- Offizieller Beitrag
Der Kunstfigur Schubiger aus dem Tagi geht es wie mir:
Schubiger
Verlorene Schadenfreude
Woher kam plötzlich diese Melancholie, fragte sich Schubiger, als er spät in der S-Bahn nach Hause fuhr. Gerade hatte er sich doch mit seinem Freund Ginser angeschaut, wie Messi Arsenal lächerlich gemacht hatte. Vielleicht, dachte Schubiger, hatte es damit zu tun, dass ihm die Show des Argentiniers mehr Spass gemacht hatte als die Bestätigung, dass nur Liverpool den englischen Fussball würdig vertreten kann. Während er die junge Frau nebenan in der Spiegelung seines Fensters musterte, erinnerte sich Schubiger, wie er vor einer Woche in einem anderen Vorortszug seine Berndeutsch sprechenden Sitznachbarn nach dem Resultat gegen Kloten gefragt hatte. Und wie ihre Antwort bei ihm nur schwache Erleichterung ausgelöst hatte. Ihm dämmerte, dass dort, wo seine tiefsten Gefühle hergekommen waren, solange er sich mit Sport beschäftigt hatte, nun eine grosse Leere herrschte. Schubiger hatte seine Schadenfreude verloren.
Schon der Besuch beim GC-Fan Ginser wäre früher zum Triumph geworden. Natürlich hatte der Schubiger daran erinnert, dass die Grasshoppers trotz Derby-Niederlage neun Punkte vor dem FCZ lagen und Kurs auf den Europacup hielten. Und wohl hatte ihm Schubiger darauf viel Spass bei der rauschenden Fussballparty gegen Dnjepr Dnjepropetrowsk gewünscht. Die Sticheleien waren aber halbherzig. Und selbst das Ritual, das Schubiger bei Ginser immer durchführte, hatte ihm diesmal nicht richtig Spass gemacht. Er empfand sogar Mitleid für die kleinen Gummi-Heuschrecken, die sein Freund in der ganzen Wohnung verteilt hatte, als er sie im Verlauf des Abends alle auf den Rücken drehte.
Die Solidarität, mit der sie darüber gesprochen hatten, wie jeder am Montag in seiner Stadion-Ecke um die Stützpfosten herum versuchte, das Spiel zu verfolgen, erschreckte Schubiger. Er war abgestumpft nach drei FCZ-Meisterschaften in vier Jahren, nach dem Sieg gegen Milan, nach den Schweizer, Europa- und Weltmeistertiteln des ZSC. Der Erfolg hatte ein echtes Gefühl verkümmern lassen. Schubiger vermisste seine Schadenfreude. Eintauschen, da machte er sich nichts vor, würde er sie trotzdem gegen keinen Sieg.