- Offizieller Beitrag
Die Rückkehr des verlorenen Talents
Luca Cunti zog einst aus, um die Eishockeywelt zu erobern. Heute gibt er, mit 21, sein ZSC-Debüt.
Von Simon Graf, Zürich
Die Sonne strahlt an diesem schönen Herbsttag auch für Luca Cunti. Endlich ist seine ZSC-Premiere in einem Ligaspiel greifbar. Heute Samstag wird er in Zug auflaufen, im Alter von 21 Jahren und gut drei Monaten. Und der Erlenbacher, der einst als grösstes Talent in der ZSC-Organisation, ja sogar im ganzen Schweizer Eishockey galt, sagt: «Ich will nichts mehr verpassen.» Wobei man dazu bemerken könnte: Für sein junges Alter hat Cunti schon einiges erlebt. GCK, Thurgau, Dübendorf, Weinfelden, Chicago Steel, Rimouski in Kanada, SCL Tigers, GCK und ZSC heissen seine Stationen seit 2006, man könnte von Odyssee sprechen. Doch er sagt: «Ohne diese Erfahrungen wäre ich heute nicht so weit.»
Hartley: «Eine gute Investition»
Cunti ist auf gutem Weg zum Stammspieler beim ZSC, mehr noch: Wer ihn in der Vorbereitung sah, ahnt, dass er in dieser Mannschaft eine wichtige Rolle spielen kann. Eigentlich war er gar nicht für die NLA vorgesehen gewesen, doch als er im Vorbereitungsspiel zwischen Haupt- und Farmteam im GCK-Dress brillierte, holte ihn Bob Hartley hoch. «Ich kannte ihn nicht», blickt der Kanadier zurück. «Doch mir gefiel, was ich sah. Er hat ein gutes Auge und ist unheimlich schnell. Er wird einige Verteidiger mit seinem Tempo in Verlegenheit bringen. Cunti eine Chance zu geben, ist eine gute Investition.» Und inzwischen hat dieser auch die Knieverletzung überstanden, die er im letzten Testspiel gegen die Lakers erlitten hatte.
Heute beginnt für den Spielmacher also der zweite Anlauf in der höchsten Liga. Der erste, im Winter 2009/10 bei den SCL Tigers, hatte für ihn in Frustration und mit dem vorzeitigen Abbruch nach zwölf Spielen geendet. «Jene Saison war die mit Abstand schlimmste», blickt er kopfschüttelnd zurück. «Ich hatte mein Ziel aus den Augen verloren, ernährte mich nicht gut, war kein Profi mehr. Ich war nicht fit und hatte keine Kraft mehr, auch mental nicht.»
Im Februar wurde bei ihm das Pfeiffer’sche Drüsenfieber festgestellt, die Saison war vorbei. «Als ich das erfuhr, brach zuerst einmal alles über mir zusammen», erzählt er. «Ich musste mir ein, zwei Monate Zeit nehmen und mich fragen: ‹Luca, was willst du in deinem Leben erreichen?› Mir wurde klar, wie sehr ich diesen Sport liebe, dass ich ohne ihn nicht glücklich sein kann.»
Den Kraftraum entdeckt
Jene Zeit, so schmerzlich sie gewesen sei, habe ihn zurück auf den richtigen Weg gebracht. Er rief GCK-Sportchef Simon Schenk an, bat ihn um eine letzte Chance und sagt heute: «Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir diese gewährt hat. Dino Stecher gab mir die Möglichkeit, eine Führungsrolle im Team zu übernehmen. Und mich auf das Niveau zu bringen, von dem ich irgendwann den Sprung in die Nationalliga A wagen kann.» Der Schlüssel war für Cunti die körperliche Fitness. «Wenn ich etwas ändern könnte von früher, dann würde ich es körperlich anders angehen», sagt er, zu dessen täglichem Pensum nun Einheiten im Kraftraum zählen.
Es ist der Lernprozess eines Spielers, der auf allen Juniorenstufen allein mit seinem Talent den Kollegen überlegen war. «Als halber Bündner war mein Weg ins Eishockey vorgezeichnet», erinnert sich der Neffe des früheren Aroser Meisterstürmers Pietro Cunti. «Und ich merkte bald, dass ich ein paar Gene fürs Eishockey mitbekommen habe, es mir leichter fällt als anderen.» Inzwischen hat er erkannt: «Es gibt viele Talente, aber die meisten schaffen es nicht. Entscheidend ist der Wille. Nur wenn man ein klares Ziel hat und es mit aller Kraft verfolgt, erreicht man etwas.» Die NHL, von der er als Tampa-Draft träumte, ist bei ihm immer noch im Hinterkopf. «Aber nur im Hinterkopf, nicht vorne», betont er. «Ich habe mir ein klares Ziel gesteckt, und wenn ich das erreicht habe, setze ich mir ein neues.»
Was sein Ziel ist, will er nicht verraten. «Das ist persönlich.» Er sagt aber: «Ich habe ein gutes Gefühl, dass die ZSC Lions noch Grosses erreichen.» Und bestimmt würde er da gerne seinen Teil beitragen.
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