- Offizieller Beitrag
Wie weiter mit Ludovic Magnin?
Beim FC Zürich gibt es schon früh in der Saison eine Trainer-Diskussion. Das liegt nicht nur am schlechten Saisonstart.
Flurin Clalüna (NZZ)
Seit bald eineinhalb Jahren ist Ludovic Magnin Trainer des FC Zürich. Es ist vielleicht nur eine maliziöse Zufälligkeit: Aber genau so lange können sich die Trainer beim Präsidenten Ancillo Canepa im Durchschnitt im Job halten. Und nach nur drei Runden und zwei Niederlagen in der neuen Saison wird nun tatsächlich über Magnins Zukunft diskutiert. Vor 15 Jahren war der FCZ letztmals nach drei Runden Tabellenletzter. Schon im Frühling hatte Magnin eine Bewährungschance benötigt, um eine Krise durchzustehen, die erste als Profitrainer. Und jetzt braucht er wieder einen Vertrauensvorschuss. Das sind viele Krisen in wenig Zeit.
Am Anspruch gescheitert
Canepa sagt zwar im «Blick»: «Nach drei Runden in Panik zu verfallen, wäre wohl das Dümmste, was wir tun könnten.» Aber abgesehen davon, dass Canepa mit Urs Meier im Sommer vor vier Jahren schon einmal einen Trainer nach bloss drei Spieltagen freigestellt hat: Der schlechte Saisonstart ist gar nicht einmal Magnins grösstes Problem. Denn Magnin hat ja recht, wenn er sagt, dass der FCZ phasenweise gut gespielt hat. Diese Analyse muss man Magnin zugestehen, ohne ihm gleich Schönfärberei zu unterstellen.
Aber Magnin ist bereits angezählt in die neue Saison gegangen, und nun läuft der Countdown einfach weiter, denn es sind nicht diese letzten drei Runden, die ihn krisenanfällig machen, sondern die Gesamtbilanz der letzten Monate. Da braucht es nicht viel, ein paar Blackouts der Spieler, ein neuer Trainer-Staff, der sich noch nicht gefunden hat, eine offensiv kommunizierte Erwartungshaltung der Vereinsführung oder einen gedanklich abwesenden Spieler wie Benjamin Kololli, der während der Woche in Kosovo heiratet. Und schon ist sie wieder da, die Vertrauenskrise.
Im Jahr 2019 hat Magnin nur fünf von 21 Meisterschaftspartien gewonnen. Seit Mitte Mai ist er sieglos. Wie man seine Bilanz auch liest, und was man auch beurteilt, die Spielkultur, die Jugendförderung oder bloss die Resultate: Der FCZ hat sich mehr von Magnin erhofft. Aus dem Insidertipp ist kein neuer Lucien Favre geworden. Es ist ein Wunderglaube, dass welsche Trainer wie Favre, Bernard Challandes oder Daniel Jeandupeux in Zürich besonders gut funktionieren. Aber bei Magnin klappt es nicht.
Punktuell war er zwar erfolgreich, im Cup-Final 2018 gegen die Young Boys oder im Europacup vor allem gegen Bayer Leverkusen. Aber verpflichtet hat man ihn vor allem dafür: Um den anspruchsvollen Fussballstil des Klubs wiederzubeleben und ihn wieder näher an die Spitze mit Basel und YB heranzuführen. Daran ist Magnin bisher gescheitert, so wie die meisten seiner Vorgänger. Seit dem letzten Meistertitel vor zehn Jahren haben sich die Zürcher nur zwei Mal in den Top 3 klassiert. Und viele Nachwuchsspieler mehr als sein Vorgänger Uli Forte hat Magnin bisher nicht zu Stammspielern gemacht.
Magnin erlebte mit dem FCZ einen goldenen Herbst 2018, einen Indian Summer, als die Mannschaft so schön leuchtete wie ein bunter Laubwald. Aber insgesamt waren es wenige gute Monate und viele mittelmässige oder schlechte. Und dafür gab es immer wieder andere Erklärungen: Anfangsschwierigkeiten, Verletzungssorgen, Europacup-Belastungen, die Formschwäche einzelner Spieler. Nur an einem wollte Magnin nie zweifeln: dass seine Mannschaft eigentlich gut ist.
Er sagt es auch jetzt wieder und nimmt dafür in Kauf, dass man sich im Umkehrschluss fragen muss: Wenn die Spieler gut genug sind, muss es dann also am Trainer liegen? Es ist die Kardinalfrage beim FCZ: Ob der Klub für eine – gemäss Selbsteinschätzung – talentierte Mannschaft erst noch den passenden Trainer finden muss. Oder ob es diesen Trainer gar nicht gibt, weil diese Mannschaft doch nicht genügt, um die hohen Ansprüche des Klubs zu rechtfertigen.
Oder noch weiter gedacht: Ob der FCZ mit seiner Struktur und seinen Möglichkeiten solche Ambitionen überhaupt haben darf. Alle fünf neuen Spieler kamen in diesem Sommer ablösefrei nach Zürich. Anderes, teureres Personal konnte oder wollte sich der Verein nicht leisten. Und so wie Canepa kommuniziert, öffnet sich immer wieder ein Gap zwischen Erwartungen und Realität.
Aus Canepas Reagenzglas
Sollte sich Canepa bei anhaltendem Misserfolg von Magnin trennen wollen, ist eines absehbar: Es könnte emotional die schwierigste Entlassung seiner bald 13-jährigen Amtszeit werden. Das Timing einer solchen Massnahme ist immer schwierig, oft erfolgt sie zu spät wie bei Sami Hyypiä oder zu früh wie bei Urs Fischer. Aber bei Magnin fällt etwas anderes noch stärker ins Gewicht: Er ist so etwas wie der Adoptivsohn des Ehepaars Heliane und Ancillo Canepa. Und wenn jemand zur Familie gehört, ist eine Trennung besonders schmerzhaft und die Enttäuschung grösser als sonst.
Kommt hinzu, dass ein Experiment gescheitert wäre: Magnin war gewissermassen ein Trainer im Reagenzglas, einer, den die Canepas während mehrerer Jahre behutsam im eigenen Nachwuchs aufgebaut hatten. Sie hatten sich vorgestellt, ihn als Cheftrainer weiter formen und seine Emotionalität eindämmen zu können. «Ich habe mich in den letzten Jahren dort verbessert, wo sie es wollten, sagte Magnin bei seiner Vorstellung im Februar vor einem Jahr. Sie: Das sind die Canepas. Die Neigung zum Cholerischen war vom ersten Tag Magnins klare Schwäche, und sie ist bisher nicht derart abgeflaut, wie es nötig wäre, um aus einem talentierten Jungtrainer einen anderen, einen besseren Coach zu machen.
Als Magnin damals Chefcoach wurde, lief seine Wahl ohne Gegenkandidaten oder grössere Vernehmlassung ab. Und seither fühlt sich Magnin verpflichtet, dieses ungewöhnliche Vertrauen zurückzuzahlen. Das ist eine emotional aufgeladene Situation in einem emotionalisierten Verein.
Vertrag endet 2020
Es ist absehbar, dass Canepa länger zuwarten und geduldiger sein könnte als in früheren Fällen. Anfang Jahr sagte Magnin über die Canepas im Interview mit der NZZ: «Sollten sie mich einmal nicht mehr wollen – wir werden es trotzdem gut haben.» Dennoch ist die Trennung von Magnin für Canepa noch ein verbotener Gedanke, weil er auch persönlich so viel riskiert hat und eine gewagte Wette auf ihn einging. Aber wie man auch immer zu einer Trennung steht: Die Frage, wie es mit Magnin weitergehen wird, kommt ohnehin bald aufs Tapet, und sie wird die ganze Saison nicht mehr verschwinden, weil sein Vertrag im nächsten Sommer ausläuft. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wird sich Canepa entscheiden müssen: Für Magnin. Oder gegen ihn.