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Fussball-Dogmatiker Peter Bosz steht vor dem Aus
Nach einem 4:0 zum 4:4: Der BVB bricht am Samstag gegen Schalke nach der Pause ein. Trainer Bosz ist ratlos.
Nicht einmal eine Stunde nach dem Abpfiff hätte Peter Bosz erste Texte lesen können, die sein Schaffen im BVB nach dem 13. Spieltag bilanzieren. Gerade war ein Revierderby zu Ende gegangen, das mit dem Etikett historisch gerade angemessen umschrieben ist. Das lag nicht an der Qualität, sondern am irrwitzigen Verlauf der Ereignisse: Ein krisengeschütteltes Team, jenes aus Dortmund, überrollt die seit Wochen grundsoliden Schalker eine halbe Stunde lang. Es führt mit 4:0, die Stimmung ist prächtig, die Lösung der jüngsten Probleme scheint greifbar. Und doch muss es in der zweiten Hälfte Tor um Tor hinnehmen, so dass am Ende der Ausgleich steht.
«Gescheitert» sei Peter Bosz. So lauten nun manche Kommentare, und es ist sachlich gewiss nicht falsch. Gut möglich, dass nach diesem Match die Trennung des Klubs von dem Niederländer erfolgt, obwohl doch Klubchef Hans-Joachim Watzke jüngst erklärte, mit Fragen nach der Zukunft des Trainers laufe man bei ihm ins Leere. Aber Watzke wird sich den Mechanismen des Geschäfts nicht entziehen können, zumal Bosz nach dem Remis, dessen Wirkung wie die einer schweren Niederlage ist, ratlos erschien: «Man fühlt im Körper nur Enttäuschung.»
Solche Sätze hörte man zuletzt mit einer gewissen Regelmässigkeit von ihm. Immer gleich klangen die Erklärungen nach Niederlagen: «Wir haben keinen Fussball mehr gespielt, waren zu schnell den Ball los, haben die Räume nicht genutzt.» Bosz konkretisierte so gut wie nie, er sagte nicht, worum es im Detail ging. Damit unterschied er sich deutlich von seinen beiden Vorgängern, den Trainern Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Gerade Tuchel war ein akribischer Arbeiter in Detailfragen. Seine Fokussierung auf taktische Flexibilität ergab manchmal mehrere verschiedene Grundmuster während eines Spiels.
Bosz hingegen hielt sehr lange an einem 4-3-3-System fest, das in der niederländischen Fussballschule als der Königsweg zum Sieg gilt. Auch nach Niederlagen verteidigte er seine Herangehensweise vehement. Wenn sein Team verlor, dann lag es seiner Ansicht nach nicht etwa daran, dass es nicht gut genug auf die Stärken des Gegners eingestellt gewesen war. Bosz sah die Ursache vor allem darin, dass die Mannschaft seinen Plan unzureichend umgesetzt habe. Den Eindruck, dass er die eigenen Anweisungen an das Team auf ihre Tauglichkeit überprüfe, vermittelte Bosz allerdings so gut wie nie. Peter Bosz ist ein Fussballlehrer, und zwar ganz im Wortsinn: ein freundlicher, aber bestimmter Herr, dem die Methode so wichtig ist wie das Ergebnis. Dies hat er mit manchen seiner Landsleute auf der Trainerbank gemein. Ein paar Spiele lang klappte dies in Dortmund glänzend. Bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die Dortmunder auf ebenbürtige Gegner vom Schlage Tottenham oder Leipzig trafen. Deren Matches dienten der Konkurrenz als Vorlage, wie der BVB zu schlagen ist. Bosz vermochte nicht, gegenzusteuern.
Und irgendwann kam auch seinen Spielern das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten abhanden. (sos.)