme hin und wieder Spieler auf die Seite, versuche, sie auch als Personen, nicht nur als Sportler kennen zu lernen.


    Lernt umgekehrt auch Claude Julien etwas in Ambri?


    Julien: Es tönt abgedroschen, aber es ist einfach so: Als Coach hast du nie ausgelernt. Ich beobachte bei Luca, wie nahe er seinen Spielern ist und wie respektvoll er auf der persönlichen Ebene mit ihnen umgeht. Das erlaubt ihm, auch mal deutliche Botschaften anzubringen, wenn diese nötig sind. Natürlich ist Eishockey in Nordamerika in vielem gleich. Aber dort stehen die Coachs ihren Spielern nicht so nahe. Und wenn das hier funktioniert, kann das auch bei mir zu Hause funktionieren. Und dann lerne ich hier natürlich auch ganz simple, praktische Eishockey-Sachen wie neue Übungen fürs Training, die ich auch verwenden kann.


    Luca Cereda in der Garderobe von Ambri-Piotta.


    Sie teilen eine Gemeinsamkeit: Trainer in Ambri und in Montreal zu sein heisst, in einer Region zu arbeiten, die sprachlich eine Minderheit in der Liga bildet. Es sind auch Regionen, die sich sehr durch diese Eigenheit identifizieren. Wären Sie genau gleich akzeptiert als Ambri-Trainer, ohne «einer von hier» zu sein?


    Cereda: So nahe der Identität und den Werten des Clubs zu sein, macht vieles einfacher und kann definitiv ein Vorteil sein. Und wir können als Minorität in der Schweiz, die sich meistens an den Rest anpassen muss, dieses «Wir gegen die Welt»-Gefühl in positive Energie umwandeln.

    Julien: Das galt auch für Montreal und die ganze Provinz von Québec. Bei den Canadiens hiess es: «Die französische Sprache gegen den Rest der Liga».




    Sie stammen aus der Provinz Ontario …


    Julien: … aber aus einer französischsprachigen Umgebung. Wir sprachen zu Hause Französisch.

    Zitat
    «Ich will nicht, dass man mich hier nicht mehr mag und mir Tomaten nachwirft.»
    Luca Cereda


    Kann es sein, dass der letzte Cheftrainer Montreals, der mehr als ein Jahr «überlebte» und weder aus Montreal noch französischsprachig war, Toe Blake war in den 1950er-Jahren …?


    Julien: Ja, man legt dort Wert auf französischsprachige Trainer.


    Für Aussenstehende tönt das fast schon wahnsinnig …


    Julien: Man will damit auch das Spiel besser verkaufen gegenüber den Medien. Als Coach hoffst du dennoch, nicht bloss wegen der Sprache als Trainer Montreals angestellt zu werden.

    Cereda: Diese Nähe zur Kultur des Clubs kann aber auch vieles schwieriger machen. Auf dem Höhepunkt: Claude Julien (links) und seine Spieler der Boston Bruins werden als aktuelle NHL-Champions am 23. Januar 2012 im Weissen Haus in Washington vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama empfangen.

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    Auf dem Höhepunkt: Claude Julien (links) und seine Spieler der Boston Bruins werden als aktuelle NHL-Champions am 23. Januar 2012 im Weissen Haus in Washington vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama empfangen. Foto: Alex Wong (Getty Images)


    Warum?


    Cereda: Nach meiner Trainerkarriere möchte ich weiter hier in der Region leben. Ich will nicht, dass man mich nicht mehr mag und mir Tomaten nachwirft. Und bereits jetzt ist es so, dass ich kaum raus kann, ohne dass die Leute mit mir über Eishockey reden wollen. Ich gehe kaum mal einen Kaffee trinken, weil ich dann nicht mehr zur Ruhe kommen könnte. Letzten Sonntag zum Beispiel war ich am Unihockeyspiel meines Sohnes. Plötzlich kam einer nach dem anderen zu mir, um mit mir das Spiel von Ambri gegen Bern im Detail zu analysieren.


    Wie geht man als Trainer mit dem speziellen Druck um, in einer Region zu arbeiten, wo Eishockey fast schon Religion ist?


    Julien: Als junger Coach war Montreal meine erste NHL-Station. Montreal nennt man in Nordamerika die «Universität des Coachings». Weil du dort wirklich alles Mögliche lernst. Auch den Umgang mit dem «White Noise», wie wir das nennen, diese ständigen Störeinflüsse von aussen, die auch für Druck sorgen. Wie ich damit umging? Indem ich versuchte, Druck als Herausforderung zu sehen. Und ich versuchte konsequent, diesen «White Noise» zu ignorieren. Es gehörte zuvor zu den Aufgaben unseres Medienchefs, alle Artikel und Beiträge über die Canadiens zu sammeln und diese dem Cheftrainer auf das Pult zu legen. Der Stapel war jeweils dick wie ein Buch. Ich bat ihn sehr bald, es nicht mehr zu tun. Das half sehr. Aber ich weiss, dass heute mit sozialen Medien das Ausblenden immer schwieriger wird.

    Zitat
    «Coachs, aber auch Spieler tendieren dazu, sich selbst derart unter Druck zu setzen, dass es schädlich wird.»
    Claude Julien


    Sie, Luca Cereda, sprachen offen von Panikattacken, die mit Ihren gesundheitlichen Problemen rund um Ihr Herz zu tun haben. Kennen Sie diese Gefühle auch rund um den Erfolgsdruck als Trainer?


    Cereda: Ich weiss nicht, ob Druck das richtige Wort ist. Im Sport musst du mit Emotionen leben können, am Ende sind es auch die Emotionen, die wir an unsere Zuschauer «verkaufen». Um mit dieser Situation besser umzugehen, ist für mich Folgendes wichtig: Bevor ich schlafen gehe, muss ich mir sagen können, dass ich das Beste aus dem Tag herausgeholt habe. Vielleicht war das nur 50 Prozent des theoretisch Möglichen, aber immer noch das Beste, was ich tun konnte. Dann kann ich gut schlafen. Und ja, mit den sozialen Medien wird das immer schwieriger, für Coachs wie Spieler. Früher mussten Fans die Kritik an uns anders anbringen, von Angesicht zu Angesicht. Heute kann jeder alles kommentieren in einer Art und Weise, die als Mobbing angesehen werden könnte. Es ist darum wichtig, was Claude vorher sagte: so wenig wie möglich auf Einflüsse von aussen hören, am besten in deiner Bubble leben. Ich zumindest fühle mich sonst bald einmal verloren.


    Sie, Claude Julien, kamen in fast 20 Jahren in den Hockey-Mekkas Montreal und Boston nie in diese Situation, in der Sie sich fragten: Wie bewältige ich das?


    Julien: Es kann schon vieles zusammenkommen. Am Ende geht es für mich auch um die Erwartungshaltung an dich selbst. Diese musst du kontrollieren können. Coachs, aber auch Spieler tendieren dazu, sich selbst derart unter Druck zu setzen, dass es schädlich wird. Für den Coach kommt heute noch dazu, dass du auch die Erwartungshaltung einzelner Spieler managen musst. Es gibt Spieler, die die ganze Zeit enttäuscht sind von sich selbst. Als ich noch Spieler war, wäre das undenkbar gewesen. Da war ein einziger Coach für alles zuständig, er managte einfach die Mannschaft als Ganzes. Heute managst du als Coach 25 Individuen. Das erste Erlebnis an der Bande Ambris: Claude Julien (rechts) verfolgt das Spiel gegen Bern neben Luca Cereda.

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    Das erste Erlebnis an der Bande Ambris: Claude Julien (rechts) verfolgt das Spiel gegen Bern neben Luca Cereda. Foto: Alessandro Crinari (Keystone)


    Kann man sich als Trainer überhaupt erlauben, Schwächen zu zeigen? In einem Sport, der seit Jahren das Bild des Starken kultiviert? Wie reagieren die Ambri-Spieler, wenn Sie von Problemen und Ängsten erzählen?


    Cereda: Ich glaube, dass auch wir zeigen dürfen, dass wir keine Roboter sind. Wenn du Schwächen hast, steh dazu! Gleichzeitig musst du zeigen, dass du deswegen nicht aufgibst. Das ist die wichtigste Nachricht an die Spieler: Du hast Schwächen, aber du unternimmst etwas gegen sie.

    Julien: Ich bin sicher, dass jeder Spieler beim Trainer Ehrlichkeit schätzt. Wenn du Fehler machst und diese zugibst, wirst du von der Mannschaft respektiert. Das ist für mich ein wichtiges Element, um langlebig zu sein in diesem Beruf: Du musst Schritt halten können mit den sich ständig wandelnden Generationen. Die heutigen Spieler wünschen sich vielmehr, dass du als Trainer involviert bist.


    Dies ändert sich auch in Ihrer Heimat? Ist in Europa unser «Klischee-Bild» vom grimmigen NHL-Boss an der Bande also mittlerweile falsch?


    Julien: Das sind häufig die Bilder, die man als Aussenstehender sieht, wie zum Beispiel bei einem Trainer wie John Tortorella, von dem kürzlich die Bilder um die Welt gingen, wie er einen Spieler während eines Spiels zusammenstauchte. Was man nur hinter den Kulissen sieht: Es gibt viele Spieler, die Tortorellas persönlichen Umgang mit ihnen mögen, selbst jener besagte Spieler. Darum sprach ich vorher von den 25 Individuen. Es gibt Spieler, die diesen harten Umgang sogar wollen. Andere machst du damit kaputt.

    Zitat
    «Wir gehen mittlerweile in eine Richtung, in der auch mentale Probleme als Verletzung akzeptiert werden.»
    Luca Cereda


    Wir haben in der Schweiz gerade den jungen NHL-Spieler Alexandre Texier, der nach Todesfällen in der Familie seiner mentalen Gesundheit zuliebe diese Saison in Nordamerika aussetzte und beim ZSC spielt, um näher zu Frankreich und seinen Eltern zu sein. Noch vor ein paar Jahren eine undenkbare Geschichte.


    Cereda: Sie zeigt doch, wie wir uns weiterentwickeln. Mentale Probleme zu erwähnen, war noch vor nicht allzu langem ein No-go. Die Dunkelziffer unter Spielern dürfte höher sein, als man meint. Doch viele sagten einfach nichts, um nicht als schwach zu gelten. Wir gehen mittlerweile aber in eine Richtung, in der auch mentale Probleme als Verletzung akzeptiert werden. Man könnte Texier als «schwach» bezeichnen. Man kann ihm aber auch zu seinem Mut gratulieren. Er setzt ja vielleicht seine NHL-Karriere aufs Spiel mit dieser Entscheidung.

    Julien: Zu meiner Spielerzeit wäre es sogar undenkbar gewesen, dass du eine Partie verpasst, «bloss» weil deine Ehefrau ein Kind gebar. Heute versteht man auch im Eishockey immer besser, dass Familie und Gesundheit vor dem Job kommen sollten. Sogar in der NHL.


    Berns Nordamerika-Rückkehrer Sven Bärtschi erzählte kürzlich ebenfalls von seinen Panikattacken, unter denen er nach einer Gehirnerschütterung litt. Sollten immer mehr Spieler offen über solche und ähnliche mentale Probleme sprechen?


    Cereda: Ich möchte jeden dazu ermutigen. Oft ist es doch so: Wenn du dich entscheidest, über ein Problem zu sprechen, ist es danach plötzlich kein Problem mehr. Es ist raus, du fühlst dich erleichtert. Wenn ich zudem als Coach weiss, dass es dem Menschen hinter dem Spieler schlecht geht, kann ich anders auf ihn eingehen. Dann bewerte ich auch seine Leistung anders.

    Julien: Eine Erfahrung als junger Coach mit einem Spieler, der gerade erfahren hatte, dass seine Mutter Krebs im Endstadium hatte, hat mich dies gelehrt: Frage Spieler immer zuerst nach ihrem Befinden ausserhalb des Eishockeys, bevor du sie für ihre Leistung kritisierst. Das ist Teil des Fortschritts, zeigt aber auch, wie viel anspruchsvoller der Coaching-Job geworden ist. Zu meiner Zeit als Spieler teilte dir der Coach nicht einmal mit, dass du am Abend nicht spielst. Du erfuhrst es, indem du sahst, dass dein Leibchen nicht an deinem Garderobenplatz hing. Heute musst du alles erklären, und selbst wenn du dem Spieler begründest, warum er nicht spielt, ist er unzufrieden und ruft seinen Agenten an, der Agent beschwert sich beim Sportchef etc. Das ist Teil der Entwicklung, egal, ob du das magst oder nicht.

    Cereda: Das ist wie in der Schule. Wenn du früher als Kind zu Hause von der Ohrfeige vom Lehrer erzähltest, gab es zuerst gleich noch eine, und erst dann musstest du erklären, was passiert war. Wenn ein Lehrer heute Ohrfeigen verteilt, kommt er vielleicht ins Gefängnis. Als Coach bist du ein Stück weit auch ein Lehrer. Ich sehe es so: Natürlich will ich ein Spiel gewinnen. Aber ich will dabei den Spielern auch Werte vermitteln und auch damit für Teamspirit sorgen. Werte zu vermitteln, ist auch bei einem Lehrer etwas vom Besten, was er machen kann. Weil, nicht jeder ist gleich intelligent, aber jeder kann Werte haben. Übrigens: Mein Vater, meine Mutter, meine Schwester, meine Ehefrau, mein Schwager: Sie alle waren oder sind Lehrerinnen und Lehrer. Also darf ich mich auch ein wenig als Lehrer sehen. (lacht) Diskussionen auf Glatteis: Claude Julien (links) und Luca Cereda in der Gottardo Arena in Ambri.


    Diskussionen auf Glatteis: Claude Julien (links) und Luca Cereda in der Gottardo Arena in Ambri. Foto: Claudio Bader


    Hockey-Coach und Lehrer, die 25 Individuen betreuen sollten, plus die eigenen privaten Sorgen. Kommen Sie nie an den Punkt, an dem Sie nicht mehr weiter wissen?


    Julien: Natürlich. Eine gute Partnerin ist für mich darum sehr wichtig. Ich kann meiner Ehefrau vieles erzählen, mit Reden kannst du einiges von der Last ablassen. Ich habe das lange unterlassen, wollte, dass zu Hause meine Kinder einfach nur ihren Daddy sehen und meine Ehefrau ihren Mann, ohne dass ich sie mit meinen Sorgen belästige. Und gegenüber den Spielern ist es eben wichtig, dass du dich als Mensch mit Fehlern zeigen kannst, ohne aber dabei als Leader zu schwach zu erscheinen. Es ist ein schmaler Grat.


    Vor gut drei Jahren gab es in Nordamerika eine Welle von Vorwürfen von Spielern an ihre ehemaligen Trainer wegen zu harschem Umgang. Wie war Ihre Reaktion?


    Julien: Das ist ein sehr delikates Thema. Es werden heute Statuen von Personen niedergerissen, weil sie aus heutiger Sicht für etwas Inakzeptables stehen. Für völlig zu Recht Inakzeptables aus heutiger Sicht, wie zum Beispiel Sklaverei. Man darf aber einfach nicht vergessen, dass vieles, was heute als inakzeptabel gilt, zu jener Zeit völlig normal war. Auch hier sehen wir die Evolution, genau wie im Eishockey. Würde ich meinen Spielern Dinge sagen, die ich als Spieler von meinen Coachs hörte, hätte ich heute keinen Job mehr. Aber damals war das akzeptiert, der Coach durfte diese Dinge sagen, du als Spieler wusstest das.

    Zitat
    «Dieses Ambri-Team erinnert mich ein wenig an das Champions-Team der Bruins von 2011: kein Star, aber eine starke Gruppe.»
    Claude Julien


    Reden wir zum Schluss noch kurz über Ihr Stanley-Cup-Sieger-Team. Die Boston Bruins von 2011 waren nicht nur erfolgreich, sondern das wohl unbeliebteste Team der NHL – gespickt mit speziellen Figuren wie Brad Marchand, Milan Lucic, Tim Thomas, Shawn Thornton, Zdeno Chara und vielen mehr. Wie macht man aus einer derart grossen Ansammlung von Charakterköpfen ein funktionierendes Team?


    Julien: Wichtig war die sehr starke Leadership-Gruppe mit Chara, Patrice Bergeron, Mark Recchi, Chris Kelly, Andrew Ference und vielen mehr. Und dann all die Charakter-Typen, zu denen auch Gregory Campbell gehörte – ein Spieler, der mit dem Gesicht Schüsse blocken würde, wenn es nötig war. Wir hatten keine wirklichen Superstars. Unser bester Spieler war wahrscheinlich David Krejci, ein sehr guter Spieler, aber kein Superstar. Auch Bergeron als bester Zwei-Weg-Spieler und damit Traum aller Trainer galt nie als Superstar. Tim Thomas, unser Goalie, war wie früher Dominik Hasek: kein wirklicher Spielstil, purer Kampf, um die Pucks irgendwie zu stoppen. Wir hatten auch keinen einzigen Verteidiger, der rein spielerisch besonders herausgestochen wäre. Aber wir hatten Balance und Charakter und das Bewusstsein, dass wir wirklich nur als Team funktionieren konnten – diese Kultur ist bei den Boston Bruins bis heute noch spürbar, sie wurde an die nächsten Leaderfiguren wie Charlie McAvoy und David Pastrnak weitergegeben. Übrigens: Diesbezüglich erinnert mich dieses Ambri-Team ein wenig an die Bruins von damals: kein Star, aber eine starke Gruppe.


    Wie ist das für einen jungen Coach? Wie geht man an die Challenge mit diesen «Figuren», diesen polarisierenden Charakterköpfen, die gleichzeitig sehr gute Eishockeyspieler sind?


    Cereda: Für mich bedeuten mehr Charakterköpfe auch mehr Leadership. Und das ist immer etwas Gutes. Bislang passierte es mir erst einmal vor einer Saison, als ich mehrere solche Spieler hatte und zunächst schon etwas Respekt hatte. Claude hat da sicher mehr Erfahrung als ich, aber ich denke, es geht alles über Kommunikation. Du musst viel reden und zuhören, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Es ist ein Geben und Nehmen. Dazu gehört für dich als Coach, dass du hin und wieder einfach akzeptieren musst, dass dich diese Charakterköpfe einzelne Spiele kosten werden. Sie werden gleichzeitig aber für mehrere Siege sorgen.

  • Die NHL-Trainerlegende staunt

    «So etwas wie Ambri habe ich noch nie erlebt»

    Kristian Kapp (TA)

    Publiziert heute um 06:30 Uhr - Auszug:

    Zu meiner Zeit als Spieler teilte dir der Coach nicht einmal mit, dass du am Abend nicht spielst. Du erfuhrst es, indem du sahst, dass dein Leibchen nicht an deinem Garderobenplatz hing. Heute musst du alles erklären, und selbst wenn du dem Spieler begründest, warum er nicht spielt, ist er unzufrieden und ruft seinen Agenten an, der Agent beschwert sich beim Sportchef etc. Das ist Teil der Entwicklung, egal, ob du das magst oder nicht.

    Ganz guter Punkt!

    • Offizieller Beitrag

    Ein bisschen Dandy, ein bisschen Rebell: Christian Dubé ist ein Unikat im Schweizer Eishockey und findet: «Wer kann schon sagen, was richtig und was falsch ist?»

    Kein Klub im Schweizer Eishockey räumt einer einzigen Person so viel Macht und Bedeutung ein wie Gottéron dem Québécois Christian Dubé. Unter Dubé will Gottéron die Begeisterung rund um das neue Stadion in den ersten Titel der Klubgeschichte ummünzen. Doch noch sind die Resultate überschaubar.

    Nicola Berger, Freiburg25.09.2022, 14.00 Uhr (NZZ)


    Bringt er den ersehnten Erfolg? Mit dem Rätsel, die Titellosigkeit Gottérons aufzuklären, ist in Fribourg die Detektei Dubé betraut worden.

    Bringt er den ersehnten Erfolg? Mit dem Rätsel, die Titellosigkeit Gottérons aufzuklären, ist in Fribourg die Detektei Dubé betraut worden.

    Marcel Bieri / Keystone

    In der ersten Staffel von «Fargo», einer der besten TV-Serien des letzten Jahrzehnts, kann sich der Protagonist Lester Nygaard nicht von einem Poster lösen. Darauf schwimmt ein einziger Fisch gegen den Strom, daneben steht: «Was, wenn du richtigliegst und alle anderen falsch?»

    Auf das Schweizer Eishockey gemünzt, ist der rebellische Fisch Christian Dubé. Der dandyhafte Frankokanadier führt Gottéron im Doppelmandat als Trainer und Sportchef, in einer Epoche, in der diese Zentrierung von Aufgaben und Macht längst aus der Zeit gefallen ist, weil die Jobs so anspruchsvoll und umfassend geworden sind, dass die Tage nicht mehr genug Stunden haben.

    Dubé, 45, sitzt im Medienraum der neuen, mondänen BCF-Arena und sagt: «Wer kann schon sagen, was richtig und falsch ist?» Es gehe nicht um Macht und sein Ego. Sondern darum, was für Gottéron am besten sei. Dann sagt er: «Wenn ich spüre, dass es nicht mehr funktioniert, dass ich nicht mehr der richtige Mann bin, dann gehe ich.» Der Tag scheint fern, erst im Juni hat er seinen Vertrag bis 2025 verlängert.

    Dubé steigt in sein achtes Jahr als Sportchef und seine vierte Saison als Coach. Unter ihm hat sich Gottéron wieder als Titelanwärter profiliert. Und, das ist die andere Wahrheit, in sieben Jahren nur eine einzige Play-off-Serie gewonnen. Das Gerüst des Kaders ist in die Jahre gekommen: Der Captain Julien Sprunger ist 36, der Abwehrchef Raphael Diaz 37, der Torhüter Reto Berra 35 und der omnipräsente Center David Desharnais 36.

    Dubé unterbricht die Aufzählung und entgegnet: «Christoph Bertschy ist 28, ist das alt?» Der Nationalstürmer Bertschy, ein ehemaliger Gottéron-Junior, ist einer der kostspieligsten Transfers der Klubgeschichte. Er wechselte auf diese Saison hin aus Lausanne zurück in die Heimat und unterschrieb einen lukrativen Siebenjahrevertrag. Er soll eines der letzten Stücke im Meisterpuzzle sein. Denn die Ansprüche in und um den Klub sind gross, der Präsident Hubert Waeber sagt nicht unbescheiden: «Wir wollen in dieser Saison den Meistertitel holen.» Aus Waeber spricht auch Sehnsucht: Gottéron ist noch immer titellos, vier Mal verlor der Klub einen Play-off-Final, letztmals 2013.

    Schon vor dem ersten Spiel waren bei Gottéron alle Saisonabonnemente verkauft

    Der Kater nach der Finalniederlage gegen den ewigen Rivalen Bern war danach enorm, Gottéron stürzte in eine lange Krise. Das Team war überaltert, der im Doppelmandat agierende Kanadaschweizer Hans Kossmann wurde im Herbst 2014 nach elf Runden entlassen. Und bald lag der Fokus darauf, Kosten zu sparen.

    Heute ist das anders, das Geschäft brummt. Das Stadionbijou – Patrick Lengwiler, der CEO des Meisters EV Zug, nennt es die «beste Arena der Schweiz» – hat dem Klub auch finanziell neue Möglichkeiten eröffnet. Die Begeisterung rund um Gottéron ist so gross wie lange nicht mehr, sämtliche Saisonabonnemente waren schon vor der Saison verkauft, für 2023/24 gibt es bereits Wartelisten. Die Kapazität ist mit 9009 Plätzen deutlich grösser als in der Trutzburg St-Léonard, die zusätzlichen Ticket- und Cateringeinnahmen sollen helfen, Gottérons Titelfluch zu brechen.

    Die Schlüsselfigur bei diesem ambitionierten Unterfangen ist Dubé, der keine Sekunde als Trainer gearbeitet hatte, ehe er nach der Entlassung von Mark French im Oktober 2019 zunächst ad interim an die Bande stieg. Im Fussball wäre das undenkbar, nur schon wegen der Lizenz. Aber im Eishockey gibt es solche Vorschriften nicht. Eigentlich wollte Dubé den ehemaligen Nationaltrainer Sean Simpson als Headcoach einstellen, doch das Team gewann in der Übergangsphase unter ihm so oft, dass er es sich anders überlegte.

    Dubé sagt, er habe Respekt davor gehabt, das Interimslabel abzustreifen. Er fürchtete etwa, zu emotional zu sein, ein altes Problem dieses Vereins. Er suchte den Rat der Wortführer im Team, wollte wissen, ob er ihre Unterstützung habe, ihr Vertrauen. Nun ist das eine komplizierte Ausgangslage, denn welcher Spieler, der einigermassen bei Verstand ist, sagt: «Sorry, als Trainer bist du unbrauchbar. Aber, äh, als Sportchef top. Können wir über meinen neuen Vierjahresvertrag verhandeln?» Dubé sagt, es habe genügend Spieler im Team gegeben, die ihm ihre ehrliche Meinung kundgetan hätten. Leute, mit denen er noch zusammengespielt hat, Sprunger etwa.

    Vom Vater bis zu den Söhnen: die Familie Dubé im Eishockeyfieber

    Den Konsens, mit Dubé weiterzumachen, hat Gottéron bisher nicht bereut. In den zwei Jahren unter seiner Führung erreichte die Equipe 2021 Platz 3 und wurde 2022 Zweiter. Dubé fiel mit Kreativität auf, etwa als er im letzten Dezember in der Verlängerung den Torhüter durch einen zusätzlichen Feldspieler ersetzte und so gegen Lugano den Sieg erzwang. Es war ein Trick, den Dubé aus der KHL übernommen hatte, was kein Zufall ist: Er ist des Eishockeys nicht überdrüssig geworden, auch nach all den Jahren nicht, sondern schaut viele Spiele.

    Dubé stammt aus einer eishockeybegeisterten Familie, sein Vater Normand spielte in der NHL und coachte später im Wallis, der 2016 verstorbene Grossonkel Gilles stürmte für die Montreal Canadiens und die Detroit Red Wings. Auch Dubés Söhne haben sich dem Eishockey verschrieben, sie spielen im Nachwuchs Gottérons. Was praktisch sei, sagt Dubé, so habe er mehr Zeit für sie: In der Regel halte er sich zwölf Stunden pro Tag in der Eishalle auf.

    Die Aufwendungen sollen sich zeitnah lohnen. Ein Titel wäre der ultimative Nachweis dafür, dass das unorthodoxe Doppelmandat auch im Jahr 2022 noch funktionieren kann. Dafür, dass Dubé richtiglag und alle anderen falsch.

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