• Offizieller Beitrag

    Eine Meisterschaft zerstört sich selbst

    Wie Putins Krieg die Sportlandschaft durchpflügt

    Der russischen KHL droht der Zerfall, profitieren könnte nebst Schweden vor allem die Schweizer Eishockeyliga.

    Simon GrafKristian Kapp
    Kristian Kapp, Simon Graf

    Eishockey, während das Land im Krieg ist: Fans von SKA St. Petersburg begrüssen das Heimteam vor dem Playoff-Spiel gegen Spartak Moskau am 18. März 2022.


    Eishockey, während das Land im Krieg ist: Fans von SKA St. Petersburg begrüssen das Heimteam vor dem Playoff-Spiel gegen Spartak Moskau am 18. März 2022. Foto: Maksim Konstantinov (SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

    Gibt es die KHL nächste Saison überhaupt noch? Und wenn ja, in welcher Form? Das sind die Fragen, die derzeit auch viele nicht-russische Spieler und ihre Agenten umtreibt. Ausserhalb der sportlichen Blase sorgt die vorwiegend aus russischen Teams zusammengesetzte Kontinental Hockey League für andere Schlagzeilen. Wenn während aktueller Playoffspiele das für die Unterstützung des Krieges stehende «Z» prominent auf Anzeigetafeln auftaucht, wirkt die Liga in ihrer Inszenierung wie ein Propagandavehikel des Putin-Regimes. Volume 90%


    Pausenunterhaltung: In der 1. Drittelspause bei Bars Kasan – Avangard Omsk am 10. März 2022 wird für die Zuschauer das Z-Symbol eingeblendet.

    Zwei der fünf nicht russischen Teams, Jokerit Helsinki und Dinamo Riga, haben sich nach Kriegsbeginn von der KHL losgelöst. Die anderen sind Clubs aus China (Red Star Kunlun), Kasachstan (Barys Nur-Sultan) und Weissrussland (Dinamo Minsk), alle sind bereits aus der Meisterschaftsentscheidung sportlich ausgeschieden.

    Platz für mindestens 30 neue Import-Spieler


    Die KHL ist nach der nordamerikanischen NHL die sportlich zweitbeste Eishockeyliga der Welt. Diesen Status könnte sie nun verlieren. Denn nicht nur die vielen russischen Spieler, die ein Engagement in der Heimat vorziehen, machen die KHL aus. Sondern auch zahlreiche nordamerikanische, finnische und schwedische Topspieler. Damit könnte es vorbei sein.

    Er könne sich kaum vorstellen, dass diese nicht russischen Spieler nächste Saison in die KHL zurückkehren, sagt Peter Wallén. Der 57-jährige Schwede ist der wohl prominenteste schwedische NHL-Spieleragent, er betreut Topstars wie Victor Hedman, Gabriel Landeskog oder Jonas Brodin, hat aber auch in Europa Kundschaft.

    Zitat
    «Die Ligen in der Schweiz und Schweden könnten nächste Saison richtige Powerhouses im europäischen Eishockey werden.»
    Peter Wallén, schwedischer Agent

    Die schwedische Liga SHL werde bereits jetzt von Anfragen von Spielern mit KHL-Verträgen überschwemmt, sagt Wallén. Er erwartet dasselbe für die Schweizer National League. Seine Prognose: «Diese beiden Ligen könnten nächste Saison richtige Powerhouses im europäischen Eishockey werden.»

    Die Ausgangslage in der Schweiz ist in der Tat speziell. «Der Markt ist wegen der Situation in der KHL von Spielern überflutet, es herrscht grosse Unsicherheit bei den Spielern», bestätigt Jan Alston, Sportchef des HC Davos, der noch auf der Suche nach zwei Ausländern für nächste Saison ist. Nächsten Winter dürfen die National-League-Clubs mit fünf statt wie bislang vier Ausländern spielen. Gibt es einen Aufsteiger, was wahrscheinlich ist, sind es sogar sechs. Da niemand absteigt, wären es neu 14 NL-Teams, das sind also gut 30 neue Plätze für Importspieler.

    Das Angebot übersteigt dennoch die Nachfrage. Dafür sorgt schon alleine Jokerit Helsinki. Ob die Finnen bereits nächste Saison wieder in ihre heimische Meisterschaft einsteigen können, ist fraglich. All ihre Spieler dürften bereits auf Clubsuche sein, da ihnen droht, nächste Saison in keiner Meisterschaft teilnehmen zu können. Sie dürften auch Richtung Schweiz schielen. Genauso wie die nicht russischen KHL-Goalies – allein sechs schwedische Torhüter spielten diese Saison in der KHL. Der Clown hat in der KHL ausgelacht: Henri Ikonen trägt das Kult-Jersey Jokerit Helsinkis beim Auswärtsspiel gegen SKA St. Petersburg am 19. Oktober 2021 – seit März spielt der Stürmer in seiner Heimatliga in Finnland für Lukko Rauma.


    Der Clown hat in der KHL ausgelacht: Henri Ikonen trägt das Kult-Jersey Jokerit Helsinkis beim Auswärtsspiel gegen SKA St. Petersburg am 19. Oktober 2021 – seit März spielt der Stürmer in seiner Heimatliga in Finnland für Lukko Rauma. Foto: Maksim Konstantinov (SOPA Images/LightRocket via Getty Images)

    Die National League ist zwar jene Liga mit den weltweit im Schnitt dritthöchsten Löhnen. Die teilweise Millionen-Jahressaläre der KHL-Topspieler können die Schweizer Clubs aber nicht zahlen – das ist auch den KHL-Spielern auf Clubsuche bewusst. Die Löhne dieser Spieler werden also drastisch sinken, sie werden sich den Marktpreisen anpassen müssen.

    Schweizer Sportchefs, die noch viele offene Importplätze für nächste Saison haben und Geduld beweisen, könnte der Exodus aus der KHL einem Lottosechser gleichkommen. «Viele dieser erhältlichen KHL-Spieler sind frühere NHL- oder Top-AHL-Spieler», sagt Wallén. «Wenn man sie haben kann, gibt es keinen Grund mehr, durchschnittliche AHL-Spieler zu holen.»

    Zitat
    «Wenn die Schweizer Sportchefs meinen, der sechste Ausländer werde nun extrem billig, dürfen sie eines nicht vergessen: Für gute Spieler können auch deutsche und schwedische Teams gewisse Summen zahlen.»
    Daniel Giger, Schweizer Spieleragent

    Ambri-Piotta zum Beispiel hat erst einen Ausländer unter Vertrag, Sportchef Paolo Duca wird also noch bis zu fünf neue Imports engagieren. Er könne nicht bei allen lange zuwarten, da ihm auch wichtig sei, für die Teamstruktur Spieler für bestimmte Positionen und Rollen zu verpflichten, sagt Duca. Bei den Nummern 4 bis 6 könne er sich hingegen vorstellen, zu «pokern» und auf ein «Schnäppchen» zu hoffen. Aber, so Duca: «Top-Ausländer werden weiter gut verdienen.»

    Dieser Meinung ist auch Daniel Giger. Der 47-jährige frühere Spieler arbeitet für «4sports», die in Zug ansässige grösste Spieleragentur in der Schweiz, die weltweit Spieler berät. Giger rechnet auch mit einem grossen Markt von guten KHL-Spielern und sinkenden Löhnen. Aber er sagt: «Wenn die Schweizer Sportchefs meinen, der sechste Ausländer werde nun dank der neuen KHL-Situation extrem billig, dürfen sie eines nicht vergessen: Für gute Spieler können auch deutsche und schwedische Teams gewisse Summen zahlen.»

    Vor allem schwedische Teams, wie auch Sven Leuenberger betont. Der Sportchef der ZSC Lions sieht die Skandinavier mittlerweile auf Augenhöhe mit der Schweiz: «Dies dank ihres lukrativen TV-Deals mit rund vier Millionen Franken pro SHL-Team. Und ab 2024 wird ja noch mehr ausgeschüttet.» Auch Leuenberger erlebt in diesen turbulenten Zeiten Premieren: «Kürzlich kontaktierten mich erstmals russische Agenten und fragten mich, ob ich an russischen Spielern interessiert sei.» Das seien Spieler eines Kalibers gewesen, die sonst für Schweizer Clubs nie infrage kommen würden. Er war der beste Goalie an den Olympischen Spielen in Peking: Der Finne Harri Säteri posiert am 20. Februar 2022 mit der Goldmedaille. Der 32-Jährige hat sein KHL-Team Sibir Nowosibirsk mittlerweile verlassen und wird die Saison in der NHL bei Arizona beenden. Für 2022/23 ist er noch ohne Club.


    Er war der beste Goalie an den Olympischen Spielen in Peking: Der Finne Harri Säteri posiert am 20. Februar 2022 mit der Goldmedaille. Der 32-Jährige hat sein KHL-Team Sibir Nowosibirsk mittlerweile verlassen und wird die Saison in der NHL bei Arizona beenden. Für 2022/23 ist er noch ohne Club. Foto: Harry How (Getty Images)

    Einer der Verlierer unter Gewinnern könnte Finnland werden. Hört man sich bei Hockey-Leuten der höchsten Spielklasse «Liiga» um, rechnet diese zwar auch mit einheimischen Rückkehrern aus der KHL. Hingegen sehen sie sich in der monetären Hackordnung hinter der Schweiz, Schweden und auch Deutschland. Das könnte ebenfalls einen Einfluss auf den Schweizer Goaliemarkt haben. Nicht nur sechs schwedische Goalies spielten diese Saison in der KHL, sondern auch dieselbe Anzahl Finnen. Einer davon war Janne Juvonen, der Anfang März zu Ambri-Piotta wechselte und bei den Tessinern zum Helden wurde. Wie gut diese Goalies sind, zeigt auch dies: Juvonen war bei Jokerit nur Ersatzgoalie …


    Der Unmut in Schweden über die in Russland bleibenden KHL-Spieler


    Noch läuft die KHL-Meisterschaft unbeirrt weiter, das Playoff ist in vollem Gang. Es sind bei den Teams, die noch im Rennen um den Titel sind, nach wie vor einige nicht russische Spieler dabei. Das sorgt gerade in Schweden für Kontroversen, man sieht ihre Landsleute als Teil der russischen Kriegspropaganda. Auch «4sports» betreut mit dem früheren Zuger Stürmer Oscar Lindberg einen Schweden, der bis zum letzten Mittwoch und dem Out seines Clubs Dinamo Moskau in Russland spielte.

    Die Spieler selbst äussern sich kaum dazu, selbst ihre in Schweden ansässigen Agenten schweigen teilweise. Ein von dieser Zeitung kontaktierter schwedischer Spielerberater verweist auf den Beschluss seiner Agentur, sich in keiner Weise zu KHL-Themen zu äussern, bevor nicht alle Spieler wieder sicher in der Heimat sind.

    Ganz so einfach ist eine vorzeitige Rückkehr allerdings auch nicht. Die KHL-Clubs üben einerseits viel Druck auf ihre Spieler aus, andererseits ist die Ausreise wegen des fast komplett ausgesetzten Flugverkehrs aus und nach Russland kompliziert und mit Schikanen verbunden. Den in der KHL verdienten Lohn in die Heimat mitzunehmen, ist ebenso eine Herausforderung. Er harrte bei Dinamo Moskau lange aus und war im Playoff mit 9 Punkten in 11 Spielen einer der besten KHL-Skorer: Oscar Lindberg, hier im Jersey des EV Zug, aufgenommen am 17. Dezember 2019 bei einem Spiel in Lausanne.


    Er harrte bei Dinamo Moskau lange aus und war im Playoff mit 9 Punkten in 11 Spielen einer der besten KHL-Skorer: Oscar Lindberg, hier im Jersey des EV Zug, aufgenommen am 17. Dezember 2019 bei einem Spiel in Lausanne. Foto: Monika Majer (RvS.Media/Getty Images)

    Die KHL zahlt die Löhne auf russische Konten in Rubel. Nicht nur hat die Währung seit Kriegsbeginn massiv an Wert verloren. Da die Sanktionen des Westens auch das russische Banksystem betreffen, ist es derzeit kaum möglich, Rubel auf ausländische Konten zu übertragen. Die Agenten empfehlen ihren Spielern, das Geld auf den russischen Konten zu belassen und das Ende des Krieges abzuwarten – mit dem Risiko, dass es dann «verschwunden» respektive «nationalisiert» sein könnte.


    Hin und wieder braucht es gutes Timing, damit der Abgang aus der KHL problemlos erfolgt – wie für Pär Lindholm. Der von Wallén betreute Stürmer von Bars Kasan nutzte die Olympiapause im Februar, um nach Schweden zu seiner Ehefrau zu reisen, um bei der Geburt seines Kindes dabei zu sein. Dann brach der Krieg aus, und Lindholm kehrte nicht mehr zurück.

  • Andersson übrigens vom SC Bern weg nach Lugano für 4 Jahre und Praplan für 3 Jahre nach Genf.

    Alle Teams in der Übersicht – die Transfers der National League der neuen Saison
    Die Klubs der National League arbeiten an ihrem Kader für die Saison 2021/22. Wer wechselt wohin? Die aktuellsten Transfers und eine Übersicht sämtlicher Teams.
    www.watson.ch

    Einmal editiert, zuletzt von Supreme (28. März 2022 um 21:09)

    • Offizieller Beitrag

    Andersson übrigens vom SC Bern weg nach Lugano für 4 Jahre und Praplan für 3 Jahre nach Genf.

    https://www.watson.ch/sport/fliegend…hre-nach-lugano

    Die DNA des SCB wird nun wirklich stark verändert. Und alle Klubs, welche wegen Corona auf Heulsuse gemacht haben, können

    nun doch wieder gute Transfers tätigen.

    Dann kommen noch ehem. KHL Spieler dazu - es läuft was in unserer Liga. Nur die Zuschauer hat man noch nicht alle zurückgewinnen

    können. Mal schauen wie's nächste Saison aussieht.

  • Die DNA des SCB wird nun wirklich stark verändert. Und alle Klubs, welche wegen Corona auf Heulsuse gemacht haben, können

    nun doch wieder gute Transfers tätigen.

    Dann kommen noch ehem. KHL Spieler dazu - es läuft was in unserer Liga. Nur die Zuschauer hat man noch nicht alle zurückgewinnen

    können. Mal schauen wie's nächste Saison aussieht.

    Die Vertragsauflösungen kosten zwar Geld, aber man ist aus verschiedenen Gründen der Meinung, dies "lohne" sich. Offenbar begann es ob der Diskrepanz zwischen Lohn und Leistung auch manschaftsintern etwas zu gären. Bei Sanierungen von Unternehmen ist es keine schlechte Idee, das nicht scheibchenweise zu tun, und die Gelegenheit zu nutzen, um "tabula rasa" zu machen. Weder Praplan noch Andersson sind "schlechte" Spieler, hatten aber nie den Einfluss, den ein Spieler in dieser Gehaltsstufe haben müsste. In ihrem Lohn war eine erhoffte Weiterentwicklung (Andersson) bzw. der erhoffte Schub an Spielintelligenz und offensiver Kreativität (Praplan) bereits "im voraus" bezahlt, die Gegenleistung liess leider zu wünschen übrig. Natürlich ist es nicht der Fehler der Spieler, wenn man ihnen "zuviel" bezahlt. Andererseits ist auch klar, wie es seit 3 Jahren tönen würde, wären einem Andersson damals abgeluchst worden, oder hätte man einen Praplan nicht verpflichtet. In der zauggschen Logik und derjenigen des Pöbels gäbe es für die Krise nur 2 Gründe: Der Lüthi war damals zu geizig, um in den Sport zu investieren, und 2 Leistungsträger vom Format eines Andersson oder Praplan zu halten / zu verpflichten....

    Ob die Nachfolger von Chatelain / Schelling ein glücklicheres Händchen haben bei ihren Transfers wird sich weisen.

  • Kloten verliert das erste Halbfinal-Spiel zu Hause gegen Thurgau in der Verlängerung. Bitterer Goaliefehler von Zurkirchen.

    Ein Goaliefehler war es, keine Frage. Ich nehme aber vielmehr Kindschi und Marchon in die Verantwortung, welche davor den Puck vertändelt und denn Schuss überhaupt ermöglicht haben (in Überzahl notabene). Wir haben das Spiel nicht wegen dem Goalie verloren, sondern wegen den Special Teams sowie zu viel ausgelassenen Chancen. Bei 5-5 waren wir meistens deutlich überlegen, aber mit zu wenig zählbarem Erfolg.

    Janu, steht erst 0-1, noch ist alles möglich.

  • Wie sich Wohlwend aufführt, ist absolut lächerlich. Kritisiert in Interviews seinen Goalie sehr direkt, schwafelt am Spiel vorbei und dann das:

    Sport-Clip - Lakers düpieren den HCD ein weiteres Mal - Play SRF
    Die Lakers schicken Davos in Spiel 3 der Playoff-Viertelfinalserie mit 4:0 nach Hause.
    www.srf.ch

    Ab Minute 5:47

    Die ersten fünf Sekunden Eiszeit für den 13. Stürmer, um abseits des Spielgeschehens den Topscorer über den Haufen zu fahren. Das KANN nur von Wohlwend kommen. Schickt den Mann in die Wüste, gopfertammi...

  • Die Leistungsträger beim HCD - insbesondere die Ausländer - schwächeln schon etwas. Und der junge Aeschlimann im Tor zahlt möglicherweise etwas "mentales" Lehrgeld, bzw. ist nicht auf dem Niveau, welches er in der Quali ausspielen konnte. Mit dem muss man aber rechnen wenn, wie allseits stets gefordert, den "Jungen" das Vertrauen geschenkt wird.

    Schwach ist natürlich die öffentliche Lageanalyse von Wohlwend; diese wäre in der Kabine und in Einzelgesprächen angesagt, aber doch nicht in Interviews. Da stärkt man den Spielern auch bei den dümmsten Fehlern den Rücken, insbesondere einem Goali, der natürlich zu wenig unterstützt wird von seinen Mitspielern (...völlig egal, ob es so gewesen ist oder nicht...). Als Trainer hat man öffentlich das gewohnte Repertoire an Standard-Floskeln abzuspulen, den starken Gegner zu rühmen, Analysen und Verbesserungen anzukündigen, etc. etc. +++ Warum Wohlwend das nicht endlich einsieht, nachdem er in der letzten Saison schon Goali Mayer desavouiert und faktisch zum Abgang gedrängt hatte, ist eigenartig.

    • Offizieller Beitrag

    Der oberste Chef des SC Bern zieht sich nach 24 Jahre überraschend zurück – Marc Lüthi schrieb eine der erfolgreichsten Geschichten im Schweizer Teamsport

    Ein Vierteljahrhundert lang hat Marc Lüthi den SCB geprägt und ihn zu einem der erfolgreichsten Sportunternehmen der Schweiz, wenn nicht Europas gemacht. Nun überlässt er die operative Führung Raeto Raffainer.

    Daniel Germann (NZZ)


    Unter Marc Lüthis Führung stieg der SC Bern zum erfolgreichsten Sportunternehmen der Schweiz, vielleicht sogar Europas, auf.

    Unter Marc Lüthis Führung stieg der SC Bern zum erfolgreichsten Sportunternehmen der Schweiz, vielleicht sogar Europas, auf.

    Anthony Anex / Keystone

    Am 11. Januar 1999 trat im Hotel Bern eine Gruppe älterer Herren vor die Medien, deren Botschaft die Stadt in einen Taumel versetzte: Der SCB muss nicht sterben. Die Konsumgüterholding Valora und ihr CEO Georg Krneta übernahmen für eine Million Franken die Aktienmehrheit am Klub. Valora hat die Bücher der AG zuvor prüfen und die Substanz der Aktien bewerten lassen.

    Die unabhängige Analyse ergab für die Aktie mit einem Nominalwert von 20 Franken einen Wert von 8.75 Franken. Ihr Angebot lag damit rund 30 Prozent über dem Marktwert. Zusammen mit einem Darlehen in der Höhe von 1,1 Millionen Franken öffnete das dem schwer überschuldeten SCB einen Weg in die Zukunft.

    Der Architekt hinter dem Deal hiess Marc Lüthi: Der damals 38-jährige Betriebsökonom stand in seinem zweiten Jahr als Geschäftsführer des Klubs. Übernommen hatte er das Mandat im Jahr zuvor weniger aus Überzeugung denn zur Schadensbegrenzung. 1995 hatte er zusammen mit seinem Compagnon Erwin Gross mit ihrer Firma IMS ein Mandat zur Produktion von Matchprogrammen und weiteren Printprodukten übernommen.

    Der Fast-Konkurs als Beginn einer Erfolgsgeschichte

    Der SCB lebte damals im Rausch. Jeder verfügbare Franken wurde umgehend in einen Spieler investiert. Schnell zeichnete sich ab, dass der SCB seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der IMS nicht ansatzweise würde nachkommen können.

    Der damalige SCB-Präsident Jürg Krachpelz suchte das Gespräch mit Lüthi, fragte ihn: «Was sind Sie von Beruf? Können Sie ein Unternehmen führen? Ich brauche dringend einen Geschäftsführer.» So ist es nachzulesen im Buch «Das Phänomen SCB» des Berner Journalisten Christian Dick.

    Es war der Beginn einer der grössten Erfolgsgeschichten im Schweizer Mannschaftssport. Unter Lüthis Führung stieg der SCB zum wirtschaftlich erfolgreichsten Sportunternehmen der Schweiz, vielleicht sogar Europas auf. Ohne Zuschüsse eines Mäzens gelang es ihm, während zwanzig Jahren und bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie regelmässig Gewinne in der Höhe von einigen 100 000 bis zu mehreren Millionen Franken zu schreiben.

    Die Basis dafür waren die grosse Publikumsmasse mit regelmässig 16 000 Zuschauern pro Match sowie ein Netzwerk von Restaurants in der ganzen Stadt, mit denen der Klub zusätzliche Einnahmen abseits vom volatilen Eishockey-Geschäft generierte.

    Am 30. März 2022 findet diese Erfolgsgeschichte ein Ende. Nach 24 Jahren an der Spitze des SCB zieht sich Marc Lüthi aus dem Geschäft zurück. Er überlässt die operative Führung seinem Sportdirektor Raeto Raffainer und wird neu Präsident des Verwaltungsrats mit rein strategischen Aufgaben.

    Basis für den wirtschaftlichen Erfolg des SCB ist die grosse Publikumsmasse - regelmässig kommen über 16 000 in die Postfinance-Arena.

    Eine Hirnblutung als Weckruf

    Schon seit mehreren Wochen hatten Gerüchte über den bevorstehenden Rückzug Lüthis in der Szene kursiert. Die mittlerweile dreijährige sportliche Erfolglosigkeit hatte Spuren hinterlassen, aber mehr noch eine schwere Erkrankung, und so reifte im mittlerweile 61-jährigen Lüthi die Einsicht, dass es Zeit ist, kürzerzutreten. Ausgangspunkt waren die gesundheitlichen Probleme in den vergangenen Monaten.

    Sie begannen mit Herzgeräuschen, gegen die er Blutverdünner nahm, diese trugen später zu einer Hirnblutung bei. Im Dezember stiess er sich im Büro den Kopf an, hatte danach latente Schmerzen und musste sich schliesslich zwei Eingriffen unterziehen. Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt danach sagte er Ende Februar: «Ich bekam Angstzustände, hatte Mühe mit dem Einschlafen, da ich nicht wusste, ob ich wieder aufwachen würde.»

    Es waren ungewohnte, aber auch bemerkenswert offene Worte. Der Manager zeigte auf einmal Schwächen. Es ist schwer nachzuvollziehen, was die gesundheitlichen Probleme im Kontrollmenschen Lüthi ausgelöst haben. Die Machtlosigkeit muss ihm die eigene Verletzlichkeit vor Augen geführt haben.

    Lüthi hat sich nie leicht damit getan, Verantwortung abzutreten. Er sprach überall mit und übertrat dabei auch immer wieder Grenzen. Es begann mit den unsinnigen Quartalszielen, die er Pekka Rautakallio, einem seiner ersten Trainer, vorsetzte und die letztlich auch zur Trennung vom Finnen führt. Lüthi hatte sie aus seinem Betriebswirtschaftslehrgang übernommen und dabei zu wenig beachtet, dass der Sport nicht im gleichen Masse planbar ist wie ein normaler Geschäftsbereich.

    Lüthi verpflichtete in seiner Amtszeit achtzehn Trainer und entliess die meisten von ihnen früher oder später auch wieder. Vor zwei Jahren verrannte er sich in der Idee, als erster Schweizer Profisportklub eine Sportchefin zu verpflichten. Er scheiterte krachend. Nach nicht einmal einer Saison musste er sich von Florence Schelling trennen. Der umsichtige und erfolgreiche Sportchef Sven Leuenberger zog sich zurück, weil Lüthi über seinen Kopf hinweg Patrick Fischer als neuen Trainer einsetzen wollte. Leuenberger arbeitet heute für die ZSC Lions.

    Lüthi holte den als Spieler ausgesprochen populären Alan Haworth an die Bande und entliess ihn nach wenigen Spielen unmittelbar nach einem Match wieder. Er feuerte Larry Huras mangels Unterhaltung und ohne in Erwägung zu ziehen, dass kaum ein anderer Trainer vor ihm jemals mit so vielen träfen Sprüchen geglänzt hatte und dazu auch noch Meister geworden war. Er trennte sich von Antti Törmänen, der die Mannschaft in eineinhalb Jahren einmal in den Play-off-Final und danach zum Titel trug, weil ihm dessen Umgang mit den Spielern zu nett war. Alan Haworth wurde von Lüthi als Trainer geholt – und war nach wenigen Spielen wieder weg.

    Alan Haworth wurde von Lüthi als Trainer geholt – und war nach wenigen Spielen wieder weg.

    Yoshiko Kusano/Keystone

    «Der König von Bern» – ein Titel, der Lüthi nicht passt

    Es war für sein Umfeld nicht immer einfach, es mit ML, wie er auf der Geschäftsstelle und in seiner Mail-Adresse kurz genannt wird, auszuhalten. Die «Weltwoche» bezeichnete ihn in einem Porträt einmal als «König von Bern», was ihm auch wieder nicht passte, weil es wohl der Wahrheit zu nahe kam.

    Lüthi hat in Bern einen kleinen Staat im Staate aufgebaut, der diesem von der Landwirtschaft, der Armee und diversen Bundesämtern angestaubten eidgenössischen Stand den einen oder anderen Glücksmoment beschert hat. In der Postfinance-Arena erlaubte sich Bern zu sein, wie es normalerweise nicht ist: laut, fordernd, zuweilen auch ein wenig überheblich.

    Lüthi hat immer gewusst, wer er ist und was er will. Der Weg, den er gemacht hat, hat ihn geprägt. Aufgewachsen im Berner Umland und im Kanton Luzern, begann seine berufliche Karriere unspektakulär. Er machte eine Lehre als kaufmännischer Angestellter und absolvierte danach ein Nachdiplomstudium in Betriebswirtschaft. In seiner Freizeit spielte er nicht Eishockey, sondern ruderte auf dem Wohlensee. In den ersten Jahren als SCB-Geschäftsführer las er nebenbei die Abendnachrichten auf dem TV-Sender «Tele Bärn».

    2004 wird der SC Bern erstmals in der Ära von Marc Lüthi Schweizer Meister.

    Youtube

    Er scheute sich nie, zum Erreichen seiner Ziele auch ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Als das hochkarätig besetzte Team im Winter 2012/13 in Rapperswil-Jona gleich 0:3 unterging, zitierte er die Spieler nach ihrer Rückkehr in Bern um 1 Uhr morgens in der Früh noch einmal zurück aufs Eis und liess sie eine halbe Stunde lang Runden drehen. Es war eine Lockout-Saison.

    Die NHL-Stars John Tavares, Mark Streit und Roman Josi gastierten in Bern und trauten ihren Augen nicht. Als der SCB im Frühjahr 2009 zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren als Qualifikationssieger in den Viertelfinals scheiterte und in Zug wütende Anhänger die Abfahrt des Mannschaftsbusses blockierten, stellte sich Lüthi dem Gespräch, spendierte Bier und entschärfte die aufgeladene Stimmung.

    Ein Machtzentrum zusammen mit dem ZSC

    Marc Lüthi hat seine Rolle im Schweizer Eishockey nie als die eines reinen Klubmanagers betrachtet. Er brachte sich ein und gewann an Einfluss. Zusammen mit dem ZSC-CEO Peter Zahner ist er bis heute der einflussreichste Klubfunktionär geblieben. Lüthi und Zahner nehmen Einfluss bei der Besetzung von Schlüsselstellen und helfen sich gegenseitig, um ihre Interessen durchzusetzen. Der heutige Ligadirektor Denis Vaucher hat seine Funktionärskarriere im SCB begonnen. Der Verbandspräsident Michael Rindlisbacher war SCB-Verwaltungsrat. Und der ehemalige Sportdirektor des Verbandes, Raeto Raffainer, hat sich in der Organisation der ZSC Lions auf seine Karriere nach der Karriere vorbereitet.

    Es ist nicht frei von Ironie, dass nun ausgerechnet der ehemalige ZSC-Protégé Raffainer in Bern auf Lüthi als CEO folgen und in dessen grosse Fussabdrücke treten wird. Der Engadiner spielte zwischen 2005 und 2008 drei Winter für den SCB und ist mit der ehemaligen SCB-Kommunikationschefin Luisa Weber verheiratet. Als Lüthi ihn vor gut einem Jahr vom HC Davos zum SCB holte, sagte er: «Raffainer hat einen 360-Grad-Winkel. Er sieht das Geschäft als Ganzes. Und genau das brauchen wir.»

    Viele Wechsel in der sportlichen Führung, Kontinuität im Back-Office

    Wer weiss, wie weitsichtig Lüthi plant, wie genau er seine wichtigsten personellen Entscheide neben dem Eis trifft, der muss zum Schluss kommen, dass er in Raffainer schon damals seinen potenziellen Nachfolger sah – wenn auch kaum so schnell. Denn so volatil das sportliche Umfeld des SC Bern unter Marc Lüthi war, so stabil war jenes der Menschen, die ihm im Back-Office den Rücken freihielten.

    Der Chief Operating Officer Rolf Bachmann war schon im Klub, bevor Lüthi die Geschäftsleitung übernahm, er kehrte nach drei Jahren in Davos und beim BSC Young Boys zurück. Der Finanzchef Richard Schwander arbeitet seit 1998 für den SCB, der Medienchef Christian Dick war in den letzten dreizehn Jahren für den Klub tätig. Er wird in diesem Frühjahr pensioniert.

    Diese Konstanz steht in grosser Diskrepanz zu den vielen Wechseln in der sportlichen Führung und zeigt, dass Marc Lüthi trotz seiner fordernden, manchmal auch überfordernden Art weit mehr richtig als falsch gemacht hat. Der Respekt, den er dafür erhält, geht weit über den eigenen Klub und dessen Anhänger hinaus.

    Der ZSC-Präsident Walter Frey sagte vor kurzem in einem Gespräch mit der NZZ, er wolle seinen Klub wieder zu einem Art Treffpunkt des lokalen Gewerbes machen: «Marc Lüthi hat das in Bern geschafft. Er hat sehr viel Gutes gemacht. Er hat seinen Weg eingeschlagen und ist diesen konsequent weitergegangen.»

    Marc Lüthi hat den SCB während fast eines Vierteljahrhunderts geprägt. Er war das Gesicht dieses Grossklubs, mit dem man sich freute und an dem man sich auch rieb. Nun zieht er sich zurück und wird Präsident. Der «Blick» schrieb vor drei Wochen, nachdem der SCB die Pre-Play-off-Qualifikation verpasst hatte: «Das System SC Lüthi ist am Ende.» Wenn sich das Boulevardblatt da nur nicht täuscht. Georg Krneta, Walter Born, Beat Brechbühl: die Präsidenten unter Lüthi, man erinnert sich zum Teil kaum mehr an ihre Namen. Sie waren stille Arbeiter, die sich im Hintergrund hielten und die Bühne ihrem charismatischen CEO überliessen.

    Doch wer sagt, dass das auch so bleiben wird?

  • Wenn schon in der Mannschaft ein grösserer Umbruch ansteht, so kann man die Gelegenheit auch noch für weitere Rochaden nutzen. Der Rückzug in den "strategischen" Bereich von ML wurde durch dessen gesundheitliche Probleme einfach etwas beschleunigt. Seine neuen Aufgaben - beispielsweise das Stadionprojekt - werden zwar nicht weniger fordernd sein, aber die sportliche Alltagshektik ist nicht mehr so präsent. Und für den Klaus ist nun auch endlich klar, was es mit dem "Obersportchef" genau auf sich hatte.

  • Wie sich Wohlwend aufführt, ist absolut lächerlich. Kritisiert in Interviews seinen Goalie sehr direkt, schwafelt am Spiel vorbei und dann das:

    Gestern hat der HCD nahtlos angeknüpft daran und es gab zwei weitere klare Checks gegen den Kopf von Nygren (bereits gesperrt) und Jung. Das erinnert mich an das letzte Duell zwischen uns und Lausanne, wo gezielt Spieler angegriffen werden...

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