Zwischenzeugnisse der NL-Sportchefs
Eine Frau und fünf Männer: Die Sportchef-Noten der National League Teil 2
Ab dem 1. Oktober geht es in der National League endlich wieder so richtig zur Sache, soll dann doch die neue Saison starten. Natürlich gab es auch in diesem Jahr trotz der Coronakrise zahlreiche Wechsel, weswegen wir uns in diesem Artikel einmal den Sportchefs widmen wollen. Im zweiten Teil der Zwischenzeugnisse gab es dieses Mal keine ungenügende Note zu verteilen.
Diese Saison ist wegen der sehr schwierigen finanziellen Situation aufgrund der Coronakrise eine grosse Herausforderung für die NL-Vereine. Diesen Aspekt haben wir natürlich berücksichtigt und die Noten dementsprechend auch angepasst. Im zweiten Teil werden nun jene Sportchefs unter die Lupe genommen, dessen Teams in der letzten Regular Season einen ungeraden Rang belegt hatten.
Sven Leuenberger (ZSC) - 5.5
Die ZSC Lions haben in der abgebrochenen letzten Saison die Regular Season gewonnen gehabt und in dieser Saison soll die gute Entwicklung unter Rikard Grönborg natürlich fortgesetzt werden. Ein Unterfangen, welches mit dem aktuellen Kader der Lions durchaus machbar ist. In der Defensive holte man mit Morant einen Aggressiv-Leader, welcher den Zürchern sicherlich gut zu Gesicht steht. Gleichzeitig konnte man mit seiner Verpflichtung auch den grossen Konkurrenten aus Zug ein klein wenig schwächen. Das Schweizer Riesentalent Tim Berni muss man zwar nach Nordamerika ziehen lassen, doch immerhin wird er die neue Spielzeit noch bei den Lions in Angriff nehmen. Mit ihm stehen derzeit zehn Verteidiger im ZSC-Kader, womit Grönborg also auch auf allfällige Verletzungen reagieren könnte.
In der Offensive musste man mit dem Abgang von NL-Topskorer Pius Suter (wechselt in die NHL zu Chicago) rechnen, doch mit Sven Andrighetto konnte man einen spektakulären Neuzugang an Bord holen; und dieser belastet nicht einmal das Ausländerkontingent. Der Nati-Star soll die Lions zum Titel ballern und nebst ihm sollen die Import-Spieler Marcus Krüger, Fredrik Pettersson und Garrett Roe wirbeln. Sportchef Sven Leuenberger hat sogar noch den Luxus, unter Umständen einen fünften Ausländer verpflichten zu können, da Pius Suter mit so einem ersetzt werden dürfte.
Die Lions verfügen also von der Qualität her definitiv über ein Team mit Meisterpotenzial und auch die Tatsache, dass der Vertrag mit Rikard Grönborg nochmals verlängert werden konnte, darf getrost als Coup bezeichnet werden. Sportchef Sven Leuenberger hat wirklich, gemessen an den Umständen, tolle Arbeit geleistet und mit der Verpflichtung eines fünften Import-Spielers könnte er sich gar eine glatte 6 verdienen. Doch auch so sind die ZSC Lions einer der ganz grossen Favoriten auf den Titel.
Raeto Raffainer (HCD) - 5
Unter der neuen HCD-Führung um Trainer Christian Wohlwend und Sportchef Raeto Raffainer haben die Davoser in der letzten Saison den Turnaround wieder geschafft und sich zu einem Spitzenteam in der National League entwickelt. Dieser positive Trend soll aus Bündner Sicht natürlich weitergehen und wenn man sich einmal das Kader anschaut, dann spricht eigentlich auch nichts dagegen. Mit Robert Mayer konnte man einen sehr guten neuen Goalie nach Davos lotsen und in der Verteidigung konnte Raffainer sein Team praktisch zusammenhalten.
Offensiv gab es einige Veränderungen, wobei sicherlich der Verlust von Mattias Tedenby am meisten schmerzte. Dieser konnte jedoch mit dem äusserst interessanten Finnen Teemu Turunen aufgefangen werden, welcher als Wunschtransfer vom HCD-Sportchef geadelt wurde. Abgesehen von ihm setzt man vor allem auf eigene Nachwuchsspieler, welche in der momentanen Krise sicherlich kostengünstige Lösungen darstellen. Auf jeden Fall ist der HCD mindestens so gut aufgestellt wie in der letzten Saison, wobei das Team eingespielt sein sollte und deswegen nochmals einen Schritt vorwärts machen könnte. Dies ist natürlich mit ein Verdienst von Sportchef Raffainer.
Martin Steinegger (EHCB) - 5
Der EHCB hatte alles andere als eine einfache Saisonvorbereitung, hat doch die Krebserkrankung von Antti Törmänen den Verein in einen Schockzustand befördert. Es war eine extrem schwierige Aufgabe für Sportchef Martin Steinegger, einen neuen Trainer "auf Zeit" finden zu können. Mit Lars Leuenberger konnte er jedoch einen solchen engagieren und dies darf als grösster Transfer-Erfolg verbucht werden.
Bezüglich Spielermaterial schmerzen natürlich die Rücktritte von Jonas Hiller und Mathieu Tschantré. Auch der Verlust von Damien Riat (startet Saison nach Capitals-Verpflichtung in Genf) hinterlässt eine Lücke. Joren van Pottelberghe soll das entstandene Vakuum im Tor füllen und auch die Zuzüge von Petteri Lindbohm und Fabio Hofer dürfen sicherlich als Verstärkungen angesehen werden. Ganz frisch ist nun auch die Rückkehr von David Ullström, womit der EHCB doch noch mit vier Import-Spielern in die Saison steigen kann. Abgesehen davon fehlt jedoch der grosse Transfer-Kracher, was natürlich auch mit der Corona-Situation zu tun hat. Es muss derzeit noch ein bisschen bezweifelt werden, ob die Seeländer im Vergleich zu den letzten Jahren ein besseres Kader haben und ob mit diesem Team der erhoffte Fortschritt (Playoff-Final) bewerkstelligt werden kann. Trotzdem hat Steinegger unter Berücksichtigung aller Umstände (Corona, Törmänen-Erkrankung) einen guten Job gemacht.
Christian Dubé (HCFG) - 5
Es ist sehr beeindruckend, wie Christian Dubé mit seinem Doppelmandat als Headcoach und Sportchef umgeht. Nach einem fürchterlichen Saisonstart führte er den HCFG in der letzten Saison sogar noch in die Playoffs und nebenbei konnte er auch noch solch wichtige Verpflichtungen wie jene von Chris DiDomenico unter Dach und Fach bringen. Vergleicht man einmal das derzeitige Roster mit jenem der letzten Saison, dann kommt man schnell zur Erkenntnis, dass sich die Freiburger qualitativ verstärken konnten.
Die beiden Schweizer Youngster David Aebischer und Gaétan Jobin können in der National League den grossen Durchbruch schaffen und auch die Zuzüge von Dave Sutter, Benoît Jecker oder Yannick Herren sind kluge Schachzüge, um die Breite des Teams verbessern zu können. Bezüglich Abgänge hat man kaum einen Schlüsselspieler verloren und der intelligenteste Schachzug von Dubé war, dass er bereits vor der letzten Saison vier Import-Spieler (Gunderson, Brodin, Desharnais und Stalberg) mit einem längerfristigen Vertrag ausgestattet hatte. Aus diesem Grund kann der HCFG in dieser Saison mit fünf Import-Spielern in die Spielzeit; vor allem hinsichtlich der Coronakrise war diese Weitsicht des Sportchefs ein veritabler Coup und ist nun natürlich ein grosser Vorteil gegenüber der Konkurrenz.
Florence Schelling (SCB) - 4
In der kommenden Saison werden natürlich extrem viele Augen auf sie gerichtet sein, hat doch Florence Schelling mit ihrer Einstellung als SCB-Sportchefin bereits Schweizer Sportgeschichte geschrieben. In ihren ersten Monaten bei den Bernern konnte sie sich aber noch nicht so richtig beweisen, da beim SCB kurz nach ihrer Verpflichtung ein Einstellungsstopp wegen der Corona-Pandemie verhängt wurde.
Der grosse Teil der SCB-Kaderplanung wurde noch von Alex Chatelain vollzogen, welcher beispielsweise Dustin Jeffrey oder Ted Brithén an Land ziehen konnte. Ob diese beiden den Verlust von Topskorer Mark Arcobello auffangen können, bleibt abzuwarten. Florence Schelling selbst konnte jedoch mit einer Verpflichtung aufhorchen, war sie es doch, welche den neuen SCB-Coach Don Nachbaur nach Bern lotsen konnte. Hierzulande ein gänzlich unbekannter Mann, weswegen man sehr gespannt darauf sein darf, was er mit dem SCB leisten kann. Mit Gaëtan Haas wird ausserdem auch ein Schweizer NHL-Crack die Saison bei den Bären starten, was ebenfalls mit ein Verdienst von Schelling ist. Die neue SCB-Sportchefin konnte also durchaus schon erste Zeichen setzen.
Marc Eichmann (Tigers) - 4
Die aktuelle Coronakrise hat die SCL Tigers besonders hart getroffen, weswegen man auch einen kleinen qualitativen Aderlass im Kader hinnehmen musste. Der neue Langnau-Sportchef Marc Eichmann ist wahrlich nicht zu beneiden, doch immerhin war er in der Lage, für Topskorer Harri Pesonen eine schöne Ablösesumme von 400'000 Franken generieren zu können. Geld, welches für die Emmentaler überlebenswichtig ist. Nebst dem Finnen musste man aber auch DiDomenico oder Ciaccio ziehen lassen und im Gegenzug konnte man mit Flavio Schmutz gerade einmal einen gestandenen NL-Profi verpflichten.
Von der Qualität her sind die Tigers natürlich deutlich schwächer einzustufen wie in den vergangenen Saisons, weswegen der Playoff-Traum in der kommenden Spielzeit auch nur ein Traum bleiben dürfte. Da jedoch kein NL-Team absteigen kann, musste Marc Eichmann in erster Linie dafür sorgen, seinen Klub finanziell stabilisieren zu können. Aus diesem Grund kriegt er auch noch eine genügende Zwischennote, da er dies offensichtlich (auch dank des Pesonen-Verkaufs) geschafft hat.