- Offizieller Beitrag
Analyse Der Aufstieg des FCZ vom Abstiegskampf in den Europacup hat einiges mit der Neuausrichtung in der Vereinsführung zu tun – und viel mit dem neuen Trainer. Von Peter Bühler
Vom FC Canepa/Bickel zurück zum FCZ
Der FC Basel wird zwar Schweizer Meister, die attraktivste Mannschaft der Rückrunde aber war der FC Zürich. Kein Team hat nach der Winterpause besseren Fussball gespielt, keines gewann bis anhin mehr Punkte, keines trat in der Offensive spektakulärer und wirkungsvoller auf, keines erzielte mehr Tore als der FCZ, der in 17 Spielen 41-mal traf. Dabei kamen die Zürcher von ganz unten. Sie waren in der Winterpause Neunte, nur sechs Punkte trennten sie vom damaligen Tabellenletzten und jetzigen Absteiger Servette, aber deren siebzehn von Sion und dem vierten Rang. Auf eben diesem vierten Platz schlossen die Zürcher nun eine Saison ab, die noch im Herbst nach internen Differenzen in der Führungsetage und dem Abgang von zwei Verwaltungsräten sowie der Entlassung von Trainer Rolf Fringer zum Desaster zu werden drohte.
Dieser kaum für möglich gehaltene Aufschwung wurde mit einer, zumindest auf dem Papier, geschwächten Mannschaft erreicht. Sie hatte vor dem Auftakt zur Rückrunde den Abgang von Abwehrchef Jorge Teixeira zu Siena sowie die schwere Verletzung des Mittelfeldspielers Burim Kukeli (Schienund Wadenbeinbruch) zu verkraften. Und der neue Trainer Urs Meier kam aus der vereinseigenen U-21 und genoss kaum Kredit – genau wie der neue Technische Direktor Marco Bernet und Team-Manager Massimo Rizzo.
Die neue Ruhe
Über Jahre hatten die drei beim Stadtclub vorab im Nachwuchsbereich wertvolle, aber wenig publizitätsträchtige Basisarbeit geleistet, jetzt bewährten sie sich auch im Spitzenfussball mit ihrer Fachkenntnis und ihrem unaufgeregten Auftreten. Im FCZ ist es mit dem Rauswurf von Fringer und dem Abgang von Sportchef Fredy Bickel zu YB sowie den immer spärlicher gewordenen öffentlichen Auftritten von Präsident Ancillo Canepa ruhiger geworden. Seit dem Amtsantritt des Präsidenten im Dezember 2006 war der Stadtclub in der Öffentlichkeit mehr oder weniger exklusiv durch Canepa und Bickel repräsentiert und auch so wahrgenommen worden. In diesem Jahr aber ist aus dem FC Canepa/Bickel wieder der FCZ geworden. Nicht zum sportlichen Nachteil des Vereins, wie die Resultate zeigen – auch wenn FCZ-intern der Grund für Canepas Verweigerung gegenüber den grossen Zürcher Medien auf Unverständnis stösst. Der Präsident hat deren kritische Betrachtung von Fringers Entlassung nicht verwunden.
Der richtige Ton
Für die unerwartete, ja nach der herbstlichen Depression fast sensationelle sportliche Wende ist in erster Linie der Trainer verantwortlich, im Zusammenspiel mit der Mannschaft. Meier hat aus einem verunsicherten, zögerlichen und oft auch glücklosen Haufen von Fussballern ein intaktes Team geformt. Offensichtlich hat er den Spielern gegenüber die richtigen Worte und den richtigen Ton gefunden. Das war Fringer nicht gelungen. Meier ist klar in der Ansprache, hart und schonungslos in der Kritik, dabei aber fair und nie verletzend.
Er respektiert die Spieler und vertraut ihnen. Mit diesem an sich simplen Rezept ist er bei ihnen zu einer Autorität geworden, ohne dass er autoritär auftreten muss. Aus Spielern wie Milan Gajic oder Marco Schönbächler, die bei Fringer keine Rolle spielten und sogar in die U-21 abgeschoben wurden, machte er wichtige Leistungsträger. Schönbächler, über viele Jahre das hoffnungsvollste Talent beim FCZ, sagt
über Meier: «Ich verdanke ihm viel. Er hat mir immer Mut gemacht, als ich bei ihm im Nachwuchs trainierte. Und er hat mir als Cheftrainer über mehrere Spiele die Chance gegeben, mich zu bewähren und mich nach einer schwächeren Partie nicht gleich ersetzt.»
Meier ist für die Führung ein pflegeleichter Trainer. Er war bereit, einen normal kündbaren Arbeitsvertrag zu unterschreiben, er kostet nicht viel – und vor allem stellt er keine Ansprüche. Er liess es geschehen, dass in der Winterpause Teixeira nach Siena ausgeliehen wurde, er wehrte sich nicht gegen den Abgang von Captain Béda mitten in der Rückrunde, nun verliert er Gajic und Jahovic sowie seine Assistenten Gämperle und Hänzi. «Wirtschaftliche Zwänge», sagt er und zuckt mit den Schultern. Gleich hatte sich im Winter vor einem Jahr Urs Fischer geäussert, als mit Djuric, Alphonse, Mehmedi, Rodriguez und Margairaz die halbe Mannschaft verkauft und durch Durchschnittsfussballer wie Pedro Henrique oder Kajevic sowie den Transferflop Ramazotti ersetzt wurde. Drei Monate später war Fischer entlassen.
Meier weiss sehr wohl, dass die Qualität des Kaders nicht weiter gemindert werden darf, wenn der FCZ die Resultate dieses Frühlings nächste Saison in der Meisterschaft bestätigen und in der Europa League eine gute Rolle spielen will. Er hofft, dass umworbene Spieler wie Gavranovic (8 Saisontore), Chermiti (10) und vor allem Drmic (12) beim FCZ bleiben. Sie alle wollten bei der WM in Brasilien dabei sein, erklärt er. Und dazu benötigten sie im Verein Spielpraxis und einen Stammplatz: «Den haben sie beim FCZ, vielleicht aber nicht bei einem neuen Club.»
Die roten Zahlen
Handlungsbedarf besteht für den FCZ am ehesten in der Innenverteidigung, vor allem wenn der im Unterhalt teure Teixeira erneut ausgeliehen werden sollte, sowie nach Gajics Abgang im defensiven Mittelfeld, obwohl die auslaufenden Verträge mit Mariani und Glarner verlängert werden. Und im Sturm muss Ergänzungsspieler Jahovic ersetzt werden.
Bernet und Rizzo, der in der kommenden Saison wohl Meier als Assistenztrainer zur Seite stehen wird, arbeiten an möglichen Transfers. Absegnen muss sie der Verwaltungsrat mit Präsident Canepa an der Spitze – und dabei den Spagat schaffen: einerseits eine wettbewerbsfähige Mannschaft präsentieren, die um die Tabellenspitze mitspielen kann, anderseits am eingeschlagenen Sparkurs festhalten. Am 24. Juni präsentiert der FCZ an seiner Generalversammlung die Zahlen für das Jahr 2012. Sie werden tiefrot sein.
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