- Offizieller Beitrag
«Die Finnen sind wie Maschinen»
Finnlands Meister Oulun Kärpät, der heutige Gegner der ZSC Lions, hat NHL-Spieler wie Reijo Ruotsalainen, Kari Jalonen oder Sebastian Aho hervorgebracht.
Roland Jauch
Eishockey im nördlichsten Norden: In Schweden steht dafür Lulea, in Finnland, auf der anderen Seite des Bottnischen Meerbusens, Oulu. Die kürzeste Reise des Teams zu einem Auswärtsspiel Richtung Süden ist die nach Kuopio (259 km), die Hauptstadt Helsinki liegt über 600 Autokilometer weit weg. Trotz der Abgeschiedenheit und der noch längeren Nächte im Winter gehört Kärpät mit seinen acht nationalen Titeln zu den führenden Clubs Finnlands. Der Meister liegt auch jetzt auf Platz 1.
Die entscheidenden Figuren auf dem Weg zu den letzten zwei Triumphen belegen eindrücklich, woraus Kärpät seine Kraft schöpft: aus der Jugend. 2015 wurde die Finalserie gegen Tappara Tampere erst im siebten Spiel entschieden, Meisterschütze war – in der zweiten Verlängerung – Sebastian Aho, damals ein Jüngling von 17,5 Jahren. Im vergangenen Frühling stand der Meistermacher im Tor: Veini Vehviläinen wurde zum besten Goalie der ganzen Saison gewählt, im Playoff kam er auf eine Abwehrquote von 93,5 Prozent – als 21-Jähriger. In der Schweiz gab es in den letzten 20 Jahren nur einen ähnlich jungen Goalie, der bei einem Titelkandidaten das Vertrauen erhielt und Meister wurde: Jonas Hiller als 20-Jähriger beim HC Davos 2002.
Der Mix der Jugend mit älteren Spielern, die nach Auslandjahren – wie der letztjährige Berner Mika Pyörälä – in ihre Heimat zurückkehren, macht aus Kärpät ein Topteam. Aleksi Heponiemi, in der Meisterschaft bester Skorer des Teams, ist 19. Pyörälä, der zuletzt verletzt fehlte, ist die Nummer 2 der internen Skorerliste und 37.
Sie liefen und liefen
Seit 2010 schafften acht Spieler aus Oulu den Sprung in die NHL. Sebastian Aho (Carolina), Joonas Donskoi (Florida) oder Jesse Puljujärvi (Edmonton) sind die bekanntesten der Neuzeit. Früher waren das Reijo Ruotsalainen, der in seinen fünf Jahren beim SCB nicht nur die Berner Fans begeisterte, Kari Jalonen oder Pekka Rinne. SCB-Coach Jalonen kehrte als Trainer nach Oulu zurück, 2005 und 2007 gewann er den Titel.
Dass in Oulu eine Eishockey-Talentschmiede steht, hat sich auch im Ausland herumgesprochen. Radek Koblizek machte sich als 15-Jähriger auf Drängen seiner Eltern und seines Agenten aus Brno auf nach Oulu. Der tschechische Flügel kann nach fünf Jahren im finnischen Norden zumindest teilweise erklären, warum die Nachwuchsarbeit dort so erfolgreich ist.
«Als wir zum ersten Mal an ein Turnier reisten, habe ich mich auf all die Freiheiten gefreut, die wir in Tschechien jeweils auswärts genossen haben, oder auf die Streiche, die wir einander in der Unterkunft spielten», blickt Koblizek zurück. Mit Oulu war alles anders. «Wir bezogen unsere Zimmer, und ich dachte, dass es jetzt dann losgehen würde.» Doch sein Zimmerkollege habe sich die Kopfhörer übergestülpt und sei schlafen gegangen. Alle anderen auch. Die Nachtruhe wurde widerspruchslos akzeptiert. «Die jungen Finnen tun das, was ihnen der Trainer sagt. Eines Tages schrieb der Coach die Übungen auf die Tafel, aber im Training war er nicht dabei.» In Tschechien hätte keiner auch nur eine Übung mitgemacht, sagt Koblizek und lacht.
«Aber in Oulu studierten die Jungs die Tafel und führten exakt das aus, was geschrieben stand. Ich konnte das nicht verstehen. Sie sind wie Maschinen.» Koblizek hatte gedacht, läuferisch könne ihm nicht so mancher etwas vormachen. In Finnland wurde er eines Besseren belehrt. «In Oulu stand ich doppelt so lange auf dem Eis wie in Tschechien. Wir liefen und liefen.» Er hat es zwar nicht in die NHL, aber zum Stammspieler beim finnischen Meister gebracht. Im letzten Match in der Liga schoss er das entscheidende Tor. (Tages-Anzeiger)