- Offizieller Beitrag
ZSC in Biel in in der Overtime besiegt
Kalt geduschter Meister
Die ZSC Lions müssen sich dem EHC Biel 5:4 in der Verlängerung geschlagen geben. Angeführt von den beiden Lockout-Stars Seguin und Kane setzen sich die Bieler in einem offenen Schlagabtausch durch.
Ulrich Pickel, Biel
Normalerweise ist das an eine baufällige Lagerhalle erinnernde Stadion in Biel für die ZSC Lions ein gutes Pflaster: Nach dem Bieler Aufstieg 2008 gewannen sie 17 der ersten 19 Vergleiche. Und meistens gehörten die Spiele zwischen den ewigen Favoriten aus der Stadt Zürich und den Seeländern nicht zu den berauschenden Ereignissen im Schweizer Eishockey. Das Duell Nummer 20 aber tanzte nicht nur des seltenen Bieler Sieges wegen aus der Reihe. Es war auch ein Spiel, das keinen der knapp 5400 Zuschauer kalt liess.
Der vom Drive der beiden NHL-Jungstars Patrick Kane, 23, und Tyler Seguin, 20, beflügelte EHC Biel verpasste dem Meister eine kalte Dusche. Die Zeiten sind vorbei, als der Bieler Coach Kevin Schläpfer ein defensives Beton-Eishockey spielen liess. Die Partie war ein offener Schlagabtausch, bei dem es vor beiden Toren regelmässig hoch zu und her ging – und die Rollen im Heimteam waren klar verteilt: Kane und Seguin gingen voran, der Rest folgte willig.
Auf dem Weg zum 4:4 nach 60 Minuten hatten acht verschiedene Spieler getroffen. Die Bieler führten dreimal, die Zürcher fanden immer wieder eine Antwort. Nachdem sie selber kurz vor Schluss noch eine Strafe ungenutzt hatten verstreichen lassen, waren sie in der Overtime mit ihrem Latein aber am Ende: Seguin traf auf Pass von Kane im Powerplay zum Sieg.
Und im Schatten von Kane und Seguin spielte einmal mehr einer eine auffällige Rolle, von dem sonst nicht viel die Rede ist: Jacob Micflikier. Der im Sommer verpflichtete 28-jährige Kanadier mit polnischen Wurzeln traf zum 2:1 (19. Minute) und dürfte als Teenager noch auf eine NHL-Karriere gehofft haben, wie sie seine beiden Kollegen erleben. Doch er ist nie über die Niederungen der Farmteams hinausgekommen, und von einem Stanley-Cup-Ring, wie ihn Kane (Chicago 2010) und Seguin (Boston 2011) tragen, konnte er nicht einmal träumen.
Dennoch muss der Flügel einer der glücklichsten Spieler der NLA sein: Er darf neben Seguin spielen. Dem Lockout sei Dank bekundet Micflikier keine Mühe mit den hiesigen Verhältnissen, obwohl Biel seine erste Station ausserhalb Nordamerikas ist. Sein Fall zeigt, was geschehen kann, wenn plötzlich zwei Ausnahmekönner in der Garderobe sitzen.
Micfliker harmoniert mit Seguin bestens und steht bereits bei 12 Toren und 14 Assists nach 20 Spielen. Seine Situation erinnert an jene des Freiburgers Pascal Schaller, der in den 1990er Jahren das Glück hatte, neben Bykow und Chomutow Punkte en masse sammeln zu können, bis es so viele waren, dass es ihn sogar einmal in die Nationalmannschaft schwemmte.
Zumindest was die Anzahl Stanley-Cup-Sieger angeht, blieb die Partie unentschieden. Auch die Lions haben deren zwei: Marc Crawford wurde als Coach Champion (Colorado 1996), und Dustin Brown tritt gar als Captain des Titelhalters auf (Los Angeles). Doch der 27-jährige New Yorker in Diensten des ZSC ist erst seit einer Woche in der Schweiz und noch nicht akklimatisiert. Er blieb in seinem dritten Spiel erstmals ohne Punkt, ihm fehlte das Tempo. Die Lions können nur hoffen, dass er es bald findet. Dramatisch ist ihre Situation nicht, aber sie haben nun fünf der letzten sieben Spiele verloren.
(NZZ)