• Das Erbe Gassmanns blüht wieder: Der EHC Biel greift nach dem Titel

    Aus den Trümmern des eigenen Erfolgs: Der EHC Biel greift nach dem Titel
    Der Bieler Verleger Willy Gassmann hatte aus dem Provinzklub EHC Biel vor 40 Jahren mit viel Geld und noch mehr persönlichem Engagement ein…
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    Das Erbe Gassmanns blüht wieder: Der EHC Biel greift nach dem Titel

    Der Bieler Verleger Willy Gassmann hatte aus dem Provinzklub EHC Biel vor 40 Jahren mit viel Geld und noch mehr persönlichem Engagement ein nationales Spitzenteam geformt. Seine Art der Klubführung prägt den Play-off-Finalisten bis heute.

    Den Anhang des alten Zürcher SC verfolgte der Ruf, so etwas wie ein oberste Instanz des schlechten Geschmacks zu sein. In Anlehnung an die atomare Wüste rund um das ukrainische Atomkraftwerk in Tschernobyl wurden die Spieler und die Fans des EHC Biel mit dem Sprechchor «Biel, Biel, Tschernobiel» verhöhnt.

    Die Stadt am Jura-Südfuss war nach Zürcher Verständnis Brachland. Eine wirtschaftliche Einöde, ohne Charme, mit einer rekordhohen Zahl von Arbeitslosen und Sozialhilfebezügern. Daniel Villard, der langjährige Geschäftsführer des EHCB, sagt: «Nicht nur in Zürich, aber vor allem dort, wurden wir belächelt. Für einen Teil der Menschen gab es bei uns vor allem Drogen und Schmarotzer, die auf Kosten des Sozialstaats leben.»

    Auch den Neid und die damit verbundene Häme muss man sich erarbeiten. Der EHC Biel tat das gegen Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre, als er in fünf Jahren dreimal Schweizer Meister wurde (1978, 1981 und 1983). Der legendäre Bieler Verleger Willy Gassmann, der unter anderem das «Bieler Tagblatt» und das «Journal du Jura» herausgab, hatte das Präsidium des Klubs 1956 in der dritthöchsten Liga übernommen und den Verein mit erheblichem finanziellem Aufwand zu einer nationalen Grösse gemacht.

    Willy Gassmann schloss all seine Verträge per Handschlag ab

    Der ehemalige Rekord-Nationalspieler Jakob Kölliker war ein Leistungsträger und die Symbolfigur des Klubs in der Ära Gassmann. Wie später auch der heutige Sportchef Martin Steinegger war er als Sohn des Eismeisters praktisch auf der Eisbahn gross geworden. Mit 19 Jahren kam er 1971 in die erste Mannschaft, dort spielte er bis zum Wechsel 1984 zum HC Ambri-Piotta. «Ich hatte in all den Jahren in Biel nie einen Vertrag. Willy Gassmann rief die Spieler am Ende der Saison jeweils zu sich ins Büro, sprach ein paar Minuten mit ihnen. Die Verträge wurden per Handschlag und ohne weitere Formalität abgeschlossen.»

    Ein schriftlicher Vertrag unter Männern? Das war für Gassmann unvorstellbar. Allein den Ansatz des Gedankens, man brauche eine schriftliche Bestätigung seines Worts, empfand er als persönliche Kränkung.

    Als Gassmann Urs Bärtschi, einen der damals besten Schweizer Spieler, aus Kloten nach Biel lockte, fragte er ihn in dem ihm eigenen Mix aus Vertraulich- und Höflichkeit: «U Dir, Urs, was bruchet Dir?» Bärtschi versuchte es mit 60 000 Franken, was er selber als Unverschämtheit ansah. Gassman sah ihn kurz an, sagte: «Das isch aber äs bitzeli viel», und gab ihm neben dem geforderten Gehalt auch noch eine Wohnung und eine Lehrstelle als kaufmännischer Angestellter in seinem Verlag.

    Ein Patriarch im besten Sinne des Wortes

    Bärtschis Ehefrau Linda, eine Lehrerin aus Zürich, die im föderalistischen Schweizer Schulsystem im Kanton Bern keine Anstellung fand, machte er zur Kulturchefin seines «Bieler Tagblatts». An den Tagen vor wichtigen Partien bleute Gassmann ihr jeweils ein, morgens ja keinen Wecker zu stellen und lieber später zur Arbeit zu kommen. Er wollte Urs ausgeschlafen auf dem Eis wissen.

    Gassmann war ein Patriarch im besten Sinne des Wortes. Er führte den Klub und auch seinen Verlag als grosse Familie. Als ihm zu Ohren kam, dass einer seiner Mitarbeiter eine zehn Jahre jüngere KV-Lehrtochter geschwängert hatte, rief er die beiden zu sich ins Büro und sagte, Geschichten wie diese gefielen ihm gar nicht. Dann fragte er sie, ob sie sich denn gerne hätten. Als dies beide bejahten, sagte Gassmann: «Also wird geheiratet.» Er organisierte die Hochzeit und finanzierte sie auch.

    Die Spieler behandelte und betrachtete er als eine Art Söhne. In der Garderobe hatte er seinen eigenen Schrank und Sitzplatz, auf dem er sich vor den Spielen gemeinsam mit der Mannschaft umzog. Nach der Saison lud Gassmann jeweils den ganzen Klub zu gemeinsamen Ferien ein. Kölliker sagt: «Alle waren dabei, von den Spielern über die Kassiererinnen bis hin zum Zeitnehmer. Gassmann vergass niemanden. Wir reisten auf seine Rechnung nach Griechenland, auf die Bahamas, nach Kalifornien oder auf Hawaii.»

    Der Präsident hatte aber auch seine fordernde, unerbittliche Seite. 1964, damals noch in der Nationalliga B, liess er aus Enttäuschung über die Leistung der Mannschaft den Trainer Ernst Wenger auf der Rückreise von einem Auswärtsspiel in einer Autobahnraststätte stehen und den Bus ohne den Coach nach Biel zurückfahren. Der hoch angesehene Wenger war in Biel nicht mehr erwünscht.

    Gassmanns Ausstieg als grosse Zäsur

    Als in Lugano Geo Mantegazza in den Klub einstieg, verlor Willy Gassmann die Lust am Eishockey. Der Tessiner Milliardär spielte finanziell in einer Liga, in der der Bieler Verleger nicht mithalten konnte und wollte. Als er den Klub verliess, legte er seinem langjährigen Buchhalter Georges Aeschlimann ans Herz, das Amt als Sportchef und Geschäftsführer des EHC ebenfalls niederzulegen. Aeschlimann hatte zuvor sein eigenes Haus mit einer Hypothek in der Höhe von 300 000 Franken belehnt, um die Transfersummen für die getätigten Zuzüge aus dem eigenen Sack zu finanzieren.

    Mit Gassmann und Aeschlimann verliess auch der Erfolg den EHC Biel. 1994 stieg der Klub mit Schulden in der Höhe von 4,5 Millionen Franken in die damalige Nationalliga B ab. Es folgten schwierige Jahre mit mehreren Sanierungen und mehr als einem Beinahe-Konkurs.

    Der Geschäftsführer Villard sagt, die Erfolge der Ära Gassmann und dessen grosszügiges Wirken seien für den Klub später zur Hypothek geworden. «Noch 2003 haben wir uns angesichts der Altlasten, die wir immer noch vor uns herschoben, die ernsthafte Frage gestellt, ob wir weitermachen oder den Klub fallenlassen sollen.» Dem damaligen Präsidenten Erwin Stalder sei es zu verdanken, dass sich die Klubführung für das Weitermachen entschied und die Basis legte zu einem der heute am breitesten abgestützten Klubs der Liga.

    Das Kernstück ist der Donatorenklub, mit gegen 5000 Mitgliedern die grösste Gönnervereinigung dieser Art im Schweizer Sport. Seine Mitglieder, hier die kleine Autowerkstatt, dort das international tätige Grossunternehmen, unterstützen den Klub mit bis zu 3,8 Millionen Franken pro Saison. Es ist unter anderem dieses Geld, aus dem der Sportchef Martin Steinegger und der Trainer Antti Törmänen in den vergangenen Jahren eine Mannschaft formten, die von Saison zu Saison besser und konkurrenzfähiger wurde und nun gegen Genf/Servette im Play-off-Final steht. Das erste Spiel findet am Freitagabend in Genf statt.

    Erich Fehr ist seit 2011 Stadtpräsident von Biel und ein EHCB-Anhänger von Kindsbeinen an. 1968 geboren, erlebte er zwei der drei Titel als Anhänger im alten, von Gassmann gebauten Eisstadion.

    Fehr bezeichnet die heutigen Strukturen des EHC Biel als «absolut beispielhaft». Seit 1993 bekleidet er in der Stadt verschiedene politische Ämter und hat auch die anderen Zeiten des Klubs hautnah erlebt. «Es gab Zeiten, da konnte der EHC die Eismiete oder die Energiekosten nicht bezahlen. Die ganze Stadt leistete einen Beitrag dazu, dass er wieder auf die Beine kam. 2007 genehmigte die Bevölkerung den Bau der neuen Tissot-Arena mit 72 Prozent Ja-Stimmen, obwohl der Klub damals noch in der Nationalliga B spielte.»

    Als das alte Stadion 2015 abgebrochen wurde, war Fehr auf der Baustelle und sicherte sich einen der legendären orangen Schalensitze. Sie waren ein Symbol der Hässlichkeit, aber auch der Nostalgie, die die Halle umwehten. Das Eisstadion war immer mehr als eine Sportstätte. Es war ein Ort der Begegnung, wo sich die Stadt und die ganze Region trafen und fanden.

    Es gebe in Biel keinen Sprachgraben, sagt Fehr. Die Zweisprachigkeit sei nur selten ein echtes Problem gewesen. Und doch findet die Stadt im Eishockeyklub einen gemeinsamen Nenner. Biel zählt 43 Prozent französisch- und 57 Prozent deutschsprachige Einwohner. Rund ein Drittel seiner Bewohner hat ausländische Wurzeln aus 140 verschiedenen Nationen. Einige dieser Bewohner leben nahe oder unter dem Existenzminimum. Die Sozialhilfequote ist in den vergangenen fünf Jahren zwar regelmässig gesunken. Doch in der letzten Erhebung von 2021 war Biel mit 10,2 Prozent Sozialhilfebezügern immer noch das Schlusslicht unter den 14 Städten, die sich dem nationalen Vergleich stellen.

    Anders als den HC Fribourg-Gottéron, der ebenfalls in einer zweisprachigen Stadt an der Bruchstelle zwischen Deutsch- und Westschweiz zu Hause ist, haben die Romands den EHC Biel nie als einen ihrer Repräsentanten betrachtet. Kölliker sagt: «Wir fühlten uns weder als Deutsch- noch als Westschweizer. Wir waren Seeländer.»

    Die massiven ethnischen Umwälzungen in der Stadt haben auch das Gesicht des Klubs verändert. Im Zuge der Krise in der Uhrenindustrie zogen viele aus Biel weg. So entstand ein Überangebot an günstigem Wohnraum, der sozial weniger Privilegierte anzog und Biel zum multikulturellen, aber auch etwas heruntergekommenen Schmelztiegel werden liess.

    Der Stadtpräsident Erich Fehr sagt, die Zweisprachigkeit sei dem EHC schon immer am Herzen gelegen. «Er ist beides: deutsch und welsch. Wenn wir gewinnen, dann freuen sich alle gemeinsam.» Darüber hinaus ist der Klub ein Bindeglied der beiden Kulturen. «Auch ich selber bin in der Juniorenbewegung des EHC den Romands nähergekommen und so mündlich wirklich zweisprachig geworden.» Das Einzugsgebiet der rund 4000 Saisonkartenbesitzer reicht von Neuenburg bis nach Solothurn, vom Berner Jura bis nach Lyss, wo das Stammland des SC Bern beginnt.

    Der Sieg gegen den SCB war eine Befreiung

    Dem SC Bern ist der EHC Biel in einer erbitterten Rivalität verbunden, die ihre Intensität auch aus einem gewissen Minderwertigkeitskomplex schöpft. Villard sagt: «Wir hier in Biel sind nicht mit dem besten Selbstwertgefühl ausgestattet.» Zu oft zerplatzten die Hoffnungen wie Seifenblasen, und oft war es der SCB, der dem EHC Biel am Ende vor der Sonne stand.

    Der Sieg in den Viertelfinals in dieser Saison gegen den SCB war der erste für die Bieler in einer Play-off-Serie gegen den grossen Rivalen und eine Befreiung für den ganzen Klub und seinen Anhang. Der Sportchef Martin Steinegger sagte in einem Interview mit der NZZ: «Hätten wir die Serie noch verloren, wir hätten diesen Geruch nie mehr aus unseren Kleidern gebracht.»

    Ausgerechnet beim ersten Meistertitel 1978 war der SCB nicht der Rivale, sondern der Verbündete der Bieler gewesen. Es sei der schönste der drei Titel gewesen, sagt der ehemalige Verteidiger Jakob Kölliker. Die Meisterfeier in Biel begann erst mit rund zweistündiger Verspätung, weil der Pokal in der Halle des Leaders Langnau stand. Doch die Emmentaler unterlagen im letzten Match der Saison dem SCB 4:7, Biel schlug Kloten zu Hause 4:1 und machte sich erstmals zum Meister. Der für diesen Fall gecharterte Helikopter konnte wegen eines Schneesturms nicht starten. Autobahn gab es noch keine. Der Pokal musste mit einem Auto quer durch das Schneegestöber des Emmentals ins Seeland gefahren werden.

    Das ist 45 Jahre und eine kleine Ewigkeit her. Nun steht der EHC Biel zum ersten Mal seit der Einführung der Play-offs 1986 im Final. «Es ist der Lohn für den jahrelangen kontinuierlichen Aufbau, den der Klub geleistet hat», sagt Fehr. «Dazu kann man der Mannschaft, dem Trainerstab und der ganzen Vereinsleitung nur gratulieren.» Für den Fall, dass der Klub den Titel tatsächlich erringt, verspricht er eine grosse Party. Anders als jene vor über 45 Jahren würde sie garantiert pünktlich beginnen.


  • Kampf um den Titel - Sie standen vor dem Abgrund – jetzt umgibt sie ein Hauch von Weltklasse

    Kampf um den Titel – Sie standen vor dem Abgrund – jetzt umgibt sie ein Hauch von Weltklasse
    Während Jahren war der EHC Biel Aussenseiter und Abstiegskandidat. Nun steht der Club erstmals im Playoff-Final. Ein Grund: Ein Stadion, wie es die Schweiz…
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    Sie standen vor dem Abgrund – jetzt umgibt sie ein Hauch von Weltklasse

    Während Jahren war der EHC Biel Aussenseiter und Abstiegskandidat. Nun steht der Club erstmals im Playoff-Final. Ein Grund: Ein Stadion, wie es die Schweiz sonst nicht kennt.

    Die Erinnerungen an damals sind noch lebhaft. Als Daniel Villard 2003 zum EHC Biel stiess, hatte dieser gerade den Halbfinal in der NLB verloren. Die ruhmreichen Zeiten mit drei Meistertiteln lagen bereits 20 Jahre und länger zurück, dazwischen hatte der Club einen Abstieg und den Beinahe-Konkurs zu verkraften. «Es gab schwierige Sitzungen mit dem Verwaltungsrat, nach denen wir uns alle überlegt haben: Hat das hier eine Zukunft, oder hören wir besser auf?», erzählt Villard. Vorab dank des finanziellen Engagements des damaligen Präsidenten, Erwin Stalder, blieb der EHCB bestehen. «Und wir hatten alle ein Ziel: den Aufstieg und ein neues Stadion. Das war unser Antrieb», sagt Villard. Mittlerweile ist er der dienstälteste CEO in der National League und steht nun mit Biel vor einem Novum – dem Playoff-Final.

    Dass der Club so weit kommen konnte, ist gleichwohl kein Wunder. Schliesslich schafften es die Bieler nun zum dritten Mal in den letzten 6 Jahren in den Halbfinal. Drei Aspekte stehen am Ursprung ihrer Entwicklung vom Aussenseiter zum Spitzenclub.

    Die Arena – ein Prestige-Projekt ebnet den Weg nach oben

    «Ohne dieses Stadion kein EHC Biel in dieser Form», sagt Villard. Was er damit meint, verdeutlichen einige Zahlen. Nach dem Wiederaufstieg in die NLA 2008 und bis zum Umzug in die Tissot-Arena 2015 musste der Verwaltungsrat jährlich eine Million Franken einschiessen, weil der Club im alten Eisstadion mit einem nur kleinen und improvisierten VIP-Bereich nicht kostendeckend wirtschaften konnte. «Du brauchst Logen, damit die Sponsoren ihre Kunden einladen können. Nur eine Bande oder ein Logo auf dem Dress anzubieten, das reicht heute nicht mehr», sagt Villard.

    Insofern vollzog der EHCB mit dem Einzug in die neue Arena einen Quantensprung. Allein durch die VIP-Logen generiert er eine Million zusätzlich. Das Budget beträgt mittlerweile 17 Millionen – 7 mehr als in der letzten Saison im früheren Eisstadion.

    Der Komplex mit Eishockey-Arena, Fussball-Stadion und Curling-Halle ist schweizweit einzigartig. Der Weg dazu war allerdings lang und hürdenreich. 2006 präsentierte der damalige Stadtpräsident und heutige Ständerat Hans Stöckli erstmals Pläne für ein neues Stadion. Doch der Spatenstich des 200 Millionen Franken teuren Projekts – es wurde mit privaten und öffentlichen Geldern finanziert – folgte erst 6 Jahre später. Zweimal musste die Bevölkerung darüber abstimmen, wobei ihr Votum mit 75 respektive 73 Prozent Zustimmung ausfiel. Zudem gestaltete sich nach Ausbruch der Wirtschaftskrise die Suche nach Mietern für die Mantelnutzung schwierig, und dann sprang auch noch der Investor ab. Schliesslich entschied sich der Generalunternehmer HRS, das Projekt selbst durchzuziehen.

    Der wichtigste Transfer – Jonas Hiller hat alles verändert

    Im April 2016 liess der Wechsel von Jonas Hiller zum EHC Biel die Eishockey-Schweiz aufhorchen. Über 400 Spiele bestritt der Goalie in der NHL, er hütete das Schweizer Tor an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, wurde dreimal Meister. Kurz: Ein Spieler von seinem Format hatte bis zu diesem Zeitpunkt einen grossen Bogen um das Seeland gemacht. Doch als Sportchef Martin Steinegger vom Interesse Hillers an einer Rückkehr in die Schweiz erfuhr, überzeugte er den Verwaltungsrat, so tief in die Kasse zu greifen, wie das nie zuvor der Fall gewesen war. Mit dem Hinweis an den Goalie und dessen Agenten, dass es keinen Spielraum für Verhandlungen mehr gebe.

    «Hiller war ein Glücksfall für uns, er hatte eine Sogwirkung auf das Umfeld, die Sponsoren, aber auch auf andere Spieler», sagt Steinegger. Nach dem Torhüter wechselten gestandene Akteure wie Beat Forster, Damien Brunner und Luca Cunti ins Seeland. Forster sagt: «Vielleicht wäre meine Entscheidung anders ausgefallen, wäre «Hilli» nicht da gewesen. Ein guter Goalie macht sehr viel aus.»

    Mathieu Tschantré, damals Captain des Teams, kämpfte mit Biel erst lange um den Aufstieg und dann gegen den Abstieg. «Und dann sitzt plötzlich einer der besten Keeper der Welt in unserer Garderobe. Da denkst du schon: Wow, jetzt spielen wir in einer anderen Liga», sagt er. Mit seiner Einstellung ging Hiller voran, das imponierte den Mitspielern. 2018 qualifizierte sich Biel dann zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder für einen Halbfinal – als Aussenseiter.

    Mittlerweile gehört der EHCB sportlich zu den besten Adressen im Land, obschon andere über grössere Budgets verfügen. Abgesehen vom SCB und den ZSC Lions vergleichen die Clubs jeweils im Rahmen eines möglichen Financial Fair Play ihre Ausgaben – anonymisiert. Diese basieren auf den Lohnausweisen der abgelaufenen Saison. «Aufgrund dessen gehören wir nicht zu den Top 6 der Liga», hält CEO Villard fest. Durch die jüngsten Investitionen – unter anderem in Weltklasse-Goalie Harri Säteri – könnte sich das geändert haben.

    Die Geldgeber – die grösste Gönner-Vereinigung im Schweizer Sport

    Nur knapp 10 Kilometer südöstlich von Biel beginnt bereits das Einzugsgebiet des SC Bern. Sportlich mögen die Seeländer dem Rivalen den Rang in den letzten Jahren abgelaufen haben, bezüglich Fans und Sponsoren ist der SCB nach wie vor die klare Nummer 1 im Bernbiet.

    Gleichwohl zählen die Seeländer auf eine breite Verankerung in der Region, wovon die Donatoren mit über 500 Mitgliedern zeugen. Es handelt sich um die grösste Gönnervereinigung im Schweizer Sport. Entstanden ist sie 1983, als der EHC Biel letztmals Meister wurde. Weil sich der langjährige Mäzen Willy Gassmann zurückzog, versuchten Unternehmer aus der Region die finanzielle Unterstützung des Clubs breiter abzustützen. «Einige haben sich für die Organisation kaputt geschuftet, ohne ihr Engagement stünden wir heute nicht so da», sagt Tschantré, der die Donatoren seit einem Jahr präsidiert.

    Das Erfolgsrezept: Ab 6666 Franken ist man dabei, Sitzplatz-Abonnement und regelmässige Treffen zum «Networken» inklusive. Das erklärt die Bandbreite der Mitglieder, vom Ein-Mann-Handwerksbetrieb bis zum international tätigen Konzern. In den letzten Jahren überwiesen die Donatoren dem EHC Biel jährlich rund vier Millionen Franken. Selbst 2021 und mitten in der Corona-Pandemie, weil 90 Prozent der Mitglieder trotz fehlender Gegenleistung auf eine Rückforderung der Beitragszahlungen verzichteten.

    Nicht nur, aber auch dank der vielen Gönner konnte der EHC Biel wieder gross werden.

  • Ich weiss es ist nicht 1:1 vergleichbar. Aber es ist wie Basel im Fussball, bzw. noch krasser:

    In Biel bist du beim Hockey "dabei" - sei es als Privatperson und noch wichtiger als Firma. Oder du bist nichts.

    In Biel gibt es - verglichen mit den grossen/grösseren Städten nicht sehr viel Sport und Kultur. Also ist es Hockey.

    And that's it.

    In Basel ist es auf dem Sport bezogen 1:1 (klar haben die noch ein bisschen Kultur und so. Ein bisschen ......)

    In Basel hast du noch einen Grosskonzern und ein- zwei grosser CH-Player dabei. Dafür sind in Biel fast alle

    dabei.

    Aber eben, sie sind "Huttwil" und wir die "NY Rangers". Diese Aussage ist übrigens der Grund, warum mir's echt

    scheissegal ist wer den Final gewinnt. Mit Servette kann ich nichts anfangen. Und das "Biel-wir-sind-ein-armer-

    kleiner-Club-quasi-das-kleine-gallische-Dorf-gegen-die-grossen-mächtigen-Römer" - Gesülze geht mir sowas auf

    den Sack wie damals das ganze Understatement/Underdog Bla-Bla-Bla von Davos oder den "wir-zahlen-nur-ein-

    Butterbrot-für-Hofmann-und-Genoni" - Bullshit aus Zug.

  • Und die visuelle Torhüterbehinderung bleibt auch als neutraler Zuschauer ein Ärgernis

    Jap, nervend, eine Schweizer Spezialität, die das Eishockey verhunzt!

    Es wäre sehr wünschenswert wenn sich die Verantwortlichen mit den Verletzungen von z.B Hollenstein und Vatanen intensiver auseinandersetzen würden. Kommt eine Verletzung unbeabsichtigt durch ein hoher Stock zustande wird es klar bestraft, da der Verursacher für sein Arbeitsgerät verantwortlich ist. Bei den Schlittschuhen gilt die Regel nicht!

    Edited once, last by Danny (April 15, 2023 at 10:57 AM).

  • Eine Schlammschlacht überschattet den Final
    Genf/Servette könnte erstmals Meister werden. Doch ausgerechnet jetzt liefert sich der Eishockeyklub einen heftigen Rechtsstreit mit Ex-Trainer Chris McSorley, dem er den Erfolg verdankt. Von Nicola Berger

    Als Chris McSorley am 15. September 2001 erstmals Genf/Servette coachte, verloren sich weniger als tausend Zuschauer ins Stadion Les Vernets. «Ich dachte, ich habe mich vielleicht im Datum geirrt», sagt McSorley heute. 0:1 unterlag sein Team dem EHC Olten, es war eine triste Angelegenheit.

    So war das immer mal wieder in Genf, einer Stadt, die sich um den Sport grösstenteils foutiert und sich weniger trivialen Dingen zuwendet: der Kunst, der Musik und natürlich der Geldvermehrung. Und wenn es doch zum Sport ging, dann eher zum Fussball, zum 17-fachen Champion Servette FC. Um der Bedeutungslosigkeit entgegenzuwirken, nahm McSorley jeweils zwei Rucksäcke mit, wenn er zum Einkaufen in den Supermarkt ging. Einer, um die Besorgungen zu verstauen. Und einer gefüllt mit Gratistickets, die er unter die Leute brachte.

    McSorley, heute 61, ist einer der wenigen Menschen, die immer an das Potenzial dieser Stadt als Eishockey-Standort geglaubt haben. Irgendwann natürlich auch aus Eigennutz, weil ihm der Klub gehörte. Ein anderer ist Marco Torriani, der Sohn von Bibi Torriani, einer der grössten Schweizer Eishockey-Ikonen. Torriani führte in Genf lange das heutige Mandarin Oriental Hotel und war während mehr als einem Jahrzehnt Präsident von Genf/Servette.

    Als Torriani den Klub 1991 übernahm, lag er darnieder, abgestürzt bis in die 1. Liga und wieder einmal nahe am Konkurs. Torriani engagierte kanadische Trainer und Spieler und liess diese im Angestelltenhaus des Hotels logieren. 1995 gelang der Aufstieg in die Nationalliga B, dank einem Sieg im Entscheidungsspiel gegen den von Arno Del Curto gecoachten HC Luzern. Torriani sagt: «Zu den wichtigen Spielen gegen Dübendorf oder Luzern kamen zwischen 5000 und 6000 Zuschauer. Da wusste ich, dass das Eishockey in Genf lebt.»

    Als Mosimann in London kochte

    Torriani war es, der um die Jahrtausendwende den Einstieg der Anschutz-Gruppe orchestrierte, er war auf der Suche nach Geldgebern, nachdem sich der grosszügige Mäzen Claude Barbey zurückgezogen hatte. Torriani sagt: «Ich las damals in der NZZ, dass Anschutz nicht mehr daran interessiert war, den Fussballklub GC zu übernehmen. Aber dass das Unternehmen auch in Eishockeyvereine investierte, in London und München zum Beispiel.

    Zusammen mit seiner Sekretärin habe er den Kontakt herstellen können und sei zu einem Treffen nach London geflogen, so Torriani. «Dort hat Anton Mosimann gekocht, ich dachte, das würde bestimmt helfen. Der Tenor war: Wir kommen nur, wenn man ein neues Stadion bauen kann. Da habe ich gesagt: Ja, natürlich bauen wir ein neues Stadion, das ist doch völlig klar.»

    Die Beteuerungen halfen: Anschutz stieg ein, transferierte als Antrittsgeschenk den jungen, aufstrebenden Coach McSorley von London nach Genf und stellte ein Budget zur Verfügung, mit dem der Aufstieg möglich wurde. Servette rührte mit der grossen Kelle an, Nationalspieler wie Fredy Bobillier und Dino Kessler schlossen sich dem Team an, dazu mit Igor Fedulow und Misko Antisin spektakuläre Ausländer.

    Und es war eine kleine Sensation, dass sich mit Reto Pavoni auch der Nationalgoalie diesem B-Klub versprach. Doch ehe Pavoni ins Unterhaus wechseln musste, bewerkstelligte Servette im ersten Anlauf die Promotion. Und hält seither die Liga.

    Auch zwei Jahrzehnte später spielt der Klub noch im Les Vernets, diesem 1958 erbauten Betonklotz. Nirgendwo in der National League ist die Infrastruktur so in die Jahre gekommen wie in Genf. Etliche Stadionprojekte scheiterten am Widerstand der Politik, Anschutz zog sich deswegen 2005 irritiert zurück. Es übernahmen McSorley und der kanadische Geschäftsmann Hugh Quennec. Unter dem Duo wirkte der Klub lange stabil, auch wenn die Geldströme teilweise undurchsichtig waren. Servette liess sich etwa vom Gunvor-Konzern um den Putin-nahen russischen Milliardär Gennadi Timtschenko alimentieren.

    Zur Entfremdung zwischen McSorley und Quennec kam es, als Quennec 2012 vom iranischen Phantasten Majid Pishyar für einen Franken den Servette FC übernahm. Der Fussballklub erwies sich als Kostenschleuder, er verschlang Millionen, was Quennec so zuzusetzen schien, dass er irgendwann auch im Eishockey den Überblick verlor. Er hörte auf die falschen Einflüsterer und brach mit McSorley.

    2014 stellte er seinen Weggefährten vor die Wahl: Entweder würde er seine Aktienanteile verkaufen – oder von seinem Doppelmandat als Trainer und Sportchef entbunden. Weil Quennec das Geld fehlte, um McSorley auszuzahlen, bot er ihm den vermutlich bizarrsten Vertrag der Schweizer Sportgeschichte an: eine Verlängerung bis 2023 mit der Option auf fünf weitere Jahre, also bis 2028, 14 Jahre.

    Diese Übereinkunft beschäftigt nun seit mehreren Jahren eine Schar von Anwälten. Der Klub befindet sich unter der neuen Führung des auch den Servette FC kontrollierenden Strippenziehers Didier Fischer in einem erbitterten Rechtsstreit mit McSorley. Fischer leitet die «Fondation 1890», die von der Stiftung des Rolex-Gründers Hans Wilsdorf finanziert wird. Es geht um 7 652 151 Franken, das ist die Restanz der Vertragsjahre, nachdem der Kanadier im August 2020 fristlos entlassen wurde. Die Argumentation des Vereins für die sofortige Trennung wirkt dünn. Sie führt an, dass McSorley nicht Französisch spreche und zu wenig junge Spieler eingebaut habe.

    Eigentlich hatte es so ausgesehen, als ob Fischer und McSorley die Geschicke dieses Klubs zusammen führen würden. Denn als Servette 2018 kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand, versuchte McSorley, den Konkurs zu verhindern – und nicht zuletzt die damit verbundene Nichtigkeit seines eigenen Vertrags. Es heisst, er habe sich damals mit Fi­scher beraten.

    Am Ende übernahm Fischer den Eishockeyklub ohne McSorley, über Nacht und ohne Ankündigung, so erzählt es der Kanadier. Aber er sagt, ihn habe das nur kurz irritiert – schliesslich war der Klub gerettet und in seriösen, lokalen Händen. Doch längst kommunizieren die beiden nur noch über ihre Anwälte, Fischer sagte der NZZ schon 2021: «Wenn er nicht weiss, weshalb die Kündigung ausgesprochen wurde, dann kann er nicht lesen.»

    Inzwischen fordert der Klub gemäss McSorleys Anwalt Cédric Berger eine Rückzahlung von 2,83 Millionen Franken. Die Begründung: Er habe jahrelang ein Salär bezogen, das nicht dem Marktwert entsprochen habe. Es ist nicht das erste Mal, dass der Klub eine Geldforderung stellt: Als McSorley im Sommer 2019 in den Sommerferien weilte, wurde ihm mitgeteilt, dass er seine Freizeit überzogen habe, weshalb ihm nun 17 000 Franken vom Lohn abgezogen würden.

    Seine Seite berichtet davon, dass die neuen Besitzer systematisch versucht hätten, ihn zu zermürben und zur Aufgabe zu zwingen; das Wort Mobbing fällt. Man habe McSorley, als dieser noch Sportchef gewesen sei, den Zutritt zum Stadion untersagt und ihm vorgeschrieben, seine Stunden im Fussballstadion La Praille abzusitzen. Ihm verboten, mit dem ­Teamcar zu reisen. Und ihn am Tag nach Auswärtsspielen in Lugano absichtlich um sieben Uhr morgens zu Sitzungen in Genf bestellt, ­damit er übermüdet aus dem Tessin zurückfahren musste.

    «McSorley ist ein stolzer, ein starker Mann. Und er hat sich nicht brechen lassen. Aber der Umgang hat ihm psychisch zugesetzt, es war keine lustige Zeit», sagt der Anwalt Berger.

    McSorley ist seit bald drei Jahren nicht mehr für Servette tätig, aber es gäbe den Play-off-Finalisten Servette in seiner heutigen Form ohne ihn nicht. Die Mannschaft, die in diesen Tagen nach dem ersten Titel der Klubgeschichte greift, ist untrennbar mit ihm verbunden, zahlreiche Spieler sind von ihm verpflichtet worden. Der Abwehrchef Henrik Tömmernes zum Beispiel und Linus Omark, der Topskorer, dessen Zuzug er an Weihnachten 2019 finalisierte. Deswegen ärgerte er sich so sehr über die Vorhaltung, er beziehe zu viel Ferien: Ausgerechnet er, der Workaholic, der sein Handy nie abstellt und dem es egal ist, wenn an Feiertagen Arbeit anfällt.

    «Allez Servette»

    Seit dem unfreiwilligen Abgang McSorleys hat Servette die Flucht nach vorne gewagt, der Klub leistet sich heute die besten Ausländer der Liga und auch sonst ein teures Kader. Symbolisch dafür steht der Stürmer Alessio Bertaggia, der im Sommer mit einem um die 2,5 Millionen Franken dotierten Fünfjahresvertrag aus Lugano engagiert wurde und trotzdem kaum berücksichtigt wird.

    Neben dem Eis sind es andere Menschen, die heute die Geschichte des Klubs weiterschreiben, Jan Cadieux zum Beispiel, der Coach. Dessen Vater Paul-André einst gemeinsam mit Torriani den Businessplan erstellte, mit dem Anschutz geködert wurde. Torriani sagt: «Ich hoffe, es klappt endlich mit der Meisterschaft. Das wäre so schön für alle, die sich geweigert haben, diesen Klub aufzugeben.»

    Auf dem Schwarzmarkt werden Tickets für ein Vielfaches ihres eigentlichen Werts gehandelt. McSorley, der einst in der Migros die skeptischen Einheimischen mit Gratiseintritten locken musste, meldet sich aus den Ferien in Italien mit einem SMS, das zwei Worte ­enthält: «Allez Servette».

  • Genf finanziell immer etwas unter dem Radar …wenn das so stimmt verdienst du in der Calvin Stadt sehr gutes Geld als Spieler!

    Das hört, bzw. liest die "mit DEM Kader MUSST du in Zürich min. 3 Mal in 7 Jahren Meister werden, weil NUR wir das supi-dupi-teuerste Kader

    ausserhalb der NHL haben" - Fraktion aber nicht sooooooo gerne ..........

  • «Er ist ein mentales Monster»: Der Torhüter Robert Mayer wurde in Davos verstossen – und könnte nun Genf/Servette zu einem historischen Titel führen

    Der Servette-Goalie Robert Mayer erlebt eine erstaunliche Hausse
    Robert Mayer galt als abgeschrieben, als Auslaufmodell. Sein ehemaliger Arbeitgeber Davos zahlt bis heute Geld, damit der Torhüter für einen anderen Klub Pucks…
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    «Er ist ein mentales Monster»: Der Torhüter Robert Mayer wurde in Davos verstossen – und könnte nun Genf/Servette zu einem historischen Titel führen

    Robert Mayer galt als abgeschrieben, als Auslaufmodell. Sein ehemaliger Arbeitgeber Davos zahlt bis heute Geld, damit der Torhüter für einen anderen Klub Pucks stoppt. Doch mit 33 befindet sich Mayer in der Form seines Lebens. Und greift mit Genf/Servette nach dem Meistertitel.

    Im Sommer 2020 wechselt Robert Mayer zum HC Davos. Er ist ein Prestigetransfer des sich im Umbau befindenden Rekordmeisters, die Parteien einigen sich auf einen Vierjahresvertrag, dotiert mit etwas mehr als zwei Millionen Franken. Es ist keine Zufallsverpflichtung: Der Manager Raeto Raffainer und der Torhütertrainer Peter Mettler kennen Mayer aus dem Nationalteam. Gemeinsam schmieden sie einen Plan: Mayer soll sich in Davos zum besten Goalie der Liga entwickeln und zum Nachfolger der beiden Nationalmannschafts-Torhüter Leonardo Genoni / Reto Berra heranwachsen.

    Doch Mayer, heute 33, findet sich in Davos nicht zurecht. Er spielt oft schlecht, es machen Gerüchte die Runde, er sei im Training zu sich selbst gar gnädig und sitze allzu schnell wieder im Auto in Richtung Unterland, wo die Familie lebt. Das Verhältnis zum Trainer Christian Wohlwend ist schon früh belastet, Mayer wird von der Nummer 2, Sandro Aeschlimann, überflügelt.

    Im Play-off weist Mayer die besten Statistiken aller National-League-Torhüter aus

    Nach einer Saison zum Vergessen teilt Wohlwend ihm telefonisch mit: Für den HCD werde er nie wieder spielen. Obwohl der Vertrag noch drei Jahre läuft. Kurz darauf verpflichtet Davos mit Gilles Senn einen weiteren teuren Torhüter. Monatelang wird Mayer auf dem Markt angeboten, eine Lösung findet sich nicht. Dann landet er leihweise bei den SCL Tigers, wo ihm die Gegenspieler das Tornetz füllen, weil in Langnau im Winter 2021/22 die Niederlagen ein bisschen egal sind – es gibt ja keinen Absteiger.

    Im Dezember unterschreibt er für die Saison 2022/23 einen Vertrag bei Genf/Servette, jenem Klub, den er einst in Richtung Davos verlassen hatte. Mayer soll Gauthier Descloux absichern, die Nummer 1. Doch inzwischen hat er das interne Duell für sich entschieden. Der damals in Davos entworfene Plan wird mit ein paar Jahren Verspätung gerade doch noch Wirklichkeit: dass sich Mayer zum besten Torhüter der Liga aufschwingt. Zumindest in den laufenden Play-offs ist er das, seine Fangquote liegt bei beneidenswerten 94,44 Prozent. Sie dürften darob nicht zuletzt in Davos staunen: Der HCD zahlt bis heute einen Teil des Lohns – das war der Preis, um ihn loszuwerden. Heute lässt sich festhalten: Den Verantwortlichen ist es bemerkenswerterweise gelungen, sich bei Mayer gleich mehrfach zu täuschen.

    Am Freitag, ein paar Minuten nach dem 2:1-Auftaktsieg in der Finalserie gegen den EHC Biel, steht der Servette-Verteidiger Roger Karrer in den Katakomben der Les-Vernets-Halle und sagt: «Er ist ein mentales Monster. Wahnsinn, was er im Moment alles rauskratzt.»

    Männer mit Torhütermasken sind spätestens seit den 1980er Jahren und dem Serienmörder Jason Voorhees im Horrorfilm «Freitag, der 13.» Stoff von Albträumen, daher ist die Monster-Analogie möglicherweise schon zutreffend. Weil es sein kann, dass heute auch der Chancentöter Mayer seine Gegenspieler nachts heimsucht.

    Mayer ist nicht der erste Torhüter, der Play-offs wie im Rausch erlebt, als eine Abfolge von Wochen, in denen er scheinbar nichts falsch machen kann, keine Bewegung. Es ist möglich, dass ihn die Realität wieder einholt, schon am Sonntag in Biel – oder im Herbst, in den Mühlen der Qualifikation. Und bestimmt profitiert er auch davon, dass er von Weltklasseverteidigern abgeschirmt wird, von Henrik Tömmernes zum Beispiel. Doch derzeit löst Mayer trotzdem ein altes Versprechen ein.

    Denn schon in jungen Jahren hatte er als grosse Zukunftshoffnung des Landes gegolten. Das Einwandererkind, welches im Alter von vier Jahren von Tschechien in die Schweiz dislozierte. «In Tschechien war ich der Schweizer, hier der Tscheche», sagte er der «Berner Zeitung» einst. Aber im Tor, da spielte die Herkunft keine Rolle, da war er einfach nur ein sehr guter Goalie.

    Ein Quad-Unfall hätte ihn 2017 beinahe das Leben gekostet

    Mit 19 erhält er einen Vertrag in der Organisation der Montréal Canadiens. Vier Winter lang spielt er für das Farmteam Hamilton Bulldogs, ehe er 2013 in die Schweiz zurückkehren will. Er unterschreibt einen Vertrag im EHC Biel, dort soll er den seinerseits nach Nordamerika abwandernden Reto Berra ersetzen. Doch ein Anruf von Marc Bergevin, dem General Manager der Canadiens, verändert alles: Man setze auf ihn, er solle auf keinen Fall zurück nach Europa wechseln. Also löst Mayer die Übereinkunft in Biel wieder auf. Bald muss aber auch er realisieren, dass Versprechungen in Übersee nicht immer gleich viel wert sind: In der NHL spielt er keine Minute.

    Ein Jahr später folgt der erste Wechsel nach Genf, wo die Leistungen meist ordentlich, aber selten überdurchschnittlich sind. Für Schlagzeilen sorgt 2017 in erster Linie ein sommerlicher Quad-Unfall in Kanada, der ihn fast das Leben gekostet hätte: Mit 80 km/h rast Mayer in einen Baum und zieht sich schwere Verletzungen zu. Trotzdem fährt erst einmal nach Hause, um zu duschen. Im Spital sagen ihm die Ärzte später, dass er verblutet wäre, hätte er sich auch nur eine Stunde mehr Zeit gelassen. Sie diagnostizieren ein Loch in der Lunge, sechs gebrochene Rippen und etliche Quetschungen.

    Mayer hatte Glück, dass er weiterspielen konnte. Dass ihn die Ärzte wieder zusammenflickten und ihn die Kollision nicht mehr kostete als ein paar Tage, in denen er so mit Verbänden zugekleistert war, dass er ein bisschen wie ein Monster aussah, temporär. So wie er das heute für die Profis des EHC Biel tut.


  • Biels Matchwinner Damien Brunner war jahrelang der spektakulärste Spieler im Schweizer Eishockey – kann er seine unvollendete Karriere mit 37 krönen?

    EHC Biel: Brunners langer Anlauf zum Held eines Play-off-Finals
    Der Zürcher Damien Brunner ist sehr hoch geflogen, er war Liga-Topskorer und schaffte es bis in die NHL. Vielleicht vermag er sich im Spätherbst dieser famosen…
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    Biels Matchwinner Damien Brunner war jahrelang der spektakulärste Spieler im Schweizer Eishockey – kann er seine unvollendete Karriere mit 37 krönen?

    Der Zürcher Damien Brunner ist sehr hoch geflogen, er war Liga-Topskorer und schaffte es bis in die NHL. Vielleicht vermag er sich im Spätherbst dieser famosen Laufbahn doch noch zu einem Meistertitel zu schiessen.

    Fünf Jahre sind vergangen, seit Damien Brunner seinen Vertrag im HC Lugano aufgelöst hat. Die Tessiner hatten Brunner, heute 37, im Dezember 2014 zum bis dato teuersten Spieler in der Geschichte des Schweizer Eishockeys gemacht; inklusive Prämien konnte es Brunner auf ein siebenstelliges Salär bringen.

    Eine Million Franken, das ist viel Geld dafür, zwischen Ambri und Lausanne einem Puck hinterherzujagen. Aber das Glück fand er in der Resega trotz üppiger Entlöhnung nicht. Brunner kämpfte mit gesundheitlichen Problemen, wurde vom heutigen Nationalcoach Patrick Fischerblossgestellt und musste als Sündenbock herhalten.

    Die Flucht aus New Jersey kommt Brunner teuer zu stehen

    Der vorzeitige Abgang kostete ihn viel Geld – und das nicht zum ersten Mal: Als er 2014 die New Jersey Devils mitten in der Saison verliess, hatte er auf 1,3 Millionen Dollar verzichtet. Die Abschreibungen hat Brunner nie bereut, er hatte es in New Jersey einfach nicht mehr ausgehalten. Unter einem längst abgelösten Regime von fast militärischer Strenge fand er keine Entfaltung, die Kreativität wurde erstickt.

    In den Verträgen standen allerlei eigenartige Dekrete. Dass Bärte nur in den Play-offs erlaubt sind. Dass man Twitter und Facebook nicht aktiv nutzen darf. Dass das Haupthaar maximal bis zu den Ohren reichen darf. Dass auf Reisen auch an freien Tagen Anzugspflicht herrscht. Dass Rückennummern höher als 30 nur in Ausnahmefällen gewählt werden dürfen. «In dieser Organisation werden die Dinge so gemacht, wie ich es sage. Wem das nicht passt, kann gehen», sagte der Generalmanager Lou Lamoriello.

    Dem Freigeist Brunner passte es nicht; er ging, was nur konsequent war für einen, der Eishockey immer als das begriffen hat, was es ist: ein Spiel. Und erst in zweiter Linie ein Job. Er musste weg, den Kopf frei bekommen.

    In Lugano war es drei Jahre später wieder so.

    In New Jersey und im Tessin suchte Brunner vergeblich jene Leichtigkeit, die ihn überhaupt erst in die NHL katapultiert hatte. 2012 war er der erste Schweizer Liga-Topskorer seit 30 Jahren und hatte den EV Zug fast im Alleingang zurück zu sportlicher Relevanz geführt. Mit seinem Spielwitz bot er praktisch jeden Abend Spektakel, es sah so wahnsinnig einfach aus, wie er mit seinen Taschenspielertricks die gegnerischen Abwehrreihen düpierte. Hier ein Hattrick, da eine Handvoll Assists und dort Widersacher, denen nur das Staunen blieb.

    Sogar der während des NHL-Lockouts in Zug gastierende schwedische Weltstar Henrik Zetterberg sagte anerkennend: «Er hat die rare Gabe, aus wirklich jeder Situation Tore zu erzielen.»

    Mit Brunners Krankenakte liesse sich ein Sachbuch füllen

    Damien Brunner entwuchs der hiesigen Liga, er war unterfordert. Die Lichtgestalt Steve Yzerman, damals Generalmanager des heutigen Serienmeisters Tampa Bay Lightning, versuchte ihn im Einzelgespräch für einen Wechsel nach Florida zu begeistern. Doch der Stürmer entschied sich für Detroit, den Arbeitgeber Zetterbergs. Warum auch nicht?

    Es wirkte, als stünde Brunner die Welt offen. Ihm, der in Kloten einst sträflich verkannt und 2008 im einseitigsten Tauschgeschäft der Schweizer Eishockeygeschichte nach Zug weitergereicht worden war – er nach Zug und der Ergänzungsspieler Thomas Walser nach Kloten –, weil der Trainer Anders Eldebrink im Schluefweg keine Verwendung für ihn fand. Erst durch diesen Transfer begann sein kometenhafter Aufstieg.

    Doch die Form und vor allem die Konstanz aus Zuger Tagen suchte er danach lange vergeblich. Brunner kämpfte mit einer enormen Erwartungshaltung. Und seinem eigenen Körper. Die Krankenakte ist umfassend: gerissenes Syndesmoseband, Beinbruch, chronische Darmentzündung, Gehirnerschütterung, kaputte Hand, Kiefer- und Blinddarmoperation.

    Von den neun Spielzeiten seit der Rückkehr in die Schweiz konnte er nur eine einzige ganz bestreiten; sonst war er im ewig gleichen Kreislauf gefangen: Aufbau – Form und Rhythmus suchen – Optimismus – nächste Blessur. Immer wieder verletzte er sich zur Unzeit, kurz vor oder in den Play-offs. Meister wurde er nie, in den Final schaffte er es ein einziges Mal. Er, der mitreissendste Schweizer National-League-Stürmer seiner Generation.

    Vor ein paar Wochen, in der Viertelfinalserie gegen Bern, war es wieder so weit: Brunner erlitt eine Muskelverletzung, nach einer MRI-Untersuchung lautete die Diagnose auf vier Wochen Zwangspause, es drohte das Saisonende. Brunner hadert selten, aber nach diesem neuerlichen Nackenschlag sagte er: «Ich weiss wirklich nicht, was ich falsch mache. Warum es immer mich trifft.»

    Doch er kämpfte sich sehr schnell zurück und stand dem EHC Biel schon im erstaunlich locker gewonnenen Halbfinal gegen die ZSC Lions wieder zur Verfügung. Brunner hat keine Zeit zu verlieren, er weiss, dass das vermutlich seine letzte Chance auf einen Titelgewinn ist. Er sagt: «Es bedeutet mir viel, diesen Final spielen zu können, denn ich habe lange auf diese Chance gewartet. Die Verletzungen gehören zu meiner Geschichte, zu meiner Karriere, da gab es ein paar richtig harte Augenblicke.» Er habe das Glück gehabt, immer Menschen um sich zu haben, die ihn mental und physisch wieder aufgerichtet hätten. Manchmal machten sein Körper, seine Muskeln einfach nicht mit. «Ich musste lernen, mich damit abzufinden. Heute bin ich relaxt und kann den Moment geniessen.»

    Eine Stunde bevor Brunner diese Worte spricht, hat er Spiel 2 der Finalserie praktisch im Alleingang entschieden: Zum 3:2-Sieg gegen Genf/Servette steuert er zwei Tore bei, darunter den entscheidenden Treffer 7,4 Sekunden vor Schluss. Es ist die Rückkehr der Vintageversion Brunners, der Abend wirkt so, als hätte Marty McFly aus «Zurück in die Zukunft» seine Zeitmaschine angeworfen und die Tissot-Arena und ihre 6562 Zuschauer um zehn Jahre zurückgeschleudert.

    Biel ist das perfekte Biotop für den sensiblen Künstler Brunner

    Dass Brunner einen goldenen Spätherbst der Karriere verlebt, hängt stark mit seinem Arbeitgeber zusammen. Er hatte auch andere Angebote, als er Lugano verliess. Doch er mochte die Bieler Unaufgeregtheit, das ausgeprägte Flair der Organisation für das spielerische Element.

    Im Gegenschnitt mit den Devils von einst wirkt Biel wie die Antithese: ein Klub, dessen sportliche Abteilung vom Sportchef Martin Steinegger und vom Trainer Antti Törmänen geleitet wird, zwei Männern, die ihr Personal dazu ermutigen, etwas zu wagen und den Instinkten zu vertrauen. Und die zum Lachen nicht in den Keller gehen. Steinegger sagt: «Damien ist ein Spieler, der sich wohl fühlen und das Vertrauen spüren muss. Bei uns ist das der Fall.»

    Steinegger skizziert eine gewisse Fragilität, einen sensiblen Künstler, und diese Facette hat es bei Brunner immer gegeben. Einst wurde ihm überbordendes Selbstvertrauen vorgehalten, gegnerische Fans konnten sich ewiglich an ihm abarbeiten. Aber sie missverstanden dieses Faszinosum, das bis heute eine fast kindliche, ansteckende Spielfreude ausstrahlt. Und sich nicht scheut, seine Emotionen zu zeigen, warum auch?

    Brunner sagt: «Ich habe sofort gemerkt, dass das mit Biel passt. Die Atmosphäre ist familiär, man schaut aufeinander. Und wenn einem etwas nicht gefällt, kann man das ansprechen, ohne dass jemand beleidigt ist. Ich fühle mich hier zu Hause.»

    Es ist in Biel ruhiger geworden um Damien Brunner. In Zug und in der NHL war der Rummel phasenweise gross gewesen, ein Schweizer Ausrüster ermunterte ihn, eine eigene Produktlinie zu lancieren. Es wurde nicht das grosse Geschäft, Brunner ist keiner dieser schmierigen Selbstvermarkter, man liest von ihm und seiner Frau, der Weltklasse-Beachvolleyballerin Nina Brunner, keine Homestorys in der «Schweizer Illustrierten». Er sucht nicht das Scheinwerferlicht, sondern spielt Eishockey, weil er diesen Sport liebt und sehr gut beherrscht. Und es ihm oft gelingt, auf dem Eis Spass zu haben, das ist augenfällig.

    Für den EHC Biel ist es die Final-Premiere, auch der Verein wartet im Play-off-Zeitalter auf seinen ersten grossen Wurf, das passt zu dieser Romanze. Es schien lange so, als ob Brunner diesen Preis zahlen müsste, um im Idyll zu spielen: Dass sein Klub sportlich halt nicht ganz mit den Schwergewichten der Liga mithalten kann, weil immer irgendwas fehlt, in erster Linie Geld.

    Aber nach einem verblüffenden Winter ist es jetzt doch möglich, dass Brunner seine fabelhafte Karriere in den nächsten Tagen im Bieler Dress krönt. Und wenn nicht, dann bleibt ihm immerhin dieser so langersehnte, rauschhafte Sonntagabend, an dem er Biel die Hoffnung zurückbrachte. Und die Leichtigkeit, als wäre es das Jahr 2013.


  • Adler Sherkan, Genfer Cheerleader und Deutschschweizer Eifersucht: Was den Schweizer Eishockey-Final auch ausmacht

    Der HC Genf/Servette versprüht im Play-off-Final schrägen Flair
    Auch nach vier Duellen ist nicht absehbar, ob der Schweizer Meister Genf/Servette oder Biel heissen wird. In der Finalserie steht es 2:2. Aber gewiss ist, dass…
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    Adler Sherkan, Genfer Cheerleader und Deutschschweizer Eifersucht: Was den Schweizer Eishockey-Final auch ausmacht

    Auch nach vier Duellen ist nicht absehbar, ob der Schweizer Meister Genf/Servette oder Biel heissen wird. In der Finalserie steht es 2:2. Aber gewiss ist, dass das ungewohnte Duell eine Bereicherung darstellt.

    Am Donnerstagabend steht ein Reporter eines Deutschschweizer Medienunternehmens in der Bieler Tissot-Arena. Er blickt ein bisschen betreten auf seinen Notizblock und sagt, in der Redaktion hätten sie ihm mitgeteilt, dass der Text zum Qualifikationsspiel zwischen den SCL Tigers und den Rapperswil-Jona Lakers in Runde 18 bei der Leserschaft mehr Klicks generiert habe als die Artikel zu diesem Play-off-Final zwischen Biel und Genf/Servette.

    So ist das offenbar, jetzt, wo im Schweizer Eishockey in der entscheidenden Phase für einmal vorwiegend Französisch gesprochen wird. Auf den Rängen und an den Stammtischen der Anhänger jedenfalls – auf dem Eis lassen sich die frankofonen Spieler in den Kollektiven kumuliert an zwei Händen abzählen. «Watson» spottete schon, es handle sich keineswegs um ein welsches Endspiel, sondern «um einen Play-off-Final der Zürcher». Jetzt, wo erstmals seit La Chaux-de-Fonds 1973 wieder ein Team aus der Romandie den Titel holen könnte. Wobei diese Spitze ja vermutlich auch kaum jemand gelesen hat, ganz anders als den Spielbericht zwischen Langnau und den Lakers vom 31. Oktober, 3:5 übrigens, wobei Sie das ja bestimmt wussten.

    Einer, der mit «Watson» zu konspirieren scheint, ist Marco Maurer, ein Zürcher Verteidiger in Genfer Diensten. Er sagt: «Früher war es bei Servette Pflicht, in der Kabine Französisch zu reden, der Captain Goran Bezina bestand darauf. Aber heute brauche ich diesen Wortschatz eigentlich kaum mehr, die Garderobensprache ist Englisch.» Unabhängig von der Sprache scheint Maurer, 35, interessante Wörter zu kennen: Er wurde am Donnerstag in Biel noch im ersten Drittel für eine Schiedsrichterbeleidigung unter die Dusche geschickt, was sehr selten vorkommt in diesem Sport.

    Die Tickets für Spiel 5 vom Samstag waren innert acht Minuten ausverkauft

    Was die Watson-Schlagzeile aber vor allem aussagte ist, dass es in der Deutschschweiz diesen Reflex zu geben scheint: Dringend bei erster Gelegenheit versuchen, diesen Play-off-Final irgendwie für sich zu vereinnahmen, weil hier noch ein Walliseller ein Tor erzielt hat und dort ein Berner Sportchef ist. Dabei ist es doch genau der Reiz dieses Finals, dass für einmal nicht die ewigen Hockey-Zentren Zürich, Bern, Davos und zuletzt Zug im Fokus stehen. Dass andere Städte die Sogwirkung eines Play-off-Finals erleben, eines Titels vielleicht sogar, der prägend für Generationen sein kann. In Genf waren die 7135 Tickets für Spiel 5 vom Samstag innert acht Minuten ausverkauft.

    Gerade Genf bringt einiges an ungewohntem, schrägem Flair in diese Finalserie. In Les Vernets, diesem Wellblech-Zweckbau, sind die Uhren einfach irgendwann stehen geblieben, und zwar nicht nur, weil die Halle 1954 erbaut wurde und längst aus der Zeit gefallen ist. Noch immer fliegt vor jedem Spiel der Fischadler Sherkan quer durch das Stadion und ist so etwas wie der heimliche Star dieses Klubs. Auf den Rängen tanzen auch im Frühjahr 2023 Cheerleader, während in den USA, wo dieser Trend einst begann, inzwischen etliche Klubs auf Tänzerinnen mit Pom-Poms verzichten – es gibt Menschen, die finden, das vermittelte Frauenbild entspringe so ungefähr dem Jahr des Genfer Stadionbaus.

    Sherkan und die Cheerleader sind Relikte aus der Ära von Chris McSorley, der viel unternahm, um die dem Eishockey gegenüber lange skeptisch eingestellte Bevölkerung zum Ticketkauf zu bewegen. Tiere und tanzende Frauen, das waren jahrzehntelang amerikanische Synonyme dafür, wie man eine schnöde Sportveranstaltung um öffentlichkeitswirksame Showelemente erweitern kann.

    McSorley muss man darüber nichts erzählen, er spielte und coachte jahrelang im Entertainmenthimmel Las Vegas. In Genf erinnert heute sonst wenig an ihn; der Klub hat ihn im August 2020 fristlos entlassen; seither liefern sich die Parteien einen erbitterten Rechtsstreit um 7,6 Millionen Franken, der bald in die nächste Runde gehen wird.

    Den Stadionsprecher hat nicht McSorley ausgesucht, obwohl das nicht überraschen würde. Der Verein hat diesen offenkundig beim Luna-Park auf dem Plainpalais eingesammelt, es ist ein Mann, der mit der Atemlosigkeit des Besitzers einer Putschautobahn unentwegt «Macht ein Maximum an Lärm!!!» ins Mikrofon brüllt. So als müsste das Publikum noch lernen, wie das geht: Sport und Emotionen. Was natürlich Unsinn ist – es ist immerhin die bereits vierte Finalteilnahme dieses Klubs.

    Servette ist die teurere – und bisher auch die bessere Mannschaft

    Noch immer ist unklar, ob diese Serie für Genf/Servette ein besseres Ende nimmt als in den ersten drei Anläufen: 2021 verlor das Team 1:3 gegen Zug, 2010 3:4 gegen Bern und 2008 2:4 gegen die ZSC Lions. Aber nach vier Duellen mit Biel lässt sich sagen, dass die edler besetzte und teurere Mannschaft, also Servette, bisher besser ist. Das Schussverhältnis lautet 145:89 für die Genfer, sie lagen in dieser Hinsicht in jeder Partie deutlich vorne; Biel war insbesondere mit dem 2:1-Sieg nach Verlängerung vom Dienstag sehr gut bedient. Servette gelang am Donnerstag mit einem 3:2 das nicht unverdiente Rebreak.

    Der Traum vom ersten Titel im 118-jährigen Bestehen des Klubs lebt also weiter. Und es fragt sich, ob dann ein altes Versprechen eingelöst wird: Jacques-Olivier Travers, der Mann, auf dessen Kommando Sherkan sich durch Les Vernets schwingt, sagte einst, er wolle das Kunststück so lange aufführen, bis Servette einmal Meister geworden sei. Es fehlen nur noch zwei Siege.

  • [quote='Ouimet','https://forum.zscfans.ch/thread/2907-playoffs-allgemein/?postID=161669#post161669']

    Adler Sherkan, Genfer Cheerleader und Deutschschweizer Eifersucht: Was den Schweizer Eishockey-Final auch ausmacht

    https://www.nzz.ch/sport/ein-adle…wird-ld.1734564

    Adler Sherkan, Genfer Cheerleader und Deutschschweizer Eifersucht: Was den Schweizer Eishockey-Final auch ausmacht

    Auch nach vier Duellen ist nicht absehbar, ob der Schweizer Meister Genf/Servette oder Biel heissen wird. In der Finalserie steht es 2:2. Aber gewiss ist, dass das ungewohnte Duell eine Bereicherung darstellt.

    Am Donnerstagabend steht ein Reporter eines Deutschschweizer Medienunternehmens in der Bieler Tissot-Arena. Er blickt ein bisschen betreten auf seinen Notizblock und sagt, in der Redaktion hätten sie ihm mitgeteilt, dass der Text zum Qualifikationsspiel zwischen den SCL Tigers und den Rapperswil-Jona Lakers in Runde 18 bei der Leserschaft mehr Klicks generiert habe als die Artikel zu diesem Play-off-Final zwischen Biel und Genf/Servette.

    So ist das offenbar, jetzt, wo im Schweizer Eishockey in der entscheidenden Phase für einmal vorwiegend Französisch gesprochen wird. Auf den Rängen und an den Stammtischen der Anhänger jedenfalls – auf dem Eis lassen sich die frankofonen Spieler in den Kollektiven kumuliert an zwei Händen abzählen. «Watson» spottete schon, es handle sich keineswegs um ein welsches Endspiel, sondern «um einen Play-off-Final der Zürcher». Jetzt, wo erstmals seit La Chaux-de-Fonds 1973 wieder ein Team aus der Romandie den Titel holen könnte. Wobei diese Spitze ja vermutlich auch kaum jemand gelesen hat, ganz anders als den Spielbericht zwischen Langnau und den Lakers vom 31. Oktober, 3:5 übrigens, wobei Sie das ja bestimmt wussten.

    Einer, der mit «Watson» zu konspirieren scheint, ist Marco Maurer, ein Zürcher Verteidiger in Genfer Diensten. Er sagt: «Früher war es bei Servette Pflicht, in der Kabine Französisch zu reden, der Captain Goran Bezina bestand darauf. Aber heute brauche ich diesen Wortschatz eigentlich kaum mehr, die Garderobensprache ist Englisch.» Unabhängig von der Sprache scheint Maurer, 35, interessante Wörter zu kennen: Er wurde am Donnerstag in Biel noch im ersten Drittel für eine Schiedsrichterbeleidigung unter die Dusche geschickt, was sehr selten vorkommt in diesem Sport.

    Die Tickets für Spiel 5 vom Samstag waren innert acht Minuten ausverkauft

    Was die Watson-Schlagzeile aber vor allem aussagte ist, dass es in der Deutschschweiz diesen Reflex zu geben scheint: Dringend bei erster Gelegenheit versuchen, diesen Play-off-Final irgendwie für sich zu vereinnahmen, weil hier noch ein Walliseller ein Tor erzielt hat und dort ein Berner Sportchef ist. Dabei ist es doch genau der Reiz dieses Finals, dass für einmal nicht die ewigen Hockey-Zentren Zürich, Bern, Davos und zuletzt Zug im Fokus stehen. Dass andere Städte die Sogwirkung eines Play-off-Finals erleben, eines Titels vielleicht sogar, der prägend für Generationen sein kann. In Genf waren die 7135 Tickets für Spiel 5 vom Samstag innert acht Minuten ausverkauft.

    Gerade Genf bringt einiges an ungewohntem, schrägem Flair in diese Finalserie. In Les Vernets, diesem Wellblech-Zweckbau, sind die Uhren einfach irgendwann stehen geblieben, und zwar nicht nur, weil die Halle 1954 erbaut wurde und längst aus der Zeit gefallen ist. Noch immer fliegt vor jedem Spiel der Fischadler Sherkan quer durch das Stadion und ist so etwas wie der heimliche Star dieses Klubs. Auf den Rängen tanzen auch im Frühjahr 2023 Cheerleader, während in den USA, wo dieser Trend einst begann, inzwischen etliche Klubs auf Tänzerinnen mit Pom-Poms verzichten – es gibt Menschen, die finden, das vermittelte Frauenbild entspringe so ungefähr dem Jahr des Genfer Stadionbaus.

    Sherkan und die Cheerleader sind Relikte aus der Ära von Chris McSorley, der viel unternahm, um die dem Eishockey gegenüber lange skeptisch eingestellte Bevölkerung zum Ticketkauf zu bewegen. Tiere und tanzende Frauen, das waren jahrzehntelang amerikanische Synonyme dafür, wie man eine schnöde Sportveranstaltung um öffentlichkeitswirksame Showelemente erweitern kann.

    McSorley muss man darüber nichts erzählen, er spielte und coachte jahrelang im Entertainmenthimmel Las Vegas. In Genf erinnert heute sonst wenig an ihn; der Klub hat ihn im August 2020 fristlos entlassen; seither liefern sich die Parteien einen erbitterten Rechtsstreit um 7,6 Millionen Franken, der bald in die nächste Runde gehen wird.

    Den Stadionsprecher hat nicht McSorley ausgesucht, obwohl das nicht überraschen würde. Der Verein hat diesen offenkundig beim Luna-Park auf dem Plainpalais eingesammelt, es ist ein Mann, der mit der Atemlosigkeit des Besitzers einer Putschautobahn unentwegt «Macht ein Maximum an Lärm!!!» ins Mikrofon brüllt. So als müsste das Publikum noch lernen, wie das geht: Sport und Emotionen. Was natürlich Unsinn ist – es ist immerhin die bereits vierte Finalteilnahme dieses Klubs.

    Servette ist die teurere – und bisher auch die bessere Mannschaft

    Noch immer ist unklar, ob diese Serie für Genf/Servette ein besseres Ende nimmt als in den ersten drei Anläufen: 2021 verlor das Team 1:3 gegen Zug, 2010 3:4 gegen Bern und 2008 2:4 gegen die ZSC Lions. Aber nach vier Duellen mit Biel lässt sich sagen, dass die edler besetzte und teurere Mannschaft, also Servette, bisher besser ist. Das Schussverhältnis lautet 145:89 für die Genfer, sie lagen in dieser Hinsicht in jeder Partie deutlich vorne; Biel war insbesondere mit dem 2:1-Sieg nach Verlängerung vom Dienstag sehr gut bedient. Servette gelang am Donnerstag mit einem 3:2 das nicht unverdiente Rebreak.

    Der Traum vom ersten Titel im 118-jährigen Bestehen des Klubs lebt also weiter. Und es fragt sich, ob dann ein altes Versprechen eingelöst wird: Jacques-Olivier Travers, der Mann, auf dessen Kommando Sherkan sich durch Les Vernets schwingt, sagte einst, er wolle das Kunststück so lange aufführen, bis Servette einmal Meister geworden sei. Es fehlen nur noch zwei Siege.

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    Mir imponierte die Zusammensetzung und die Spielweise von Genf und hätte gerne einige Spieler von ihnen oder ähnliche Spieler in unserem Kader!

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