• Offizieller Beitrag

    ZSC Lions siegen in Bern 3:2

    Fast wie einst im April

    NZZ am Sonntag

    Ulrich Pickel, Bern

    Beinahe auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem denkwürdigen siebenten Finalspiel standen sich Stadtberner und Stadtzürcher zum ersten Mal in der Arena am Bärengraben wieder gegenüber. Die ZSC-Anhänger bemühten sich nach Kräften, mit Sprechchören und Plakaten die Erinnerung an das entscheidende Tor 2,5 Sekunden vor Schluss auf der Gegenseite wachzuhalten, doch das Berner Publikum hatte anderes zu tun, als sich mit Anspielungen auf die jüngste Vergangenheit provozieren zu lassen. Die Gegenwart bietet Gesprächsstoff genug.

    Da sind zum Beispiel die Lockout-Attraktionen John Tavares, Mark Streit und Roman Josi. Ihnen gegenüber besteht eine Erwartungshaltung, die bisweilen in astronomische Höhen steigt. Wohl bringt ihr Einfluss Klasse und Substanz ins ohnehin breite Berner Kader, aber er war einmal mehr nicht entscheidend. Der SCB-Express will einfach nicht so ins Rollen kommen, wie sich das die zahlreiche Anhängerschaft in der Bundesstadt wünscht.

    Immerhin: Nach 97 Sekunden gab Tavares ein eindrückliches Müsterchen seines Könnens ab. Keiner der Zürcher ging ihn konsequent an, worauf er tat, was er besonders gut kann. Er zog mit einem Handgelenkschuss ab, der eine Qualität hatte, wie sie ohne Lockout in der Schweizer Meisterschaft praktisch nie zu sehen ist. Das war dann aber auch fast alles, was die Berner zustande brachten. Ihr zweites und letztes Tor fiel erst nach 53 Minuten durch Vermin – zu spät, um das Spiel noch zu wenden.

    Dazwischen wurde der grösste Teil der knapp 16 500 Zuschauer zunehmend ratloser. Was nach der frühen Führung noch wie ein vergnüglicher Abend ausgesehen hatte, verkehrte sich bald ins Gegenteil. Schäppi glich in der 6. Minute aus, danach erhöhten Seger (im Powerplay) und Maurer (mit seinem ersten Saisontor) bis zur Spielmitte auf 3:1 für die Gäste.

    Mit der schieren Wut im Bauch versuchten die Berner wieder ins Spiel zu kommen, doch alle Druckphasen verpufften. Der SCB wirkte oft erstaunlich unbeholfen, hatte allerdings auch das Pech, auf ein Zürcher Team zu treffen, dem die bis dato beste kämpferische Leistung der Saison gelang. Fast wie einst im Play-off-Final im April strahlte Flüeler im Tor viel Ruhe aus, ein paar Mal hatte er auch das Glück des Tüchtigen. Seine Vorderleute wiederum wichen keinem Zweikampf aus, spielten selbstbewusst und clever und warfen sich bei Bedarf auch konsequent in die Berner Schüsse.

    Damit brachte der Meister den Vorsprung relativ sicher über die Runden und revanchierte sich gleichzeitig auch für das 2:3 vom 20. September im Hallenstadion. Es wirkte sich auch nicht negativ aus, dass die Lions ohne den Kanadier Brulé antraten. Er fehle «aus persönlichen Gründen», sagte der ZSC-Sportchef Edgar Salis. Der Stürmer sei aber weder krank noch verletzt. Wann er wieder spiele, sei offen. Weitere Angaben hierzu waren von Zürcher Seite nicht zu vernehmen.

  • Er hat wohl etwas Pech gehabt, kaum da scon groeber verletzt; und jetzt will er es wohl zu gut machen und setzt sich selbst unter Druck. Mal schauen was sich noch ergibt.
    Ich glaube noch immer dass er ein Top Stuermer ist..

  • Er hat in Kanada unter Depressionen gelitten. Sowas steckt keiner einfach weg. Darum auch nur ein 1-Jahresvertrag und vielleicht braucht er wirklich noch einige Zeit. Hat man die im Profisport?

  • Zitat von easy

    Er hat in Kanada unter Depressionen gelitten. Sowas steckt keiner einfach weg. Darum auch nur ein 1-Jahresvertrag und vielleicht braucht er wirklich noch einige Zeit. Hat man die im Profisport?

    leider nicht... aber nach diversen vorfällen (eins der traurigsten beispiel natürlich robert enke) sollte man es aber erwarten. auch wenn die einen viel verdienen, es stecken immer noch menschen dahinter.

  • Wenn das stimmt, dann finde ich seinen Entscheid in die Schweiz zu kommen eher fragwürdig.

    Hier steht er als Ausländer unter hohem Erwartungsdruck (ok, den hat er evtl. zu Hause auch), aber ich gehe nicht davon aus, dass er hier ein Umfeld hat, welches ihm bei Depressionen gross helfen kann. Sprich, Familie/Verwandtschaft, Kollegen etc sind ja kaum alle mit ihm zu uns gekommen.
    Bin zwar kein Spezialist, aber ich gehe davon aus, dass bei Depressionen ein gutes Umfeld noch viel wichtiger sind als sonst schon... Aber wer Spitzensportler ist, gibt wohl nicht so schnell auf.

  • Wenn er wirklich psychische Probleme hat, dann sollte er die in seinem gewohnten Umfeld behandeln lassen. Hier ist er praktisch auf sich allein gestellt und seine Teamkameraden haben wohl auch keine Erfahrung mit einer solchen Situation.

    Obwohl ich schon davon gelesen hatte, ging ich davon aus, dass seine Leistungen eher mit körperlichen Verletzungen zu tun hatten. Ich denke, das Ganze hat neben dem menschlichen Aspekt auch eine versicherungstechnische Seite, die zuerst abgeklärt werden muss.

    Ich bin gespannt darauf, wie Plan B aussieht, wenn es denn soweit kommt und wünsche Brulé all the best!

  • Neben den spielerischen Eigenschaften, die ein Ausländer mitbringen soll, erwartet man von ihm auch Leadership, was mit psychischen Problemen schlecht vereinbar ist in aller Regel. Von daher braucht er wohl vor allem viel, viel Zeit, alles andere ist sekundär. Und die Zeit hat er im Spitzensport definitiv nicht.

    Es war ja bekannt, dass Brulé schon mit Sportpsychologen zusammen gearbeitet hat bevor man ihn verpflichtet hat. Auch wusste man, dass er trotz seinem Riesen-Potential (#6 Draft overall 2005) selten konstante Leistungen in der NHL gebracht hat. Von daher war die Verpflichtung von Brulé ein grosses Risiko und ich gehe davon aus, dass Zahner, Salis & Co. dies auch gewusst haben. Man wird diese Woche am Plan B arbeiten und ich rechne nicht unbedingt damit, dass Brulé kurzfristig zurückkehrt. Auch wäre es ein grosses Risiko, ihn gegen Ende der Saison wieder zu holen, in der Hoffnung, dass alle Probleme, die er in den letzten Jahren hatte, nun in den nächsten Monaten gelöst sind.

    Wenn man eines bei Depressionen nicht voraussagen kann, dann ist es die zeitliche Komponente. Kurzfristige Lösunge gibt es schon gar nicht. Ich gehe mal davon aus, dass man nicht auf den Lockout-Zug aufspringen wird und wenn, dann einen "fulltime"-Ersatz verpflichten wird. Aber in der momentanen sportlichen Situationen sind wir ja zum Glück auch nicht unter Zeitdruck.

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