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Interview mit dem ZSC-Sportchef
«Als ich das sah, tat mir alles noch viel mehr weh»
Sven Leuenberger sagt nach dem verspielten 3:0 im Playoff-Final gegen den EV Zug, was ihn am meisten ärgerte. Und ob er mit Coach Rikard Grönborg und Topskorer Denis Malgin plant.
Simon Graf
Publiziert heute um 20:00 Uhr
Schwer enttäuscht: ZSC-Stürmer Sven Andrighetto nach dem verlorenen Spiel 7 in Zug.
Foto: Claudio Thoma (Freshfocus)
Haben Sie die Finalniederlage schon verdaut?
So schnell geht das nicht. Am Tag des letzten Finalspiels stand ich morgens auf und freute mich extrem darauf. Das Aufstehen nach Spiel 7 fiel mir weitaus schwerer. Jetzt brauche ich schon etwas Zeit zur Verarbeitung.
Sie haben schon vieles erlebt als Sportchef, auch das Verpassen des Playoff als Meister. Ist der verlorene Final nach einer 3:0-Führung das Bitterste?
Das 3:0 steht für mich nicht im Vordergrund. Es hat sich einfach so ergeben. Ich rege mich einfach darüber auf, dass wir es in den Spielen 5 und 6 nicht schafften, den Sack zuzumachen. In Spiel 5 in Zug läuft alles nach Drehbuch, wir gehen in Führung, später bekommen wir den dummen Shorthander zum 1:2. Wenn du solche Fehler machst, musst du dich nicht wundern, wenn du verlierst. Im Hallenstadion in Spiel 6 zeigten wir unsere beste Leistung, aber schossen die Tore nicht. Es wäre etwas anderes, wenn wir viermal chancenlos gewesen wären. Aber wir hatten zwei gute Möglichkeiten und waren nicht fähig, sie zu nutzen. Das nervt mich.
Auch in Spiel 7 führten die ZSC Lions noch.
Ja, richtig. Und dann bekommen wir zwei Unterzahltore wegen Strafen, die nicht sein müssten. Wir waren zu wenig abgeklärt. Das haben die Zuger perfekt gemacht. Wenn sie in Führung waren, kontrollierten sie das Spiel. Das schafften wir nicht.
Sie sprechen die Strafen an: Wie kann es passieren, dass sich ein Routinier wie Yannick Weber in einem solch kapitalen Spiel zu einem Ellbogencheck hinreissen lässt, als der Puck längst weg ist?
Er war wohl übermotiviert. Aber wir müssen nicht diskutieren, das darf nicht passieren.
Trotz des verlorenen Spiels fuhr das Team am Sonntag spät noch ins Hallenstadion, um sich von den Fans zu verabschieden. Waren Sie da auch dabei?
Ja, ich war dabei. Wir sagten von Anfang an: Unsere Fans waren in diesem Playoff so genial, egal, was passiert, wir gehen vorbei, um ihnen zu danken. Wir trafen nach Mitternacht im Hallenstadion ein, und es waren immer noch rund 1000 Leute dort. Sie hätten auch Trübsal blasen können, aber sie machten Stimmung, sangen und verabschiedeten die Spieler, die uns verlassen. Schlichtweg grossartig! Als ich das sah, tat mir alles noch viel mehr weh. Beim Public Viewing waren ja gegen 8000 Leute im Hallenstadion gewesen.
Ab Spiel 4 schossen die ZSC Lions nur noch drei Tore. Woran lag es?
Wir hatten genügend Chancen, um die Serie abzuschliessen. Aber uns fehlte im Final die Breite in der Offensive, so kam eine gewisse Anspannung auf. Die Malgin-Linie spürte, sie muss es richten. Der Ausländersturm wusste: Wir müssen auch einmal skoren. Die dritte und vierte Linie schoss kein Tor im Final.
Quote«Unser Kampfgeist gefiel mir sehr im Playoff. Wir gaben nie auf. Es war mehr die Schlauheit, die uns fehlte.»
Zuletzt waren dann auch Malgin und Andrighetto müde.
Nicht nur sie. Die ersten 40 Minuten von Spiel 7 hatten wir noch recht Schwung, danach konnten wir praktisch keinen Druck mehr erzeugen. Aber ich kann der Mannschaft nicht vorwerfen, sie habe nicht alles gegeben. Da muss ich dem Team ein Kränzchen winden. Es heisst ja immer, wir hätten nur Techniker und Schönwetterspieler. Aber das stimmt überhaupt nicht. Unser Kampfgeist gefiel mir sehr im Playoff. Wir gaben nie auf. Es war mehr die Schlauheit, die uns fehlte.
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Waren Sie beeindruckt, wie cool die Zuger nach dem 0:3 blieben?
Sie haben es gut analysiert. Sie wussten, sie hätten von den ersten drei Spielen auch zwei gewinnen können. Sie sagten sich: Wir wissen, was wir können, die Zürcher haben auch ein bisschen Puckglück gehabt. Ja, diese Abgeklärtheit war eindrücklich. Und ich war überrascht, dass es nicht mehr Rummel gab, nachdem Dan Tangnes in Spiel 1 bei der Coach’s Challenge die falsche Szene hatte analysieren lassen.
Apropos Dan Tangnes: Mit seinen Umstellungen nach Spiel 3 und kleinen Veränderungen im Powerplay sorgte er für eine neue Dynamik. Wurde Rikard Grönborg ausgecoacht?
Ausgecoacht würde ich nicht sagen. Dass Tangnes Herzog und Hofmann tauschte, hatte den gewünschten Effekt. Da hatte er ein glückliches Händchen. Wir wechselten auch Diem und Baltisberger, weil wir dachten, Chris haut den Puck vielleicht noch rein. Was die Zuger Tore im Powerplay betrifft: Wir wussten, dass sie immer die Mitte suchen, das war keine Überraschung. Aber unsere Umsetzung war zu wenig gut.
Rund 1000 ZSC-Fans empfingen das Team im Hallenstadion nach Mitternacht.
Foto: Instagram Denis Malgin
Anders gefragt: Wurde Grönborg durch das 3:0 in der Serie nicht zu sehr zu einem Verwalter?
Ich finde, er hat durchaus einiges versucht. So stellten wir in Spiel 6 beispielsweise um auf ein Zweimannforechecking. Es ging eigentlich auf, nur schossen wir die Tore nicht.
Was nehmen Sie mit aus diesem Playoff?
Wir dürfen nicht vergessen: Gegen Biel (im Viertelfinal) standen wir sieben Minuten vor dem Aus. Wenn da Hollenstein nicht zweimal trifft, herrscht Katzenjammer. Hätten wir gegen Zug gewonnen, wäre alles wunderbar. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Wir müssen uns schon Gedanken machen, wie wir diese Mannschaft weiter gestalten wollen.
Quote«Können wir vermehrt mit Jungen spielen mit dem Risiko, dass wir auf dem sechsten oder siebten Platz landen? Wie reagiert das Umfeld?»
Sie meinen verjüngen? Der jüngste Spieler, der im Playoff regelmässig zum Einsatz kam, war der 23-jährige Justin Sigrist. Kann sich das der Club mit der grössten Nachwuchsorganisation leisten?
Das ist eine sehr gute Frage. Der einzige U-20-Spieler, der im Halbfinal regelmässig zum Einsatz kam, war der Davoser Simon Knak. Und der HCD schied in hohem Bogen aus. Es ist ein Spagat. Wie viel Raum hat man? Können wir vermehrt mit Jungen spielen mit dem Risiko, dass wir auf dem sechsten oder siebten Platz landen? Wie reagiert das Umfeld? Oder sind wir zum Erfolg verdammt? Kommt dazu: Haben wir zurzeit diese jungen Spieler, auf die wir setzen könnten? Momentan haben wir in der U-18- und der U-20-Nationalmannschaft keinen einzigen Spieler. Biel liess Noah Delémont im Playoff spielen und schied im Viertelfinal aus. Zürich ist nicht Biel. Aber die Frage ist berechtigt, wir werden sie diskutieren müssen.
Es war lange eine sehr unbefriedigende Saison…
(unterbricht) … zwei Monate waren unbefriedigend. Ab Weihnachten spielten wir hervorragend.
Okay, danach wurde es besser. Aber die Frage ist: Wie beurteilen Sie die Leistung von Rikard Grönborg? Er zog seine Ausstiegsklausel ja nicht. Bleibt er?
Ich gehe heute davon aus, dass Grönborg nächste Saison bei uns an der Bande steht.
Grönborg hat weniger die langfristige Entwicklung im Auge, vielmehr coacht er auch bei den ZSC Lions wie ein Nationaltrainer, primär darauf bedacht, das nächste Spiel zu gewinnen. So gesehen, hat er mit der Finalniederlage nicht erfüllt.
Ja, der letzte Schritt fehlte.
Wie können Sie das Team verjüngen?
Es ist ein laufender Prozess. Wir haben mit Geering, Weber, Hollenstein und Bodenmann einige Leistungsträger jenseits der 30. Aber wir haben jüngst auch mit Andrighetto und Malgin zwei Topspieler im besten Alter zurückgeholt, Sigrist hat sich etabliert, Bachofner kommt retour. Der Umbruch ist noch nicht abgeschlossen. Und schade für uns, haben wir mit Siegenthaler oder Kukan eigene Spieler, die in Nordamerika spielen.
Apropos Nordamerika: Bleibt Denis Malgin?
Das müssen Sie ihn fragen. Zuerst müsste er einmal ein Angebot aus der NHL haben.
Wie verändert sich das Gesicht des Teams auf nächste Saison? Kommen vier neue Ausländer dazu?
Drei oder vier neue Ausländer, ja. Wir müssen intern noch besprechen, ob wir mit fünf oder sechs Ausländern starten. Azevedo und Roe haben ja noch einen Vertrag, und ich gehe davon aus, dass sie bleiben.
Ist einer der neuen Ausländer ein Goalie?
Ziemlich sicher, ja.
Die ehemaligen NHL-Stürmer Lucas Wallmark und Markus Granlund sollen schon unterschrieben haben. Stimmt das?
Dazu werde ich mich zu gegebener Zeit äussern. Jetzt müssen wir zuerst einmal die Nachbearbeitung des Playoff abschliessen.
Quote«Ich glaube, es wird mit sechs Ausländern schwieriger, Tore zu schiessen. Die Liga entwickelt sich in die skandinavische Richtung.»
Wie wird sich die Erhöhung der Ausländer von vier auf sechs auswirken?
Ich glaube, es wird schwieriger, Tore zu schiessen. Etwa fünf Teams werden auf einen ausländischen Goalie setzen, viele werden in der Abwehr zwei Ausländer haben. Ich glaube, die Liga entwickelt sich in die skandinavische Richtung, mit einer grundsoliden Verteidigung. Und wir Schweizer sind ja nicht dafür bekannt, Tore en masse zu schiessen.
Was ändert für die ZSC Lions mit dem Umzug in die Swiss-Life-Arena?
Dass wir endlich ein eigenes Zuhause haben werden. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das beginnt beim Nachwuchs. Unsere Junioren müssen nicht mehr von Eisbahn zu Eisbahn tingeln. Und auch die erste Mannschaft muss nicht immer wieder packen wie im Hallenstadion. Das sollte der ganzen Organisation helfen. Und natürlich ist es finanziell von grossem Vorteil.
Allerdings werden die ZSC Lions wegen Bauverzögerungen erst Mitte November ihre ersten Heimspiele austragen können.
Voraussichtlich, ja. Das ist nicht ideal. Aber wir müssen es akzeptieren.
Und wie gelingt es, den EV Zug zu entthronen?
Unsere Erfahrungen aus dem Final werden uns sicher helfen. Punkto Cleverness und Abgeklärtheit können wir uns sicher noch steigern.