• Ich verstehe den grundsätzlichen Ansatz schon nicht, wieso man mit EM's und WM's noch zusätzliche Märkte erreichen will. Erstens ist Fussball schon so die klare Nummer 1 weltweit und zweitens ist es schlicht und einfach Blödsinn für ein paar Dutzend Spiele 10 neue Stadien zu bauen, welche danach nicht mehr gebraucht werden.


  • als überzeugter agnostiker lehne ich jede form von religion und kirche ab. hat nichts mit moslems zu tun. eine üble steigerung von religion ist, wenn kirche und staat nicht getrennt sind. und gerade das kommt in islamisch geprägten kulturen oft vor. so auch in qatar. und dieses staatsmodell kann die freiheit und das denken des einzelnen massiv einschränken bis hin zu gröberen menschenrechtsverletzungen. ebenfalls in qatar der fall. solche staaten sollte man aus prinzip nicht mit der durchführung irgendwelcher grossevents mit internationaler ausstrahlung belohnen. ausserdem fehlt in solchen ländern jegliche nachhaltigkeit eines solchen turniers. weder wird der fussball gefördert, noch ändert sich etwas an der menschenrechtssituation, noch profitiert irgend ein normalsterblicher sonstwie von diesem anlass. das land wird dadurch auch nicht reformiert oder wenigstens auf reformkurs gebracht. wäre dies der fall, wäre ich der erste der eine wm in qatar befürworten würde. in deutschland oder england z.b. werden für eine wm/em bestehende stadien erneuert und nachher während jahrzehnten genutzt. teilweise mit einer stadionauslastung von nahezu 100%. die stadien in qatar werden nach der wm nach afrika geschickt…

    und es ist durchaus nicht so, dass sich bei uns 90% kein wm/em ticket im eigenen land leisten können. im gegenteil, wahrscheinlich könnten es beinahe 90%. es ist eine frage der verfügbarkeit eines solchen tickets. die sieht aber während einer wm weltweit in etwa gleich aus, unabhängig von der staatsform oder kaufkraft der bevölkerung. wie die qatarsche quote aussieht, weiss ich nicht. aber da der ausländeranteil in qatar bei 80% liegt (das werden die leute sein die auch arbeiten (müssen) in diesem land) dürfte die quote derjenigen, die sich ein ticket leisten können näher bei 20 als bei 50% liegen.

    dies ist meine (rein politische) meinung warum eine wm nicht in ein solches land gehört. hat aber nichts mit der wertung des qatarschen fussballs oder der freude der bevölkerung am fussball oder begeisterungsfähigkeit derselben zu tun.

    NieUsenandGah

  • Zitat von Gysino

    hartz4 land? wos amigs 600 euro im monet verdiened? lol.

    ich gseh scho: du bisch demfall nöd in DE amne wm spiel gsi, suscht hettsch gseh, wieviel düütsche dass es i de stadie gha hät... oder häsch s'gfühl, all in DE heged hartz4 und so wenig im monet?

    Reto, du weisch aber au, dass ich am schluss glich vorig tickets gha han und total 7 spiel bin go luege...
    isch aber wohl eher s'glück gsi, dass ich chan bi google tippe und läse :mrgreen:

  • Zitat von larlf


    ich gseh scho: du bisch demfall nöd in DE amne wm spiel gsi, suscht hettsch gseh, wieviel düütsche dass es i de stadie gha hät... oder häsch s'gfühl, all in DE heged hartz4 und so wenig im monet?

    Reto, du weisch aber au, dass ich am schluss glich vorig tickets gha han und total 7 spiel bin go luege...
    isch aber wohl eher s'glück gsi, dass ich chan bi google tippe und läse :mrgreen:

    ich bin a 9 spiel gsi im 2006. und 5 im 2010. ich weiss es genau.

  • Zitat von Reto

    Ja, ich weiss. Ich han au no paar Tickets für Schwiiz - Togo zu horrände Priise an es Reisebüro verchauft ;o)

    Tuet aber eigentlich nüt zur Sach, will 7 Schpiel go luege heisst ja au, dass eifach die Schpiel bisch go luege, wo Tickets übercho häsch, nimm ich mal a.

    fast, da ich total 30 tickets gha han, hani mir die spiel usgsuecht woni han welle: klar wäri gern no anderi go luege, aber ich bin doch schwer z'friede gsi demit und mir händ ja all tickets über de offiz. kanal zu de offiz. priese chöne chaufe...

    aber eigentlich gahts ja da nöd würklich um das thema, ich bin au der meinig, dass mer mit somne ahlass fuessball nöd muen im hinderste & letschte chrache go ahbüte und neui fans gwünne.
    aber es isch au chrank, wänn nachher die ganz neu baut infrastruktur nur no unbenutzt umestaht!

    drum wär evtl. mal italie no guet: dänn hetteds nachher evtl. mal wieder neui stadie... (kei ahnig wer d'neubaute zahle söll)

  • Zitat von Gysino

    ich bin a 9 spiel gsi im 2006. und 5 im 2010. ich weiss es genau.

    wieso schriebsch dänn so en seich über d'wm in DE? :shock:
    dänn häsch ja sälber gseh, dass gaanz viel düütsche a all mögliche spiel gange sind...

  • Zitat von larlf

    wieso schriebsch dänn so en seich über d'wm in DE? :shock:
    dänn häsch ja sälber gseh, dass gaanz viel düütsche a all mögliche spiel gange sind...

    meine güte nimm nöd alles so wörtlich... :galgen:

  • wie ich schon erwähnte: ein land wie katar belohnt man nicht mit der durchführung des wichtigsten sportanlasses! die sollen zuerst ihre hausaufgaben in demokratie und menschenrechten machen, aber davon sind sie etwa 200 jahre entfernt!

    tragsich, dass auch funktionäre aus eigentlich zivilisierten länder sich einen deut darum kümmern. die stimme bekommt das land, mit den am prallsten gefüllten couverts...

    http://www.blick.ch/sport/fussball…-id2253643.html

    NieUsenandGah

  • korruption bi de vergab a katar? unvorstellbar...! :razz:

    us de hütige nzz:

    Fifa-Korruption gefährdet WM in Katar

    Für die Fussball-WM 2022 in Katar dürfte es eng werden, wenn sich die Bestechungsorwürfe erhärten. Das sagt ein hoher Fifa-Mitarbeiter. Sebastian Bräuer

    Vertreter des Weltfussballverbands Fifa schliessen nicht mehr aus, Katar die WM 2022 wieder zu entziehen. «Sollte im Vorfeld der WM-Vergabe nach Katar nachweislich bestochen worden sein, wäre die Vergabe möglicherweise nichtig», sagt Domenico Scala, Vorsitzender der Audit- und Compliance-Kommission der Fifa. «Dann müsste der Prozess wiederholt werden.» Solange aber mögliche Regelverletzungen, beispielsweise Bestechung, nicht bewiesen seien, sei die Fifa an die bestehenden Verträge mit Katar gebunden.

    Derzeit ermittelt die Untersuchungskammer der Fifa-Ethik-Kommission, ob es im Vorfeld der Abstimmung im Herbst 2010 zu Unregelmässigkeiten gekommen ist. Katar ging damals überraschend als Sieger hervor. Die Ermittlungen werden von US-Anwalt Michael Garcia geleitet, sein Stellvertreter ist der Zürcher Staatsanwalt Cornel Borbély. Die beiden Juristen können von aktiven Fifa-Funktionären die Herausgabe von Dokumenten verlangen, bis hin zu Kontoauszügen. Die Untersuchung soll im Frühjahr abgeschlossen sein. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Garcia und Borbély bereits Bankunterlagen gesichtet und Funktionäre befragt haben.

    Fifa-Präsident Sepp Blatter hatte vor wenigen Tagen allerdings bei einer Medienkonferenz bekräftigt, an Katar festzuhalten. Auf die Frage eines Journalisten, ob die WM neu ausgeschrieben werden müsse, sagte er: «Nein, wir ziehen das durch.»

    Die Ermittlungen könnten auch für Michel Platini, der Blatter bei den Präsidentschaftswahlen 2015 wohl herausfordern will, unangenehm werden. Der Sohn des Uefa-Präsidenten trat kurz nach der WM-Vergabe eine Stelle bei Katar Sport Investments an.

    WM-Vergabe nach Katar könnte nichtig sein

    Fifa-Buchprüfer Domenico Scala geht auf Konfrontation mit der Verbandsspitze. Es ist seine einzige Chance.
    Domenico Scala kritisiert die WM-Vergabe in den Wüstenstaat und fordert ein schärferes Gesetz gegen Korruption. Fifa-Präsident Sepp Blatter muss sich an Widerspruch gewöhnen. Sebastian Bräuer

    Innerhalb des Weltfussballverbands Fifa wächst die Kritik an dem Entschluss, die Fussball-WM 2022 in Katar zu veranstalten. «Die Vergabe der WM nach Katar im Sommer war nicht die beste Entscheidung, unabhängig von der Frage, ob im Vorfeld bestochen wurde oder nicht», sagt Domenico Scala der «NZZ am Sonntag». Scala ist der Vorsitzende der neu installierten Audit- und Compliance-Kommission der Fifa. «Diese Entscheidung war eine Fehlentscheidung und wird die Fifa noch jahrelang beschäftigen», hat vor kurzem bereits Theo Zwanziger, Deutschlands Mitglied im Exekutivkomitee, erklärt.

    Berichte, bei den Bauarbeiten an Infrastrukturprojekten in Katar seien seit Juni mindestens 44 Gastarbeiter ums Leben gekommen, hatten zuletzt das öffentliche Unverständnis über den Fifa-Entscheid verstärkt. Offiziell diskutiert die Fifa bisher angesichts der extremen Hitze in dem Wüstenstaat lediglich über eine Verlegung der WM in den Winter.

    Scala bringt nun eine noch radikalere Option ins Gespräch: Eine Neuvergabe aus juristischen Gründen. «Sollte im Vorfeld der WM-Vergabe nach Katar nachweislich bestochen worden sein, wäre die Vergabe möglicherweise nichtig», sagt er. «Dann müsste der Prozess wiederholt werden.» Solange mögliche Regelverletzungen, beispielsweise Bestechung, nicht bewiesen seien, sei die Fifa an Verträge gebunden. Entsprechende Beweise könnten im kommenden Frühjahr vorliegen. Dann will die Untersuchungskammer der Fifa-Ethik-Kommission unter Vorsitz des US-Anwalts Michael Garcia ihre Ermittlungen darüber abschliessen, was im Vorfeld der Abstimmung im Herbst 2010, bei der sich Katar überraschend durchgesetzt hatte, passierte. Garcias Stellvertreter ist der Zürcher Staatsanwalt Cornel Borbély. Die beiden Juristen können von aktiven Fifa-Funktionären die Herausgabe von Dokumenten verlangen, bis hin zu Kontoauszügen. Weil sie untersuchen, ob im Vorfeld der Abstimmung Bestechungsgelder flossen, ist davon auszugehen, dass Garcia und Borbély bereits Bankunterlagen gesichtet und Funktionäre befragt haben.

    Mit den Ermittlungen vertraute Juristen teilen die Sichtweise Scalas, dass Garcias Bericht die WM-Vergabe noch einmal ins Wanken bringen könnte. Zumindest öffentlich liess Fifa-Präsident Sepp Blatter allerdings bisher nicht durchblicken, ebenfalls dieser Meinung zu sein. Auf die Journalistenfrage, ob die WM neu ausgeschrieben werden müsse, antwortete er vor wenigen Tagen: «Nein, wir ziehen das durch.»

    Machtworte dieser Art werden schwieriger: Blatter muss sich an Widerspruch gewöhnen. Nach vielen Jahren hat er das Einzelzeichnungsrecht bei der Fifa verloren; ab jetzt müssen Verträge generell zu zweit unterschrieben werden. Und er hat mit Scala einen Buchprüfer, der seine Rolle offensiv interpretiert - die Äusserungen über Katar sind dafür nur ein Beispiel. «Ich bin nicht weisungsgebunden und äussere meine Meinungen unabhängig», sagt Scala. «Wenn Blatter andere Meinungen haben sollte, nehme ich das zur Kenntnis.»

    Der ehemalige Nobel-Biocare-Chef hat durchgesetzt, als Beobachter an den Sitzungen des Generalsekretariats teilnehmen zu dürfen. Er widerspricht der Fifa-Spitze auch in der Debatte um das Korruptionsstrafrecht in der Schweiz (siehe Kasten). Und er erzählt unverhohlen amüsiert von verbalen Scharmützeln, die er sich auf den Gängen der Fifa mit Funktionären liefere: «Überall beliebt zu sein, zählt nicht zu meinen Zielen.»

    Die harte Linie ist Scalas einzige Chance, in der Öffentlichkeit überzeugend zu wirken. Langjährige Fifa-Kritiker wie der prominente schottische Journalist Andrew Jennings hatten ihn bei seinem Amtsantritt nicht gerade mit Vorschusslorbeeren bedacht. «Scala ist ein Geschenk der Grosskonzerne an die Fifa», schrieb Jennings. «Eine unabhängige Positionierung ist das Mindeste, was von Scala zu erwarten ist», sagt jetzt Sylvia Schenk, Sportbeauftragte bei Transparency International. «Das ist seine Aufgabe.»

    Doch Scala begibt sich in ein Spannungsfeld. Fifa-Chef Blatter reagierte auf Kritik bisher dünnhäutig. Was sich etwa zeigte, als Mark Pieth, Vorsitzender der Governance-Kommission, weitere Reformschritte anmahnte. «Das hat mich überrascht», sagte Blatter daraufhin im März. «Ich habe ihm gesagt, dass er Kritik nicht öffentlich äussern soll.» Pieth hat inzwischen für Ende des Jahres seinen Rücktritt erklärt; er sieht seine Aufgabe als erfüllt an.

    Reformvorschläge, von denen seit längerem die Rede ist, will Scala nun durchsetzen: eine Amtszeitbeschränkung für Mitglieder des Exekutivkomitees, die Offenlegung des Gehalts des Präsidenten, mehr Transparenz in der Finanzberichterstattung. Über allem schwebt die Sorge, dass noch einmal ein Skandal passiert, der das Erreichte infrage stellt: «Grobe Korruptionsfälle in der Zukunft wären ein herber Rückschlag.»

    Ein Prüfstein, wie ernst es der Fifa-Spitze mit dem Reformkurs ist, wird die Präsidentenwahl 2015. Der potenzielle Kandidat Michel Platini ist in der Katar-Frage nicht über jeden Zweifel erhaben, weil sein Sohn nach der WM-Vergabe eine Anstellung bei Katar Sport Investments angetreten hatte. Es sei zu prüfen, ob ein Interessenkonflikt vorliege, fordert Schenk von Transparency International. Scala und Garcia haben Richtlinien für die Präsidentenwahl erarbeitet. Doch diese gelten nicht einfach so: Sie müssen erst dem Rechtsdienst und dann dem Exekutivkomitee vorgelegt werden. Am Ende wird die Reform an diesem Punkt nur so weitreichend ausfallen, wie die Spitze das zulässt.

    NieUsenandGah

  • Zitat von snowcat

    korruption bi de vergab a katar? unvorstellbar...! :razz:

    Scala und Garcia haben Richtlinien für die Präsidentenwahl erarbeitet. Doch diese gelten nicht einfach so: Sie müssen erst dem Rechtsdienst und dann dem Exekutivkomitee vorgelegt werden. Am Ende wird die Reform an diesem Punkt nur so weitreichend ausfallen, wie die Spitze das zulässt.


    ...das gilt ja für alli "problem" vo dem korrupte sauhufe. und drum wird sich au nüt würkli ändere.

  • gaaaanz vill qatar i de hütige nzz:

    Schuften für den Traum der anderen

    Abdul hat Angst. Vor der Regierung. Darum ist Abdul nicht sein richtiger Name. Sondern der, mit dem er von den Arbeitsmigranten in Katar erzählt. Abdul ist so etwas wie deren Anwalt, ein junger Mann indisch-pakistanischer Abstammung, in Katar seit der Geburt. Was er schil-dert, deckt sich mit dem, was Amnesty International Ende 2013 über die Missstände auf katarischen Baustellen berichtet hat. Abdul sagt, 60 Prozent der mehr als 1 Million Arbeiter verrichteten ihr Werk unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Andere sprechen von 15?Prozent, schwer zu sagen, was der Wahrheit näherkommt.

    Sicher scheint, dass jeden Monat Dutzende sterben, wegen Unfällen, Überhitzung, Unterernährung. Das wären, wenn sich nichts ändert, 4000 Tote bis zur Fussball-WM. Der Sklaven-WM? Täglich schuften die Arbeiter 12 bis 14 Stunden. Manche bei Tätigkeiten, für die sie nicht ausgebildet sind. Unter Chefs, die sie nicht kennen. Ohne zu wissen, was ihre Rechte sind. Schlechte oder keine Sicherheitsvorkehrungen, schlechte oder keine medizinische Betreuung, schlechte oder keine Bezahlung. Abdul sagt: «Der Westen meint, es sei leicht, Schuldige zu benennen. Das ist falsch.»

    Das Drama fängt in der Heimat der Arbeiter an, in Nepal, Pakistan, Indien. Bei den Rekrutierern, in deren Schuld sich die Arbeiter begeben, um die Reise zu bezahlen. Manche verkaufen alles Land, das ihre Familien besitzen. Ein Teufelskreis. Wer Glück hat, kann das Darlehen nach einem Jahr in Katar abtragen. Andere nicht.

    Und alle begeben sich in die Abhängigkeit vom Kafala-System, das am ganzen Golf die Arbeitswelt steuert. Jeder Ausländer hat einen Bürgen, einen «Kafil»: meistens der Arbeitgeber. Das Regelwerk geht aus beduinischer Tradition hervor, die Vollmachten der Bürgen reichen weit. Sie können Jobwechsel verbieten, Ausreisen verhindern - was Bauarbeiter ebenso betrifft wie Professoren, Trainer, Banker. Und Abdul. Und auch Fussballer wie den Franzosen Zahir Belounis, dessen Fall kürzlich Aufsehen erregte, weil sein Verein ihm die Heimkehr versagte.

    Belounis ist zurück, die Arbeiter bleiben. Abdul sagt: «Sie wollen ja arbeiten und Geld heimschicken. Aber sie erhalten nicht, was ihnen versprochen wurde.» Wer sich wehren will, dem fehlt das Geld für die Verfahrenskosten. Und wer seine Botschaft um Hilfe ersucht, erfährt kaum Unterstützung, weil die Arbeiter für ihre Heimatländer ein wichtiger Beitrag zum Bruttosozialprodukt sind.

    Selbst wenn Katar gegen die Missstände vorgehen wollte, wie die Regierung behauptet: Baustellen sind ein undurchsichtiges Gewirr aus Subunternehmern, lokalen Unternehmern, ausländischen Unternehmern. Wer kontrolliert wen, und wie soll ein Land von 2?Millionen Einwohnern genügend Aufsichtspersonal stellen, wenn über die Hälfte aus Bauarbeitern und Angestellten in Privathaushalten besteht?

    «Bitte», sagt Abdul, «berichte vom Skandal. Aber gib nicht nur den Katarern die Schuld. Es ist viel komplexer.» Und: «Die Leute von der Fifa sind Heuchler. Aber es ist gut, dass die WM kommt. Die Baustellen gäbe es auch so. Doch mit der WM bekommen die Arbeiter wenigstens Aufmerksamkeit.» Christof Gertsch


    Nasser al-Khater, Marketing- und Kommunikationschef der Fussball-WM 2022:

    «Ich sage nicht, dass wir keine Probleme haben. Wir haben Probleme»

    Die Fifa diskutiert, ob die WM 2022 wegen der Hitze vom Sommer in den Winter verlegt werden soll. Welchen Standpunkt vertritt das WM-OK?
    Ob Sommer oder Winter ist uns egal. Wir werden rechtzeitig parat sein. Und sollte man sich für den Winter entscheiden, arbeiten wir dennoch weiter an der Entwicklung der Kühlungstechnologie.

    Eine WM in der Wüste, gekühlte Stadien - braucht es das?
    Ich bitte Sie! Es gibt viele Länder mit ähnlich schwierigen klimatischen Bedingungen. Es kann nicht sein, dass es all diesen Ländern ewig verunmöglicht ist, grosse Wettkämpfe durchzuführen. Mit unseren Forschungen eröffnen wir vielen Ländern neue Optionen. Und ich rede nicht nur von heruntergekühlten Stadien, es geht beispielsweise auch um heruntergekühlte Public-Viewing-Zonen.

    Hat Katar mit zwei Millionen Einwohnern Verwendung für zwölf grosse Fussballstadien?
    Nein. Im Bewerbungsverfahren redeten wir von zwölf. Die Fifa sagt, wir sollen so viele bauen, wie nötig sind. Also acht bis zwölf.

    Acht Stadien mit Platz für 40 000 bis 60 000 Zuschauer wären immer noch zu viel.
    Darum werden nach der WM die meisten auf eine Kapazität von rund 20 000 Plätzen reduziert.

    Ist das nachhaltig?
    Mit den zurückgebauten Installationen werden wir versuchen, andernorts Stadien zu errichten, in Afrika, Asien. Die WM 2022 wird mehr hinterlassen als viele zuvor. Auch weil es eine WM der kurzen Wege wird, nicht wie Brasilien.

    Und eine WM mit erheblichen Missständen auf den Baustellen.
    In unserem Strategieplan von 2011 steht, dass die Arbeiter ein zentrales Thema sind. Wir wissen, dass sich einiges ändern muss. Aber Sie sollten verstehen, dass die Bedingungen auf dem Bau auch ohne die WM Realität wären - zumal die ersten Arbeiten, die im Zusammenhang mit der WM stehen, erst im Januar aufgenommen werden.

    Was tun Sie für die Arbeiter?
    Wir haben Vorgaben aufgesetzt, die zum Teil weiter als internationale Gesetze gehen und an die sich alle Unternehmen halten müssen.

    Wie stellen Sie das sicher?
    Durch ein dreistufiges System. Die Bauunternehmen werden sich selber kontrollieren müssen. Wir werden sie kontrollieren. Dazu kommt eine unabhängige Instanz.

    Wir sitzen seit einer halben Stunde hier und reden über Kritik an der WM 2022.
    Katar-Bashing scheint eine Modeerscheinung geworden zu sein. Ich verlange ja nicht, dass alles rosarot dargestellt wird, ich wünsche mir nur Ausgeglichenheit. Wenn ich in Europa mit Journalisten rede, die Artikel über uns schreiben, und sie frage, ob sie schon einmal in Katar gewesen seien, sagen die meisten: Nein. Das gehört sich doch nicht.

    Wie wollen Sie das ändern?
    Ich kann mich hinsetzen und mich so klug und ehrlich wie möglich mit Ihnen unterhalten, damit Sie mich verstehen. Ich sage nicht, dass wir keine Probleme haben. Wir haben Probleme. Aber wir sind ein junges Land, in knapp 20 Jahren hat sich die Bevölkerung vervierfacht. Wir brauchen Zeit. Und Menschen, die uns helfen. Aber mit konstruktiver Kritik.

    Man könnte sagen, die Zeit sei nicht reif für eine WM in Katar.
    Falsch. Wir hatten das beste Dossier. Und wir haben die ganze arabische Welt im Rücken. Als wir die WM zugesprochen erhielten, standen 10 000 Menschen auf den Strassen Ad-Dauhas. Sie schwenkten Fahnen. Und nicht nur die katarische. Auch die libanesische, ägyptische, saudiarabische. Sie können sich nicht vorstellen, welche Freude es für die ganze Region ist, dass die WM kommt. Interview: Christof Gertsch

    Wie sich der französische Fussball kaufen lässt

    Die katarische Geldspur führt nach Paris und Barcelona

    Bereits zum dritten Mal weilte der französische Fussballklub Paris St-Germain über Neujahr in Ad-Dauha. Diesmal testeten die Pariser gegen Real Madrid. Die Spanier gewannen 1:0. Über die Siegprämie ist nichts bekannt, aber man kann davon ausgehen, dass die Königlichen nicht gratis als Sparringpartner unterwegs sind. Katar pumpt durch gezielte Kanäle Mittel in den Fussball, der dauerhaft von Kapitalbedarf geplagt wird.

    Der Wüstenstaat rettete 2011 nicht gerade den französischen Fussball. Das wäre übertrieben. Aber Katar übernahm PSG und kaufte sich mit dem Fernsehsender al-Jazira in der Ligue 1 ein. Seither wird PSG mit einem dreistelligen Millionenbetrag und Top-Transfers (Ibrahimovic) hochgerüstet. Schon 2013 wurde PSG Landesmeister und peilt im Schnellverfahren den Champions-League-Thron an. Katar stösst PSG in den Konzertsaal der Grossen des europäischen Fussballs. Man kann das guten Gewissens als «Erfolg kaufen» brandmarken. Aber im Fussball wurde Geld schon sinnloser verschleudert als nun in Paris.

    Geld wirkt. PSG wertet die Ligue 1 auf und stärkt ihren Uefa-Koeffizienten, der entscheidet, wem auf dem Weg in die Champions League wie hohe Hürden in den Weg gestellt werden. Weder in Lyon noch Marseille oder Bordeaux beklagt man sich über kleinere Hürden. Man reklamiert auch nicht, wenn Fernsehgelder weitersprudeln. Die Einnahmestruktur der Ligue 1 ist mit 60 Prozent stark auf das Fernsehen reduziert. Der TV-Vertrag kann seit 2012 nur dank al-Jazira mit jährlich gegen 600 Millionen Euro ungefähr gehalten werden. Vorher waren es 670 Millionen gewesen.

    So viel wie befürchtet ging nicht verloren. Dank dem Geld aus der Wüste. Das könnte auch ein Grund dafür sein, dass der französische Uefa-Präsident Michel Platini 2010 an der berüchtigten WM-Vergabe für Katar 2022 stimmte. Platini liess sich nicht selber kaufen (wie mutmasslich andere Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees), sondern er liess wohl den französischen Fussball kaufen. Jedenfalls würde das Timing stimmen: 2010 WM-Wahl Katars, 2011 Einstieg Katars in Frankreich.

    In den Zeitablauf passt das Ende einer 112-jährigen Tradition in Barcelona. Mitte 2010 wurde Sandro Rosell Präsident des FC Barcelona. Ein halbes Jahr später und unmittelbar nach der WM-Wahl Katars gab er bekannt, dass ab 2011 der Schriftzug «Qatar Foundation» auf dem Barça-Trikot prangt. Das bringt in fünf Jahren gegen 170 Millionen ein. Zuvor hatte der Klub das Trikot nie verkauft und zuletzt sogar für das Hilfswerk Unicef geworben, dem weiterhin Barça-Geld zufliesst. Rosell hatte für die irritierte Barça-Gemeinde zwei Botschaften: Man müsse Opfer bringen, «um Messi halten zu können». Und man unterstütze mit der «Qatar Foundation» wohltätige Zwecke. Seit 2013 steht neu «Qatar Airways» auf dem Barça-Trikot. Das ist definitiv keine wohltätige Organisation. Das Beispiel zeigt, wie katarische Institutionen verflochten sind.

    PSG wird versuchen, die Financial-Fairplay-Regeln der Uefa auszuhebeln, die überbordendes Mäzenatentum stoppen will. Der Klub könnte vorgeben, dass die Tourismusbehörde Katars, die Hauptsponsorin ist und pro Jahr gegen 200 Millionen überweist, nichts mit den Klubbesitzern Qatar Sports Investment zu tun hat. Was sicher ist: Die 200 Millionen haben mit Marktpreisen nichts zu tun.

    Kritik am Modell PSG hat der selbsttragende FC Bayern München geäussert. Nicht nur PSG weilt dieser Tage im europäischen Winter kurz in Katar, sondern auch die zwei Bundesliga-Klubs Schalke 04 und Bayern München. Sie tun das nicht nur der Temperaturen wegen. Peter B. Birrer


    Die Ambitionen eines Herrscherclans

    Mit der Fussball-WM 2022 und anderen Sportgrossanlässen will sich der reiche Wüstenstaat Katar für die Zeit nach Öl und Erdgas absichern. Doch der Weg, der dorthin führen soll, ist umstritten. Und die Hürden sind hoch. Von Christof Gertsch, Ad-Dauha

    Eine Hotellobby in Ad-Dauha, der Hauptstadt Katars, früher Abend: An der Wand hängt ein Fernseher, aus einem halbleeren Stadion wird Fussball übertragen, der Ton ist aus. Neben der Réception zwei abgewetzte Ledersofas, ein Salontisch und ein Schild: «Reserved». Reserviert für die einheimischen Männer in ihren weissen Gewändern, sie trinken Tee und rauchen. Hinter ihnen der Gang, der zu den hoteleigenen Restaurants führt, Buffets voller Essen, allein oder in versprengten Gruppen sitzen die Ausländer vor den Tellern, die Hemden aufgeknöpft. Es war ein langer Tag, bald werden sie auf ihre Zimmer verschwinden. Und aus den Küchen die Geräusche unsichtbarer Menschen und klirrenden Geschirrs, bis tief in die Nacht.

    Der Wüstenstaat, der in knapp einem Jahrzehnt den grössten Sportanlass der Welt organisieren wird, die Fussball-WM 2022, ist ein bisschen wie diese Hotellobby. Ein paar Katarer, die noch vor einem halben Jahrhundert in Zelten lebten und arm wie Kirchenmäuse waren - und heute reich durch Öl und Erdgas sind und einen Wolkenkratzer um den anderen hochziehen lassen. Dann die ausländischen Banker, Architekten und Ingenieure, die dem Geld hinterherreisen - und vielleicht morgen schon woanders sind, ein Leben in der Transitzone. Und schliesslich die Arbeitsmigranten, die Bauarbeiter, Küchenhilfen, Bediensteten, die unter oft menschenunwürdigen Bedingungen schuften - und vom Traum der anderen nur den Dreck abbekommen.

    Drei Menschengruppen, die nichts miteinander verbindet ausser Ort und Zeit. Und der Fernseher, der Fussball zeigt, obwohl keiner hinschaut. Und die Frage, die so sehr einer Beantwortung harrt: Ist es richtig, dass in einem Land ohne Sporttradition, aber mit unbarmherzig heissen Sommern und einem von Missständen geprägten Arbeitsmarkt die Fussball-WM stattfindet? In einem 11 500 Quadratkilometer kleinen Land (Platz 164 in der Welt) mit zwei Millionen Einwohnern (Platz 144 in der Welt) und 6500 lizenzierten Fussballspielern (Platz 155 in der Welt)? Welcher Spötter hat sich diese Vision ausgedacht?

    Das ist es, was sich der Westen fragt.

    Die Katarer denken anders. Voller Selbstvertrauen sagen sie, es sei höchste Zeit, dass die WM in den arabischen Raum komme. Und nicht anders als die 250 000 Katarer reden die Expats, also die Ausländer, von denen es hier rund siebenmal mehr gibt. Etwa der Deutsche Tilman Engel, bis 2009 Chef von Katars Fussballliga, der Qatar Stars League. Er sagt: «Die WM gehört nach Katar, stellvertretend für alle arabischen und islamischen Räume im Mittleren Osten, in Afrika und in Asien.»

    Entstanden auf dem Reissbrett

    Was man schon für sich genommen für eine irre Idee halten kann, ist in Wahrheit Teil eines noch viel umfangreicheren Plans. Er heisst «Qatar National Vision 2030» und soll Katar ein Auskommen nach dem Reibach sichern. Das Emirat wäre unbedeutend, wenn es nicht über Öl und zusammen mit Iran über das grösste Erdgasfeld der Welt verfügte. Und Katar wird wieder unbedeutend sein, wenn die Vorkommen zur Neige gehen und es nicht gelingt, bis dahin unabhängig von Rohstoffen und der Welt von anderem Nutzen zu sein.

    Der Weg, der dorthin führen soll, ist entstanden wie die Hauptstadt: auf dem Reissbrett, also im Kopf des Scheichs Hamad bin Khalifa al-Thani, des Emirs von 1995 bis 2013 und Vaters des jetzigen Anführers, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani. Er gilt als Vordenker und Veränderer. Was noch zurückhaltende Beschreibungen sind für einen Mann, der am Ursprung von Projekten wie diesen steht: neuer Flughafen (Kostenpunkt 11 Milliarden Dollar), neuer Hafen (7 Milliarden Dollar), neue Metro (8 Milliarden Dollar), neue Innenstadt (20 Milliarden Dollar), neue «Education City» (8 Milliarden Dollar). In Katar soll eine neue Moderne entstehen, eine Gesellschaft, die von Ad-Dauha als Transport-Drehscheibe, als Finanzzentrum, als Hotspot für Geschäftsreisende, als Wissenschaftsmacht lebt. Dafür werden renommierte ausländische Universitäten hergelockt, und Steuern gibt es keine.

    Doch der Traum vom Aufbruch wird auch in der unmittelbaren Nachbarschaft Katars gehegt, in Bahrain oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Weshalb man nachvollziehen kann, dass es Zweifler gibt, Zweifler wie Guido Steinberg, ein Kenner der Region, der für das German Institute for International and Security Affairs über den Mittleren Osten forscht. Steinberg sagt: «Es gibt viel Konkurrenz. Und ich bin skeptisch, ob sich Katar durchsetzt.»

    Als Merkmal zur Unterscheidung von den Mitstreitern dient der Sport. Dabei ist noch nicht von der Fussball-WM die Rede und nicht von der geplanten Bewerbung um Olympische Spiele, sondern von den über vierzig relevanten internationalen Wettkämpfen, die jedes Jahr in Ad-Dauha stattfinden (vgl. Übersicht auf Seite 35). Katar hat sich, vom Westen fast unbemerkt, zu einem Zentrum für Sportgrossanlässe gemausert. Und streckt die Fühler noch weiter aus. Der 1996 gegründete Fernsehsender al-Jazira ist ein mächtiger Player im Markt europäischer TV-Fussballrechte. Und via die Qatar Sports Investments, einen Ableger der Qatar Investment Authority, legt das Büro des Emirs die Staatseinnahmen aus Öl- und Erdgasverkäufen auch direkt im ausländischen Sport an - etwa im FC Barcelona und bei Paris St-Germain. Beide, al-Jazira und Qatar Sports Investments, zählen für das Branchenmagazin «SportsPro» zu den 50 einflussreichsten Firmen der globalen Sportindustrie.

    Sport für Sicherheit

    Sport ist in vielen Ländern der Welt eher ein politisches Mittel als ein gesellschaftliches Vergnügen. Aber in Katar ganz besonders. Erstens sollen die ungesund lebenden Katarer zum Sporttreiben animiert werden, weil nur ein leistungsfähiges Volk die Erwartungen der Herrscher erfüllen kann. Zweitens dient der Sport als Motor, um Infrastrukturprojekte voranzutreiben - etwa die Fussball-WM, derentwegen die Anzahl Hotelbetten von 20 000 mehr als verdoppelt werden muss. Und drittens, und dieser Aspekt wird vom offiziellen Katar verneint, wohl weil er der wichtigste ist, drittens sollen Anlässe wie die WM helfen, die sicherheitspolitische Situation zu verbessern. So fragil die Zustände in der arabischen Welt sind, so sehr fühlt sich Katar bedroht. Zum einen durch Iran, mit dem sich Katar das Erdgasfeld teilt, zum anderen durch den grossen Bruder Saudiarabien, den das aufmüpfige Katar, einst ein getreuer Untertan, zunehmend ärgert. Katar ist gegenüber gewissen westlichen Werten weniger verschlossen als auch schon, zum Beispiel ist die Tür für Frauensport einen Spaltbreit offen, und Katar hat in Konflikten des arabischen Frühlings eine Vermittlerrolle eingenommen. Ausserdem unterstützt Katar nicht dieselben aufständischen Gruppierungen wie Saudiarabien.

    Kurz: Anders als in der Vergangenheit schafft sich das Emirat Feinde, weshalb eine breite Weltöffentlichkeit ein Interesse an seinem Fortbestand haben soll, quasi für den Notfall. Oder in den Worten Guido Steinbergs: «Es ist natürlich schwieriger, sich ein Land einzuverleiben, das die Fussball-WM organisiert, als irgendein obskures Land, von dem die Welt knapp den Namen kennt.»

    Und dafür werden futuristische Stadien geplant und allein in die Fussball-WM 30 Milliarden Dollar investiert. Und in die «Qatar National Vision 2030» das 10- bis 15-Fache.

    Aber ist die Macht des Geldes grenzenlos? Wer im Westen Ad-Dauhas über das Gebiet der Aspire Zone geht, denkt erst einmal: Ja. Die kreisrunde Anlage mit neun Kilometern Umfang ist das Herz des katarischen Sports, entstanden 2006. In der Mitte ein Fünfsternehotel, das für sich allein ein Wunderwerk ist, 300 Meter hoch und der olympischen Fackel nachgeahmt. Darum herum eine Sportklinik, Outdoor-Felder, Golfplätze und eine Schwimmhalle. Und das Khalifa International Stadium, dessen Zuschauerkapazität für die WM auf 60 000 erhöht wird. Und der Aspire Dome, die grösste Multisporthalle der Welt mit einem Indoor-Fussballfeld für 6000 Zuschauer, einer Leichtathletik-Bahn und weiteren Anlagen für zehn gleichzeitig stattfindende Wettkämpfe, Squash, Volleyball, Judo, alles.

    Hier wurde gebaut, damit in Katar spriesst, was zweifellos fehlt: gute Sportler. Denn Sportbegeisterung entsteht nur, wo eigenen Stars zugejubelt werden kann. Das zeigt sich an der Qatar Stars League, die über ein eher bescheidenes Niveau verfügt und für westliche Verhältnisse auf wenig Interesse stösst. Das zeigt sich überhaupt an allen Wettkämpfen in Katar, die vor halbleeren Zuschauerrängen stattfinden. Bei acht Olympiateilnahmen seit der Unabhängigkeit von England 1971 hat das Emirat gerade einmal vier Medaillen gewonnen. Es gibt in diesem Land keine Hinterhöfe, in denen Fussball gespielt wird, keine Wälder, in denen Kinder herumtollen, keine Wiesen, auf denen Frisbees fliegen.

    Es gibt «keine Mentalität der körperlichen Ertüchtigung», wie Ivan Bravo sagt - weshalb die Frage, wie konkurrenzfähige Sportler heranwachsen sollen, wenn die Viertelmillion Einheimische nie und nimmer an das für Sporterfolge kritische Mass heranreicht, auch für ihn ein Buch mit sieben Siegeln ist. Der Spanier, einst Chef für strategische Projekte bei Real Madrid, ist Direktor der Aspire Academy, eines Ausbildungszentrums für 200 bis 300 Kinder zwischen 12 und 18 Jahren, katarische Kinder und solche von Expats. Drei Viertel sind Fussballer, und bisher einer, der Hochspringer Mutaz Essa Barshim, ging als Olympiamedaillengewinner aus der Lehre hervor. Fünf Tage pro Woche leben die Sportler auf der Anlage, gehen zur Schule, trainieren, bekommen alles bezahlt - vom Laptop, mit dem sie sich bei Wettkampf-Abwesenheiten mit dem Klassenzimmer und dem Lehrer verbinden, bis zur Ausrüstung. «Wir wollen grossartige Athleten, grossartige Menschen erziehen», sagt Esperanza Campuzano, eine Mitarbeiterin Bravos, während sie durch die Räumlichkeiten führt. Sie sagt: wir - wie viele Expats hier, die Katar herholt, weil das Know-how an allen Ecken und Enden fehlt. Auf jeden Einheimischen kommen im katarischen Sport fünf Expats. Campuzano hat ein Berufsleben lang in den Bereichen Sport und Bildung gearbeitet, sie kann mit strahlenden Augen und südländischer Verve von der Freude erzählen, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten. Und sie ist zum Schluss gelangt, dass «alle Länder sparen müssen», nur Katar nicht. «Ich kenne keinen Ort auf der Welt, der so viel in Sport und Bildung investiert wie Katar.»

    Die Frage, ob Investitionen die Antwort auf alles sind, lässt sich stundenlang diskutieren, etwa mit Ivan Bravo und Markus Egger, dem früheren Direktor der Fussballabteilung von Red Bull und heutigen Chef für strategische Projekte in der Aspire Academy. Auch sie wissen es nicht. Aber wenigstens merkt man ihnen an, dass sie die Herausforderung reizt.

    Ein Berg für die Rad-WM

    Gleich ergeht es Pia Sundstedt, einer Mountainbikerin aus Finnland, Olympiateilnehmerin. Sundstedt ist nach Katar gezogen, weil ihr Mann einen Job in der Sportklinik angenommen hat. Das Paar führt das typische Leben von Expats, «ein Leben in einer Blase», wie Sundstedt sagt, fernab des Lebens der Einheimischen, «aber es gefällt uns», ein Leben zwischen Apartment-Siedlung, Shopping-Mall, Strand, Aspire Zone. Sundstedt unterrichtet in einem Programm nur für Mädchen, die Sportklubs im Land sind den Buben vorbehalten. Seit November ist sie zudem Trainerin des Rad-Frauennationalteams, wobei Nationalteam ein grosses Wort ist. Es ist mehr ein Projekt, eines, das zeigt, dass die Katarer zumindest im Ansatz versuchen, die Stellung der Frau im Sport zu verbessern. 2012 in London nahmen erstmals Frauen aus Katar an Olympia teil, eine Tischtennisspielerin, eine Schützin, eine Schwimmerin. «Eine bahnbrechende Entwicklung für ein Land, in dem die Scharia gilt», sagt Ruben Goebel, ein deutscher Sportwissenschafter von der Qatar University.

    27 Mountainbikes stehen Sundstedt zur Verfügung, Rennvelos gibt es nicht. 30 Mädchen und Frauen sind angemeldet, zweimal pro Woche ist Training, bald kommen 12, bald 18, manche halten 60, andere nur 2 Kilometer durch. «Keine Ahnung, wohin das führt», sagt Sundstedt. «Es ist ein Versuch.» Einer, der entstanden ist wie vieles hier: quasi über Nacht. Irgendjemand im Veloverband hatte eine Idee und begegnete zufällig Sundstedt, Wochen später wurde ein Treffen mit dem Direktor anberaumt, im Zielbereich der Tour of Qatar in einem Zelt - und schon war Sundstedt angestellt. Als Entwicklungshelferin, die sich in den Trainings von einer Krankenschwester begleiten lässt. Und von der Polizei, die die Strecke, eine Zufahrtsstrasse zum Motorrad-Rundkurs Lusail Track, eigens dafür absperrt.

    Kein Aufwand ist zu gross. Auch nicht jener für die Rad-WM, die 2016 in Katar stattfinden. Weil sich der Weltverband einen Parcours mit Hindernis wünscht, Katar aber topfeben ist, soll ein künstlicher Berg hingebaut werden. Berge bauen, warum auch nicht? Es sind Anekdoten wie diese, die Unbehagen auslösen, zum Teil auch unter Katarern. Berge bauen. Oder eine Fussball-WM mit vollklimatisierten Stadien, vollklimatisierten Public-Viewing-Zonen, vollklimatisierten Zugangswegen durchführen. Oder, ganz generell, mit horrendem Tempo in die Zukunft schreiten wollen und Arbeiter ausbeuten. Doch der Sport spielt mit. Just im Umfeld der WM-Vergabe 2010 ist so viel Geld aus Katar in den internationalen Fussball geflossen, dass es naiv wäre, keinen Zusammenhang zur WM-Bewerbung zu sehen. Ob man deswegen sagt, die WM sei gekauft worden, hängt auch davon ab, wie man Korruption definiert. Allfällige Irregularitäten will der Fifa-Ermittler Michael Garcia noch 2014 aufklären. Wenn man bei heutigem Wissensstand ein Fazit ziehen wollte, wäre es dieses: Katar hat sehr, sehr viel investiert in die WM, finanzielle und auch politische Mittel.

    Vielleicht ist es also nur der Zynismus, der in der WM auch Chancen sieht. Die Chance, dass sich die westliche und die arabische Welt wenn nicht näherkommen, so doch kennenlernen. Und die Chance, dass sich das kleine Katar, das sich der Beurteilung durch den Westen stellt, keine Verfehlungen mehr erlauben darf, wenn es Bedeutung erlangen will.

    Der Amnesty-International-Bericht über die Lebensrealität der Arbeitsmigranten in Katar hat Ende 2013 auch darum Aufsehen erregt, weil er mit dem Schlagwort Fussball-WM versehen war. Einige der renommiertesten Medien Europas redeten von «skandalösen Verhältnissen auf WM-Baustellen», obwohl die Pläne des ersten WM-Stadions zu dem Zeitpunkt nicht einmal vorgestellt waren. Die erste mit der WM zusammenhängende Anlage geht erst dieser Tage in Bau. Westliche Unternehmer erledigen in Katar seit Jahren noch so gerne Bauaufträge, ohne dass sie oder ihre Regierungen die Stimme erhoben hätten, und in anderen Golfstaaten, wo die Arbeitsbedingungen nicht besser sind, wird es so weitergehen. In Katar hat den WM-Organisatoren immerhin die Zusicherung abgerungen werden können, dass sie sich des Problems annehmen. Man wird sehen, was das hilft.

    Der Mann, der das Versprechen abgegeben hat, heisst Hassan al-Thawadi. Er ist der WM-Chef, ein eloquenter Gentleman, der das Spiel der Diplomatie zu beherrschen scheint. Denn wenn man manchmal auch den Eindruck hat, dass ihn der einseitige Blick auf sein Land ärgert, so schafft er es doch, einem das Gefühl zu geben, Bedenken und Kritik ernst zu nehmen. Gleich wie andere Figuren des katarischen Sports, die sich zu Gesprächen bereit erklären. Zum Beispiel Abdulla al-Mulla, der Kommunikationschef der Handball-WM 2015. Oder Khaleel al-Jabir, der Sportchef des nationalen olympischen Komitees. Oder Nasser al-Khater, der Marketingchef der Fussball-WM. Wobei das Treffen mit Abdulla al-Mulla weniger lang dauert als erhofft. Er sagt, er würde lieber den Chef reden lassen, Scheich Joaan bin Hamad al-Thani, aber leider sei seine Exzellenz, ein Bruder des Emirs, gerade nicht im Lande, ob man wohl länger bleiben könne. «Wir bezahlen auch alle Auslagen.»

    Länger bleiben? Geht nicht.

    «Dann kommen Sie später wieder, und wir bezahlen alles. Oder Sie kommen 2015 zur WM, und wir bezahlen alles. Sie hören von mir. Oder vom Büro seiner Exzellenz. Wollen Sie morgen mit mir an einer Diskussionsrunde auf al-Jazira teilnehmen? Die Sicht des Westens vertreten? Es geht um die Fussball-WM.»

    In den Tagen darauf werden E-Mails hin- und hergeschickt, aber das TV-Gespräch ist natürlich kein Thema mehr. Und zur Audienz bei seiner Exzellenz kommt es nicht. Der Grund bleibt unklar. Wie so vieles im Emirat, das auch nach einem Aufenthalt mit vielen Begegnungen voller Rätsel ist, eine Mischung aus Faszination und Bedenken. Voller Fragen, die nur die Zeit klären wird, vielleicht bis 2022. Fragen wie diese: Führt die Wucht, mit der Katar Ideen umsetzt, ins Paradies - oder ins Nichts? Sie schwebt über allem. Und kann auch auf jener Ebene von Entscheidungsträgern nicht beantwortet werden, die völlig unergründlich bleibt, sogar für Expats, die lange in hohen Positionen in Katar tätig sind, wie Tilman Engel sagt, der heute Firmen beim Markteintritt in Katar berät. Es ist die Ebene des Al-Thani-Clans, an der Macht seit 1850. Die Ebene, die von einer anderen Zukunft träumt als der, die wahrscheinlich scheint.

    Der Druck wird grösser

    Wahrscheinlich ist, dass es Katar schwerfallen wird, die zentrale Hürde der «Qatar National Vision 2030» zu überwinden - die der geringen Einwohnerzahl. In jüngster Zeit wird zwar die sogenannte Katarisierung beschworen, die der Angst vor Überfremdung entgegenwirken und dafür sorgen soll, dass die Katarer die Expats ablösen, sobald sie genug von ihnen gelernt haben. An der Qatar University, an der Englisch anderthalb Jahrzehnte lang die erste Sprache war, haben Institute die Vorgabe erhalten, alle Vorlesungen wieder auf Arabisch durchzuführen. Auch jene von Expats. Die Sportabteilung ist noch nicht betroffen, aber Ruben Goebel, der deutsche Assistenzprofessor, sagt: «Das kann jeden Moment über uns hereinbrechen.» Und auch im Sport findet eine Art Katarisierung statt. Das Land, das wie alle Golfstaaten eigentlich keine Einbürgerungen kennt, ist von der Praxis abgekommen, exzessiv ausländische Sportler mit katarischen Pässen und arabischen Namen auszustatten. Das Vorgehen ist zu sehr in die Kritik internationaler Sportverbände geraten.

    Aber was ist der nächste Schritt? Was, wenn die Vision an der Realität zerschellt? Ist Katar dann wieder bloss ein Zipfelchen Erde, das in den Persischen Golf ragt?

    Geräusche aus der Küche. Im Fernsehen die Wiederholung des Fussballspiels. An der Réception eine junge Frau, der immerfort die Augen zufallen. Und auf dem Salontisch eine Ausgabe der «Doha News», zerfleddert, deren Frontaufmacher davon handelt, dass Dubai, die Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Zuschlag für die Weltausstellung 2020 erhalten habe. Und im Kommentar nebenan steht, der Druck auf Ad-Dauha werde dadurch nur grösser. Noch grösser.

    NieUsenandGah

  • lauf fifa findet die wm definitiv im winter statt!

    für die spieler und die zuschauer vor ort natürlich sinnvoll. für tv zuschauer in unseren breitengraden und für die dann laufenden meisterschaften voll scheisse.

    NieUsenandGah

  • Zitat von snowcat

    für tv zuschauer in unseren breitengraden und für die dann laufenden meisterschaften voll scheisse.

    Wieso für TV-Zueschauer scheisse? Im Winter können sie sicherlich auch schon z.B. um 16 Uhr ein Spiel anpfeifen (bei uns ist dann 18 Uhr), im Sommer würden die Spiele vermutlich wegen der Temperaturen spät am Abend bis in die Nacht gespielt werden müssen...

  • Zitat von Mirko

    Wieso für TV-Zueschauer scheisse? Im Winter können sie sicherlich auch schon z.B. um 16 Uhr ein Spiel anpfeifen (bei uns ist dann 18 Uhr), im Sommer würden die Spiele vermutlich wegen der Temperaturen spät am Abend bis in die Nacht gespielt werden müssen...


    public viewing mit pelzkappe und absolut fehlendes fussball feeling! fussball ist kurze hosen, shirt, sonnenbrille und flip flops. stell dir eine eishockey wm im august vor. bereits im mai fehlt ja schon das wirkliche feeling...

    NieUsenandGah

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