- Offizieller Beitrag
Grossveranstaltungen trotz Corona
Über 20’000 Leute sollen ins Stadion
Ab dem 1. Oktober will der Bund Eishockeystadien zur Hälfte und Fussballstadien zu zwei Dritteln füllen. Die Kantone dürften zustimmen. Für kleine Sportclubs bleibt die Situation schwierig.
Philippe Reichen, Ueli Kägi, Simon Graf, Helene Arnet (TA)
Der Fahrplan steht. Die Zeit drängt. Bis zum Mittwochmittag gibt Gesundheitsminister Alain Berset den Kantonsregierungen Zeit, sich zu seiner neusten Corona-Verordnung zu äussern. Sie regelt, wie Grossveranstaltungen trotz Corona ab dem 1. Oktober wieder möglich werden. Am 2. September will der Bundesrat die Verordnung verabschieden.
Unsere Recherchen ergeben, dass Berset mit seinem Verordnungsentwurf weit gehen will: Er hält darin unter anderem fest, wie viele Personen in Säle und Stadien dürfen, und schreibt vor, dass es nur Sitz- und keine Stehplätze geben darf. Konkret sollen bei Innenveranstaltungen maximal die Hälfte aller verfügbaren Sitzplätze besetzt sein dürfen. Bei Aussenveranstaltungen ist der Bund kulanter: Fussballclubs dürfen zwei Drittel ihrer Sitzplätze verkaufen.
Gemäss dieser Richtgrösse dürfte zum Beispiel der FC Basel im St.-Jakob-Park, dem grössten Fussballstadion der Schweiz, rund 25’000 Sitzplätze für Zuschauer freigeben. Allerdings müssen die Zuschauer in räumlich getrennten Sektoren sitzen. Pro Sektor sind wiederum maximal 1000 Personen zugelassen. Dazu gibt es eine Registrierungspflicht, um das Contact-Tracing sicherzustellen. Zudem dürfte es für Innen- und Aussenveranstaltungen eine Maskentragpflicht geben.
Heinrich Schifferle, Präsident der Swiss Football League, ist mit der Verordnungsentwurf zufrieden. Er sagt: «Können wir die Stadien zu zwei Dritteln füllen, ist das für uns eine gangbare Lösung – auch wenn das Konzept nur Sitzplätze, keine Auswärtsfans und eine Maskenpflicht vorsieht.» Für einzelne Stadien der Challenge League mit nur wenig Sitzplätzen brauche es allerdings individuelle Lösungen – etwa in Winterthur oder Aarau, so Schifferle. Die finanziellen Probleme der Proficlubs seien mit dem Zuschauerkonzept aber noch nicht gelöst. «Ein Zugang zu den Notkrediten des Bundes ist weiterhin wichtig», betont der Ligapräsident.
Anders ist die Situation im Eishockey. Denis Vaucher, der Direktor von National League und Swiss League, will sich derzeit nicht äussern. Er betont, der politische Prozess laufe und er werde noch in dieser Woche angehört. Fakt ist aber: Für die Eishockeyclubs ist eine 50-Prozent-Auslastung der Stadien unbefriedigend.
Die National League hat ein Rahmen-Schutzkonzept entwickelt, das den Verkauf aller, jedoch personalisierter Sitzplätze vorsieht, keine Auswärtsfans zulässt und ein Contact-Tracing, eine Maskenpflicht und Verpflegung am Platz vorschreibt. Die Steh- würden in Sitzplätze umgewandelt. Sollten nur 50 Prozent davon besetzt werden können, wären die Clubs nicht glücklich.
Im Vergleich zum Fussball ist die Auslastung der Stadien im Eishockey höher und der Anteil der Sitzplätze geringer. Beispiel SC Bern: Das Fassungsvermögen der Postfinance-Arena wird durch das Umrüsten auf nur Sitzplätze von 17’000 auf rund 11’000 reduziert. Die Hälfte davon wären dann 5500, nicht einmal ein Drittel der ursprünglichen Kapazität. Für kleine Clubs mit kleinen Stadien wie die SCL Tigers oder Ambri dürfte die Situation noch schwieriger werden.
Wer haftet bei einer Absage?
Obwohl die Corona-Neuansteckungen jüngst wieder zugenommen haben, arbeiten einzelne Kantone daran, Grossveranstaltungen im Spätherbst zu bewilligen. Doch wer kommt für finanzielle Schäden auf, sollte sich die heute teils angespannte Lage weiter verschlimmern und die Kantone dazu zwingen, Veranstaltern bereits erteilte Bewilligungen wieder zu entziehen? Das Bundesamt für Gesundheit ist daran, die Rechtsfrage in seiner Corona-Verordnung zu regeln. Die Kantone verlangen, dass Veranstalter den Staat nicht haftbar machen können.
Doch ab welcher epidemischen Lage entziehen die Kantone Bewilligungen? Diese Frage ist ungeklärt. «Der Bund wird hierfür keine Bestimmungen erlassen», sagt der Genfer Gesundheitsdirektor Mauro Poggia. Somit könnte der Fall eintreten, dass die Kantone Zürich und Genf auf eine zweite Corona-Welle ganz unterschiedlich reagieren. Konkret: Während der Kanton Genf seinen FC Servette im leeren Stadion spielen lässt, könnte der Kanton Zürich die FCZ-Fans weiter im Letzigrund sitzen lassen. «In einem solchen Fall würde es zwischen Kantonsregierungen wohl bilaterale Absprachen geben, oder der Bund interveniert direkt», sagt Mauro Poggia. Generell würde sein Kanton Grossveranstaltungen sehr kurzfristig, also 24 bis 48 Stunden vor Beginn, verbieten, betont er.
Die Walliser Gesundheitsdirektorin Esther Waeber-Kalbermatten (SP) sagt: «Eine Möglichkeit wäre, dass ein Kanton Grossveranstaltungen dann verbietet, wenn er über 60 Corona-Neuansteckungen pro 100’000 Einwohner in den letzten zwei Wochen registriert hat.» Die Walliserin betont: «Wichtig ist jetzt, dass der Bund für die Kantone klare, einheitliche Kriterien für die Prävention vorgibt.» Man solle die Sportvereine konsultieren, um ihnen Planungssicherheit zu garantieren.
In Zürich wollte sich weder Regierungsrat Mario Fehr (SP) noch Bruno Keller, Leiter des Covid-19-Sonderstabs, direkt zu den Vorschlägen des Bundes äussern. «Als Sportdirektor des Kantons Zürich finde ich das vom Bundesrat vorgeschlagene Konzept grundsätzlich gut», sagte Fehr am Montagabend am Rande einer Medienkonferenz. Als Fussballfan begrüsst er, dass für Fussball und Eishockey eine landesweite Regelung angestrebt wird.