Die Zukunft des Schweizer Eishockeys steht auf dem Spiel
Die National League ist nicht der Bösewicht - nun ist Zusammenhalt gefragt
Mauro Truttmann Sportredaktion / Content Creation
Die National League hat entschieden: Auch in Zukunft wird die beste Hockeyliga der Schweiz aus 14 Teams bestehen. Aufgrund der vielen negativen Berichte wollen wir einmal nachhaken: Ist wirklich die National League (NL) schuld, wenn die Swiss League (SL) nicht mehr so stark sein kann, wie sie es einst war?
"Die National League beerdigt die Swiss League!" Diese Schlagzeile gab es nach dem Entscheid, dass im Oberhaus der Schweiz weiterhin 14 Teams um die Meisterschaft kämpfen, an beinahe jeder Ecke. Anjo Urner, der Geschäftsführer des EHC Kloten, findet es aber zu einfach, die National League als Schuldigen darzustellen, wie er uns auf Nachfrage sagte. "Die These, dass die National League die Swiss League rettet oder beerdigt, ist zu einfach", so Urner, "das Konstrukt ist viel komplexer und viele verschiedene Parteien müssen ihren Beitrag für ein starkes Schweizer Eishockey leisten." Gemäss dem offiziellen Kommuniqué der National League wird die NL weiterhin mithelfen und die Ligaqualifikation wird ebenfalls beibehalten. Dass die 14er-Liga erfolgreich sein wird, sieht man heute an den Resultaten und der aktuellen Tabelle - dies sind aber "nur" die sportlichen Argumente. "Mit einem erneuten, schnellen Richtungswechsel ist niemandem geholfen und die Schwierigkeiten werden hiermit nicht gelöst", führte Anjo Urner weiter aus.
Aus der Sicht des schweizerischen Eishockeyverbandes (SIHF) sieht es ein wenig anders aus. Patrick Bloch, der CEO von Swiss Ice Hockey, erklärte uns, dass der Entscheid aus Verbandssicht und für das gesamte Schweizer Eishockey schlecht sei.
Zitat"Auf der einen Seite kann ich die Sicht eines NL-Clubs verstehen, welcher sich in der aktuellen Phase vor einem möglichen Abstieg in die Swiss League fürchtet. Auf der anderen Seite müssen wir jedoch ganzheitlich und langfristig denken. Und da ist es aus unserer Sicht so, dass die Swiss League auf attraktive Mannschaften aus der NL angewiesen ist und die Durchlässigkeit nach wie vor gewährt bleiben muss. Aus meiner Sicht wäre es am besten, wenn die NL mittelfristig wieder aus zwölf Mannschaften bestehen würde."
Patrick Bloch, CEO Swiss Ice Hockey, 10.11.2022
Der Blick muss nach vorne gerichtet sein
Die Swiss League hat sich im Jahr 2020 dazu entschieden, sich selbstständig zu vermarkten. Sie gehört weiterhin zur Swiss Ice Hockey Federation, hat aber die Swiss League AG gegründet, um die TV-Rechte eigenständig zu vermarkten. Mittlerweile ist klar, dass dieses Vorhaben gescheitert ist. Die Klubs aus der Swiss League versinken im Sumpf der finanziellen Probleme. Die Corona-Pandemie hat, unter anderem, auch ihren Beitrag dazu geleistet. Die Aufstockung auf 14 Mannschaften hat zwei Teams ermöglicht, "gratis" ins Schweizer Oberhaus aufzusteigen. Mit dem HC Ajoie und dem EHC Kloten haben bereits zwei Zuschauermagnete die Swiss League verlassen.
Durch den Aufstieg des EHC Kloten gingen in der Swiss League viele Zuschauer "verloren".
Für Patrick Bloch war der Entscheid im Jahr 2020 sicherlich nicht gut. "Das war aber auch nie im Interesse des Verbandes", so der CEO von Swiss Ice Hockey. Doch zurückzublicken und einen Schuldigen zu suchen, ergibt heute keinen Sinn, dies sieht auch Anjo Urner so. "Es ist zu einfach, es im Nachhinein besser zu wissen", meinte der Geschäftsführer des EHC Kloten.
Zitat"Das Ziel muss es sein, in die Zukunft zu schauen. Es ist nun eine Frage der strategischen Ausrichtung, die alle Swiss League Clubs gemeinsam vorgeben müssen. Damit lässt sich besser beurteilen, ob eine Eigenständigkeit die Liga weiterbringen kann oder nicht."
Anjo Urner, Geschäftsführer EHC Kloten, 04.10.2022
Nicht überreagieren, sondern handeln
Wie bereits erwähnt, ergibt es jetzt keinen Sinn, jemandem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Die National League als den Bösewicht darzustellen, grenzt an eine Überreaktion. Der Entscheid steht fest, nun gilt es zu handeln und die Swiss League qualitativ und finanziell zu sichern. "Alle Involvierten müssen ihren Beitrag leisten", meinte Anjo Urner, "Die National League wird die Swiss League weiterhin operativ und ressourcentechnisch stark unterstützen." Damit die zweitbeste Hockeyliga der Schweiz weiterhin bestehen kann, muss der Verband interessante Spiele bieten, die erfolgreich vermarktet werden können. Kann man die SL-Partien den Zuschauern wieder vermehrt schmackhaft machen, dann werden die Klubs auch für Sponsoren wieder interessanter und es fliesst mehr Geld in die Kassen.
Zitat"Wir müssen einen klaren Modus definieren für den Auf- und Abstieg zwischen der National League, der Swiss League und der MyHockey League. Und wir müssen dafür sorgen, dass der Schweizer Nachwuchs optimale Bedingungen vorfindet, um sich zu entwickeln und in den besten Ligen der Schweiz, aber auch international zu brillieren."
Patrick Bloch, CEO Swiss Ice Hockey, 10.11.2022
Die Teams aus allen Ligen müssen jetzt zusammenhalten.
Es geht jetzt darum, Lösungen zu finden und jede erdenkliche Möglichkeit zu diskutieren. Wäre es vorstellbar, die Swiss League und die MyHockey League zu fusionieren? "Es ist wohl der richtige Weg, die Lösung im 'Big-Picture' zu suchen und damit die 1. Liga bis und mit National League miteinzubeziehen", antwortete Anjo Urner auf diese Frage. Eines ist auf jeden Fall klar: Die Klubs aus jeder Liga müssen zusammenhalten und die eigenen Interessen in den Hintergrund stellen, um die Swiss League und die Zukunft des gesamten Schweizer Eishockeys zu sichern.