- Offizieller Beitrag
Stanley Cup Final – Spiel 6
BOS - CHI 2 : 3
Während des ersten Drittels und einer latenten Überlegenheit der Bruins hätte wohl niemand, ausser den Ultra-Blackhawk Fans, auf einen vorzeitigen Meistertitel der Blackhawks in Boston gewettet. Das Chicago Team, durchaus physisch spielend (Jagr bekam nach einem Check wohl etwas ab und kam schliesslich nur auf gute sechs Minuten Spielzeit), defensiv orientiert, im ersten Abschnitt aber kaum zu Torchancen kommend.
Tyler Seguin, der Ex-Bieler, tat sich bei den Bruins löblich hervor. Es schien, wie wenn er unsere Konversation im privaten Rahmen vor Tagefrist gehört hätte, als ich ihn neben Glen Metropolit (während seiner 1. Saison in Lugano) und Danny Brière (bei seinen Spielen im SCB) als besten Eishockeyspieler in unserer Liga lobte, aber gleichzeitig die Aussage machte, dass er in Boston nur noch ein Mitläufer sei. Die Argumentation ging in die Richtung, dass ihm als kleiner, wendiger Spieler mit hervorragender Schusstechnik die grössere Eisfläche in Europa um ein Vielfaches mehr behagen müsse, als die kleineren Eisrinks in Nordamerika, wo die Räume eng sind und agressiv auf den Körper gespielt werde. Bref, Seguin zeigte heute sein wohl bestes Playoff-Spiel in diesem Jahr überhaupt. Ständig in Bewegung, engagiert, um Tempo in seinem Spiel bemüht und dort in die Bresche springend, wo Körpereinsatz gefragt war. Er war es, der das erste Tor, welches sich seit geraumer Zeit abzeichnete, in der 8. Minute auf magistrale Weise für Kelly vorbereitete.
Die Blackhawks überstanden danach zwei Powerplays nur mit Hängen und Würgen. Das Beste für die Gäste war wohl der Ergebnisstand nach dem Startdrittel: 1:0 hiess es. Im Mitteldrittel ging es im gleichen Takt weiter: Chicago mit vorwiegend defensiven Aufgaben beschäftigt, diese aber sehr engagiert – klar, es ging ja auch um viel - lösend. Eine weitere Strafe gegen die Blackhawks folgte (Shaw musste nach einem Techtelmechtel mit Seguin 2 min raus.). Auch in dieser, für Chicago schwierigen Spielphase, verloren sie nie den Überblick, Goalie Crawford war ihr ruhender und sicher wirkender Pol und das nötige Quentchen Glück hatten sie ebenfalls gepachtet.
Noch wenige Sekunden Strafzeit bleiben, als ein Handpass die Bostoner Angriffsbemühungen ärgerlicherweise unterbrach. Das Bully in der neutralen Zone gewann Toews, Roszival machte den genau richtigen Move, düpierte Chara, lancierte steil seinen Captain. In der Mitte lief Kane mit, doch Jonathan Toews schoss diesmal selber und zwar in die nahe Ecke. Rask im Tor rechnete mit dem Pass in die Mitte und musste den Puck in seiner nahen Ecke passieren lassen. 1:1 nach 25. gespielten Minuten. Allein, das Resultat widerspiegelte zu jenem Zeitpunkt das auf dem Eis Gezeigte eher schlecht, aber so kann Eishockey sein.
Was auffällt ist die Tatsache, dass die angeschlagenen Spieler nicht mehr ihre gewohnte Leistung abrufen können - Hossa, Handzus, Horton, Bergeron, Jagr bleiben vorwiegend unsichtbar – doch für den Captain der Blackhawks, Torschütze Toews traf das nicht zu. Er spielte, wie wenn im letzten Spiel nichts gewesen wäre und schoss nun ein sehr wichtiges Tor.
Das Ausgleichstor verlieh den Blackhawks Selbstvertrauen. Oder besser gesagt, noch etwas mehr Selbstvertrauen. Eine weitere Strafe gegen die Gäste (Seabrook, Beinstellen) überstanden sie ebenfalls ohne Schaden. 6 Minuten vor der zweiten Sirene kamen dann auch die Blackhawks erstmals zum Powerplay spielen (Seguin musste nach einem Haken in die Kühlboxe). Aber auch ihnen blieb ein weiterer Torerfolg verwehrt. Nachdem die Schussstatistik im ersten Spielabschnitt 12:6 für gelb-schwarz auswies, zeigte sie im Mitteldrittel 6:9 für weiss! Chicago war definitiv wieder im Spiel. Bei unentschiedenem Spielstand ging’s in die zweite Pause.
Im dritten Drittel wogte das Spiel hin und her. Die Spannung war riesig. Noch 10 Minuten blieben zu spielen. Die beiden Blackhawks Verteidiger Keith und Hjamarsson „chüecheln“ hinter ihrem Tor, scheinen nicht voll konzentriert in jener Spielphase. Krejci geht dazwischen, Lucic mogelt sich vor’s Tor, das Pässchen kommt, Lucic haut drauf, worauf die Scheibe irgendwie an Crawford vorbei den Weg ins Tor findet. 2:1 für die Hausherren. War das der Siegtreffer?
Man konnte es annehmen, denn die Zeit zerrann. Eine weitere Überzahlsituation vermögen die Blackhawks nicht auszunützen. Noch 4 Minuten, noch 3, noch 2, noch eineinhalb Minuten, dann fährt Goalie Crawford zur Spielerbank. Kane schiesst aufs Tor – er zeigte heute, gemessen an seiner Leistung in Spiel 5, eine eher diskrete Partie – Puck vom Goalie locker abgewehrt, die Abwehr von Boston im Scheibenbesitz, Kane stoppt den Pass des verteidigenden Seidenberg aus dem Verteidigungsdrittel hinaus, indem er seinen Körper gegen die Bande presst, dito wenig später Keith nach Befreiungsbemühungen entlang der Bande von Krejci, schliesslich kommt Toews im Slot in Scheibenbesitz, legt unmittelbar vor dem Tor auf Riesenbaby Bryan Bickell, der die Scheibe doch tatsächlich zum erneuten Ausgleich einwischt! Seine Augen schienen unmittelbar nach dem Ausgleich beinahe aus ihren Augenhöhlen springen zu wollen. Wow! Kaum zu glauben! 1 Minute 16 Sekunden to go.
Die Blackhawks nun euphorisch. Die Bruins wohl mit einem mittleren Schock. Manche von ihnen hatten sich wohl in Gedanken bereits mit Spiel 7 in zwei Tagen in Chicago vertraut gemacht. Das Spiel geht weiter, Boston vermag keinen ordentlichen Angriff zu lancieren. Die Blackhawks, eine Art wie in Trance, Frolik schiesst einfach mal aufs Tor, Rask wehrt zur Seite. Der Puck kommt, ganz links an der Bande zu Oduya, der direkt draufhält, Frolik, jetzt genau in der Schussbahn der Scheibe, lenkt diese ab, Pfostentreffer (!), und wieder ist es Dave Bolland, der goldrichtig steht, den Pfostenabpraller übernehmen und zum Stanley Cup Siegtreffer einschiessen kann. (Vor 2 Tagen war auch er es, der mit dem ‚Empty Netter‘ den Sieg seiner Mannschaft sicherstellte.) Noch 58.3 Sekunden zu spielen. Nichts entscheidendes passiert mehr. Der Bär röchelt, er ist erlegt.
Die zwei Gäste-Tore ganz am Schluss des dritten Drittels küren also schliesslich die Indianer in der Höhle des Bären zum grossen Sieger und Stanley Cup Holder 2013. Die Los Angeles Kings haben in den Chicago Blackhawks einen würdigen Nachfolger gefunden.
Die Handshake- und Gratulationsszenen der Bruins Spieler halten sich in Grenzen. Kein Wunder nach so einem Finale. Doch da geht man durch. That’s Sport. Sehr fair auch das natürlich ebenfalls enttäuschte Bostoner Publikum.
Boston war sehr nahe am 3:3 Match-Ausgleich. Sie mögen mit dem Schicksal hadern. Ja, es hätte durchaus auch anders kommen können. Unsere Bären in Bern kennen ja genau dieses Gefühl ebenfalls. Doch, wie heisst es so schön auf Englisch zu schwedischer Musik: „The Winner takes it all, the Loser standing small.“ So also auch diesmal!
Übrigens:
Torschussstatistik 25 : 31
Strafenstatistik 2:4, wobei auch diesmal kein Powerplay- oder Shorthandertreffer resultierte
Die Chicago Blackhawks sind der grosse Sieger. Sie holen die Meistertrophäe nach 2010 (als sie 49 Jahre lang auf jenen Titel warten mussten) dieses Jahr also erneut. Vom 2010er Meisterkader waren dieses Jahr noch dabei:
Patrick Kane
Jonathan Toews
Patrick Sharp
Marian Hossa
Andrew Ladd
Brent Seabrook
Niklas Hjalmarsson
Dave Bolland
Bryan Bickell
Corey Crawford
Ich denke die meisten von uns erinnern sich noch sehr gerne an jene 2 Spiele im Hallenstadion, in welchen die Blackhawks am 28. September 2009 aus Davos 9:2 Kleinholz machte. Aber tags darauf, am 29.9.2009 gewannen wir in einem denkwürdigen Match anlässlich des Victoria Cup Finals gegen die nachmaligen Stanley Cup Winners sage und schreibe 2:1! Herrlich! Unvergesslich!
Es gibt aber, ausser jenem Victoria Cup Match, durchaus weitere Parallelen zwischen den Chicago Blackhawks und dem ZSC:
- Lange Wartezeit bis schliesslich in der Neuzeit endlich wieder eine Meisterschaft errungen werden konnte (CHI 49 Jahre, ZSC 39 Jahre)
- Nachfolgende(r) Meistertitel (CHI nach 3 Jahren; ZSC nach 1, 8 und 12 Jahren)
- Einer der wertvollsten Blackhawk Spieler 2013 heisst gleich, wie der ZSC Trainer 2012/13 ---> Crawford
- Die Tormusik bei CHI- und ZSC Heimspielen ist die gleiche
Wünsche allen einen erfreulichen Sommer!