Unten vertritt Klaus Zaugg seine altbekannte Theorie, wonach beim ZSC ein "Machtkampf" zwischen Trainer und Spielern im Gange sei. Tönt für mich etwas nach "Retorten-Text", in welchem gewisse Platzhalter mit Klubkürzeln und Spielernamen gefüllt werden müssen. Nicht nachvollziehbar, weshalb nach kaum einer Handvoll Spielen das Verhältnis zwischen Hartley und dem Team schon derart zerrüttet sein soll. Zumal die Spieler genau wissen, dass nach den vergangenen Jahren kaum ein Journalist oder Fan dem Trainer die Schuld in die Schuhe schieben würde. Wobei, es gibt ja noch den Sportchef, auf den man sich "einschiessen" kann. Eher zutreffend ist die Aussage, wonach es für die Grossverdiener beim ZSC nicht um die "Eishockey-Existenz" geht, wie es etwa für einen Wasserträger in der 3en Linie von Ambri der Fall wäre, würde der Klub abschmieren.
Nur, Ambri ist nicht der Regelfall in der CH. Auch bei der Konkurrenz wissen die Leistungsträger haargenau, dass ein "Aus" für den Klub - aus was für Gründen auch immer - für sie wenig gravierende Folgen hätte. Sie würden sofort einen anderen Klub finden, allenfalls müssten kleinere Lohneinbussen in Kauf genommen werden. Dieser Sachverhalt taugt deshalb nicht als Erklärung. Bob Hartley dürfte in seinem Interview eher den wunden Punkt - nämlich Verunsicherung und Angst - getroffen haben.
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«TIME-OUT»
21. September 2011 18:32; Akt: 22.09.2011 08:22 Print
Das logische Scheitern der ZSC-Trainer
von Klaus Zaugg - Wir erleben bei den ZSC Lions einen Mannschaftssport-Klassiker: Wer ist mächtiger? Die Spieler oder der Trainer?
Bei der Analyse der ZSC-Krise können wir alle solchen hockeytechnischen Details vergessen. Sie spielen nur eine marginale Rolle. Die Talent-Gesamtsumme der Spieler ist gross genug für einen Spitzenplatz. Das Problem liegt viel tiefer: Die ZSC Lions sind keine Mannschaft. Weil die Spieler zu mächtig sind. Und der Trainer ohnmächtig ist. Dieses Problem ist (fast) nicht zu lösen.
Ambri machts dem ZSC momentan vor
Wir erleben in dieser Saison zwei extreme Beispiele: Auf der einen Seite ein neues Ambri, aus grosser Not geboren. Mit Spielern, die näher zusammengerückt sind weil sie wissen, dass es nicht nur um die Existenz ihres eigenen Arbeitgebers geht. Sondern auch um ihren Job. Mehr als die Hälfte der Spieler machen sich keine Illusionen: Wenn wir mit Ambri untergehen, ist unsere Karriere in der NLA zu Ende. Mit einem Trainer, der in diese Situation passt: Kevin Constantine ist ein ehemaliger NHL-General, der in Ambri am Ort seiner Bestimmung angelangt ist: In den NHL-Palästen war ihm nie richtig wohl. In Ambri aber ist er an die Ursprünge des Hockeys zurückgekehrt.
Auf der anderen Seite die ZSC Lions. Hier wissen alle, dass die Existenz gesichert ist, komme was wolle. Eine mit Ambri vergleichbare Bindung an den Arbeitgeber gibt es nicht mehr. Drei Viertel der Spieler gehen davon aus, dass sie auch bei einem anderen Arbeitgeber ihre Karriere fortsetzen können. Diese Mannschaft ist also keine «Schicksalsgemeinschaft». Die Teambildung ist in Zürich schwieriger als in Ambri: In der grössten Stadt der Schweiz können die Spieler, wenn sie denn wollen, anonym bleiben. Das ist in Ambri, in Langnau, in Kloten, ja nicht einmal in Bern möglich: Dort führen ungenügende Leistungen zu Druck aus dem sozialen Umfeld: Es ist den Menschen in der Stadt, im Dorf, nicht egal, wenn das Hockeyteam verliert. Im Eishockey, das viel mehr noch als der Fussball von Emotionen und der Chemie im Team lebt, haben die Mannschaften aus den Dörfern und Kleinstädten (Davos, Arosa, Langnau, Ambri, Kloten) schon immer eine ganz besondere Rolle gespielt.
Den «Groove» von 2008 verloren
Aber die ZSC Lions haben auch grosse Erfolge gefeiert. Sie holten 2008 den Titel, sie haben die Champions Hockey League gewonnen und die Chicago Black Hawks besiegt. Noch immer die grössten Erfolge in der Geschichte des Schweizer Mannschaftsportes. Diese internationalen Wettbewerbe lösten bei den Zürchern jenen «Kick» aus, der sie das gesamte Talent mobilisieren liess. Im Vergleich zu den Titanen aus Finnland, Schweden, Tschechien, Russland und Amerika waren sie die Aussenseiter. Die ZSC Lions waren sozusagen das Ambri des internationalen Eishockeys.
Aber dieser «Groove» des Frühjahres 2008 (Meister nach einem 6. Platz in der Qualifikation) und der internationalen Wettbewerbe hielt nur ein gutes Jahr. Die sportliche Bilanz des Unternehmens ZSC Lions in den letzten sieben Jahren ist völlig ungenügend: Ein Final, ein Titel, aber einmal in den Playouts und viermal in den Viertelfinals gescheitert. Die grossen ZSC-Lions der Neuzeit waren nicht jene, die Europa erobert haben. Sondern jene, die nach der schweren Krise 1998 aus der Not entstanden sind und unter Michel Zeiter, «dem König der Löwen», dreimal hintereinander (2000, 2001, 2002) das Finale erreichten und zwei Titel (2000, 2001) holten. Die Erinnerungen an die Zeiten der Krise waren damals noch wach und die Spieler hatten sich noch nicht an den von Walter Frey garantierten Wohlstand gewöhnt.
Die märchenhaften internationalen Erfolge haben die Spieler zu mächtig gemacht. Der Meisterblues ist in der Regel nach einem Jahr vorbei. Der Blues nach den Triumphen in der Champions Hockey League und des Sieges über Chicago hält hingegen immer noch an. Ein Trainer kann sagen, was er will: Tief in der Hockeyseele der Spieler schlummert die Gewissheit: Wir wissen es besser, wir haben sogar ein NHL-Team besiegt. Das Scheitern der ZSC-Trainer ist also logisch.
Kein Spielertausch wie in AmerikaDieses Problem zeigt sich in allen Ligen. Am spektakulärsten ist die Problemlösung in der NHL. Hier haben die Manager dank der liberalen Transfergesetze (Spieler können gegen ihren Willen getauscht werden) die Möglichkeit, die Chemie im Team immer wieder neu zu mischen und auch die vermeintlichen Superstars auszutauschen. Ein Beispiel: In Boston bebte vor sechs Jahren die Hockeyerde, als Superstar Joe Thornton nach San José transferiert wurde. Im letzten Frühjahr hat Boston den Stanley Cup geholt.
Bei den ZSC Lions sind solche Transfers unmöglich. Das Management hängt an seinen Stars wie an wertvollen alten Erbstücken und kann sich auch nicht von Ari Sulander trennen. Der eingebürgerte Finne ist am 6. Januar 42 Jahre geworden.
Wie lange kann sich Hartley noch halten?
Eine nachhaltige Wende gibt es bei den ZSC Lions nur, wenn die Chemie in der Mannschaft neu gemischt wird. Sportchef Edgar Salis versucht, mit einem neuen Trainer diese Chemie zu mischen. Richtigerweise mit einem Trainer, der aus einem anderen Hockey-Kulturkreis kommt, andere Methoden anwendet und sich nicht um Privilegien und Verdienste aus der Vergangenheit schert. Sondern nur die aktuelle Leistung berücksichtigt.
Aber er trifft auf Spieler, die sich ihrer Macht bewusst sind und davon ausgehen, dass sie ihre schönen Verträge garantiert haben und der Trainer gehen muss. Komme was wolle. Bob Hartley steht damit vor der schwierigsten Aufgabe seiner Karriere. Entweder setzt er sich mit Karacho durch und rockt und rollt in die Spitzengruppe der Liga – oder er scheitert mit Karacho und wird nach dem Sturz in die Playouts gefeuert. Einen Mittelweg gibt es nicht.
Wenn sich selbst Hartley nicht durchsetzen, dann kommt Sportchef Salis nicht mehr darum herum, die Hierarchie seines Teams umzubauen und sich von den alten Stars zu trennen. Keine einfache Aufgabe. Schliesslich ist der ehemalige Verteidiger – er war eine ZSC-Kultfigur - mit seinen Stars befreundet. Auch das ist eines der ZSC-Probleme.