Die Diskussion ist durchaus berechtigt, wenn man nur schon die Transfers für 2019/2020 betrachtet.
Aus der NZZ:
Gegen 800 000 Franken für den Torhüter Leonardo Genoni in Zug, kolportierte 650 000 Franken für Tobias Stephan im Lausanne HC. Offerten in der Höhe von fast 700 000 Franken für die Stürmer Enzo Corvi und Grégory Hofmann. Die Lohnspirale im Schweizer Eishockey dreht unaufhörlich; bald dürfte die Schallgrenze von einem siebenstelligen Jahressalär geknackt werden. Die Entscheidungsträger sind sich seit Jahren einig, dass es so nicht weitergehen kann, weil sich das Geschäftsmodell schlicht nicht rechnet. Eine Mehrzahl der Klubs weist jedes Jahr ein substanzielles strukturelles Defizit aus, das durch Mäzenatentum gedeckt werden muss. Es ist kein Zufall, dass Kloten (2012, 2016) und Genf/Servette (2018) den Konkurs nur in extremis abzuwenden vermochten.
Die Kosten explodieren, weil das Problem ein Grundsätzliches ist: Es gibt zu wenig hochkarätige Schweizer Eishockeyprofis, um zwölf Teams adäquat zu bestücken – zumal immer mehr Spieler nach Nordamerika exportiert werden. Die Nachfrage ist grösser als das Angebot, die Löhne steigen.
Der CEO des SC Bern, Marc Lüthi, ist ein Befürworter der Erhöhung des Ausländerkontingents. (Bild: Anthony Anex / Keystone)
Der CEO des SC Bern, Marc Lüthi, ist ein Befürworter der Erhöhung des Ausländerkontingents. (Bild: Anthony Anex / Keystone)
Es gab die Hoffnung, dass der üppig dotierte und 2017 in Kraft getretene TV-Vertrag die finanzielle Lage vielerorts entspannen würde. Doch an den Zusatzeinnahmen von mehr als einer Million Franken pro Saison laben sich nur die Spieler und Agenten. Denn sosehr die Klubbesitzer in Diskussionsrunden Besserung geloben: Bei der nächsten Vertragsverhandlung entpuppen sich die hehren Absichten als Lippenbekenntnisse. Die Entourage des amerikanischen Milliardärs Ken Stickney klagte einst in Kloten, das Salärniveau in der Liga sei viel zu hoch, der damalige Präsident Doug Piper sagte, es handle sich um «kein gutes Modell». Doch heute ist Lausanne, Stickneys neuer Klub, der unverbesserlichste Lohntreiber der Liga. Neben dem bald 35 Jahre alten Stephan nahm der Klub für die Saison 2019/20 auch den Nationalstürmer Cody Almond von Genf/Servette unter Vertrag, auch er wird mehr als 600000 Franken verdienen. Ein anderer Klub mit einem sehr vermögenden Präsidenten ist der EV Zug, der auf dem Transfermarkt so aggressiv auftritt wie noch nie. Andere Vereine rühmen sich, sie machten beim Wettbieten nicht mit – und bedienen sich dafür billigster Tricks, etwa mit saftigen Einzahlungen in die Pensionskasse eines Spielers.
Über die Jahre sind unzählige Szenarien entwickelt worden, um die Löhne unter Druck zu setzen: die Einführung einer Gehaltsobergrenze, die Beschränkung der von Mäzenen zur Verfügung gestellten Gelder. Es wurde viel geredet und wenig erreicht. In diesem Sommer kam Bewegung in die Sache: Die zwölf National-League-Klubs stimmten informell über eine Erhöhung des Ausländerkontingents von vier auf sechs Spieler ab. Die Idee ist diese: 24 zusätzliche Ausländer in der Liga würden die Löhne senken. Ein Sportchef sagt es so: «Für einen Schweizer, der 400 000 Franken kostet, findet sich ein gleichwertiger Finne oder Tscheche für 150 000 netto.» Es ist eine These, die nicht alle Manager teilen; ihnen geht die Erhöhung zu wenig weit. Es gibt Stimmen, die für eine Erhöhung auf acht Ausländer plädieren, was dem Produkt National League und auch der Qualität der Nationalmannschaft allerdings nicht zuträglich wäre. Peter Zahner, der ehemalige Verbandsdirektor und heutige CEO der ZSC Lions, warnt vor einer Aufstockung. Er sagt, der Schaden sei schnell angerichtet, es brauche dann Jahre, um ihn wieder zu beheben.
Es fand sich bei der Abstimmung im Juni keine Mehrheit, doch auch wenn das Thema nicht auf der Traktandenliste der Ligaversammlung von dieser Woche steht, läuft die Debatte weiter. Denn die Motion hat mehrere Befürworter, unter ihnen Genf/Servette, Lausanne oder Davos – und vor allem: den SC Bern. Der Berner Manager Marc Lüthi gilt als mächtigster Mann der Branche, als Strippenzieher, der schon manche Allianz geschmiedet hat. Der SCB braucht nach dem Abgang Genonis einen Ersatz; zusätzliche Ausländerlizenzen würden die Berner von einigen Sorgen befreien.
Nun wäre es fahrlässig, eine so einschneidende Entscheidung aufgrund von kurzfristigen Interessen zu fällen. Aber die Liga dreht sich in dieser Angelegenheit seit einer Ewigkeit im Kreis. Die Berner Not ist womöglich jener Anstoss, den es für eine Reform braucht.