- Offizieller Beitrag
Kolumne Werner Schweizer
Ovationen für einen Reporter
Es ist ein Jubeljahr für die Organisation der ZSC Lions. Im letzten Frühling galt es, das Jubiläum des gloriosen Triumphs gegen Lugano von 1992 zu würdigen. Es folgte der Meistertitel. Vor zwei Wochen verabschiedete sich Ari Sulander in grossem Rahmen. Am kommenden Sonntag steht das Spiel gegen den EHC Biel ganz im Zeichen des 80. Geburtstages von Walter Scheibli. Danach wird auch die GC-Eishockeysektion so alt wie die Stimme des ZSC.
Zu Ehren von Walter Scheibli treten die ZSC-Spieler in Retroshirts aus der Saison 1982/83 auf, als die unendliche Reportage ihres bekanntesten Begleiters auf Radio 24 begann. Das Merchandising bringt zu diesem Anlass Shirts mit dem Aufdruck des jubelnden Jubilars in den Verkauf. Scheibli wird in seinem kanariengelben Pullover auftreten, die Huldigungen von den Rängen so strahlend entgegennehmen wie in den vergangenen 30 Jahren. Und am Ende des Nachmittags auf ein Happy End hoffen, das etwa so tönen könnte oder sollte: «ZSC föif. Biel null.»
Vor der Einführung des Teletextes, vor dem Live-Fernsehen, vor dem Internet machte sich der Anhänger sein erstes Bild von einem Spiel oder einem Rennen durch das Radio. Die Schweiz wartete auf die Einschaltungen von Sepp Renggli oder Jean-Pierre Gerwig. Die eishockeyverrückten Kanadier auf Foster Hewitt, der den Satz prägte: «He shoots, he scores.» Und die Zürcher nach Roger Schawinskis Erfindung des Lokalradios auf «öise» Walter mit seinem ZSC.
Er ist ein Urzürcher, nur zwei Saisons jünger als der ZSC. Er wuchs im Milchbuck-Quartier etwa in der Mitte zwischen dem Hallenstadion und dem Dolder auf, wo alles begann. Sein Vater Walter war Oberturner im TV Oberstrass gewesen. Scheibli verschlug es beruflich auch ins Welschland. In Genf schaffte er es als Fussballtorhüter bis in die Nationalliga. Heute lebt er mit Frau Margrit wieder in seinem angestammten Zürcher Revier.
Scheibli wurde zur Kultfigur des Clubs, der in den 80er-Jahren mehr schlecht als recht über die Runden kam. Er war mitfeiernd, mitleidend, immer mitfiebernd. Parteiisch, aber nie fanatisch. Sein Platz im alten Hallenstadion war eine Bank neben dem Abgang in die Katakomben, wo auch der ehemalige Direktor Sepp Voegeli die Spiele zu beobachten pflegte. Wenn die Sicht vernebelt war und es niemanden auf den Stühlen hielt, stellte sich Scheibli auf sein Pult und erzählte weiter vom Sturm und Drang des ZSC, der manchmal so schnell verflog.
Zu den Auswärtsspielen fuhr er anfänglich im Mannschaftscar mit. Dann fanden sich verschiedene Chauffeure für den Reporter. Der frühere Präsident Fredy Duttweiler steuerte ihn im Lamborghini (Edit: Es war ein Ferrari) in die Ajoie oder in den Wilden Westen der Nationalliga B. Unvergessen bleibt auch der letzte Aufstieg 1989, der das Ende des Liftdaseins für den Club und Scheibli bedeutete. Oder: die Serie gegen Lugano, die viele eingefleischte ZSCFans über alles stellen. Seit diesen Abenden ist Arno Del Curto der bevorzugte Interviewpartner Scheiblis. Schliesslich der Zusammenschluss des ZSC mit dem finanzstarken B-Club GC 1997. Scheibli hatte gemischte Gefühle, fand sich aber mit der Situation ab und wehrte sich mit andern erfolgreich gegen den vorgesehenen Namen der
Konstruktion, Zürich Lions. Bis heute sind die ZSC Lions für ihn und Radio 24 «de Zett-Äss-Cee» geblieben. Der ZSC wurde zum Erfolgsmodell und sammelte Titel. Scheibli fand seinen Platz in der neuen Halle. Die Einschaltungen sind in jüngster Vergangenheit spärlicher geworden. Die Neuen Medien sind eine starke Konkurrenz. Was sich nicht geändert hat: Bis heute ist er wohl weltweit der einzige Reporter geblieben, der von den Rängen Ovationen erhält – «Waaalter Scheibli».
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