- Offizieller Beitrag
ZSC-Retter Jakub Kovar
Er sagte: Wenn das Knie nicht mitmacht, will ich kein Geld
Eigentlich wollte der tschechische Goalie aufhören, in Zürich hat er Hoffnung geschöpft, doch noch einen Titel zu holen. Aber länger bleiben will er nicht – wegen seines Sohnes.
Simon Graf
Publiziert heute um 16:29 Uhr
Dank der Kollegen: Jakub Kovar wird nach seinem zweiten Shutout von Willy Riedi geherzt.
Foto: Alessandro Della Valle (Keystone)
Vor dem Playoff-Start schwärmte Coach Rikard Grönborg über Goalie Jakub Kovar, der kurz vor Weihnachten zu den ZSC Lions gestossen war: «Mit seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein bringt er eine Selbstsicherheit in die Gruppe. Er hat uns einen Boost gegeben.» Wahrscheinlich verliessen sich die Zürcher dann aber etwas zu stark auf den Tschechen. In den ersten zwei Viertelfinalspielen gegen Biel (4:5, 3:4 in Overtime) liess Kovar so viele Tore zu wie nie zuvor, immer wieder im Stich gelassen von seinen Kollegen.
Ein, zwei Treffer wären haltbar gewesen, aber Kovar verhinderte mit zahlreichen spektakulären Paraden auch viele weitere. Und wie die ZSC-Anhänger aus den Zeiten mit Ari Sulander wissen: Auch ein Topgoalie kann einmal einen weniger guten Abend haben, entscheidend ist, wie er darauf reagiert. Die Reaktion Kovars war eindrücklich: Seit 148 Minuten und 27 Sekunden hat er kein Tor mehr zugelassen, die letzten 68 Schüsse hat er abgewehrt. Dank zwei 1:0-Siegen glichen die ZSC Lions die Serie auf 2:2 aus, weiter gehts am Donnerstag im Hallenstadion.
Zitat«Dieses Playoff ist ein Goodbye für mich. Das ist meine letzte Chance, einen Pokal nach Hause zu bringen.»
Jakub Kovar
Der 33-Jährige ist dieser Tage ein Mann auf einer Mission. Nach neun Jahren in der Fremde kehrt er nach dieser Saison in seine Heimat zurück. «Dieses Playoff ist ein Goodbye für mich. Das ist meine letzte Chance, einen Pokal nach Hause zu bringen», sagt er. «Das ist für mich eine Extramotivation.»
Die ZSC Lions boten ihm nach seinen starken Leistungen einen Vertrag für nächste Saison an, aber er lehnte ab: «Mein fünfjähriger Sohn wird nächstes Jahr eingeschult, und da will ich dabei sein.» Seine Frau blieb mit dem Sohn während seines Zürcher Gastspiels denn auch zu Hause im tschechischen Pisek, einer malerischen Stadt in Südböhmen mit rund 30’000 Einwohnern.
Dass er in diesem April überhaupt noch Eishockey spielen würde, hatte Kovar lang nur hoffen können. Eine Knieoperation im Frühling 2021 hatte nicht den gewünschten Effekt. «Der Eingriff löste ein Problem, zog aber noch ein grösseres nach sich», sagt er. «Ich hatte den ganzen Sommer Probleme.» Er rückte handicapiert ein für seine siebte Saison beim KHL-Club Awtomobilist Jekaterinburg, bestritt nur eine Partie und wünschte Ende September die Auflösung seines Vertrags. So ergab es für ihn keinen Sinn.
Ein Mann auf einer Mission: Jakub Kovar.
Foto: Sven Thomannn (Freshfocus)
Er kehrte nach Tschechien zurück und überlegte, ob er aufhören soll. Nachdem er seinem Körper eine Pause gegönnt hatte, stieg in ihm der Wunsch auf, es nochmals zu probieren. Er begann, die Muskeln rund ums Knie aufzubauen, um dieses zu stabilisieren, im Dezember sondierte sein Agent den Markt. ZSC-Sportchef Sven Leuenberger wurde sofort hellhörig. Er hatte Kovar schon länger beobachtet, zu seiner Berner Zeit hatte der SCB auch zweimal gegen den Tschechen gespielt. Leuenberger sagt: «Dass Kovar ein Topgoalie ist, wusste ich. Die Frage war nur: Hält sein Knie?»
Kovar einigte sich mit den Zürchern auf einen Vertrag, sagte aber auch: Wenn es gesundheitlich nicht gehe, wolle er auch kein Geld. «So etwas gibt es nur selten im Business», sagt Leuenberger. «Du hast gemerkt: Er wollte einfach spielen.» Das tat Kovar dann auch: Am 2. Januar gab er gegen Fribourg sein Debüt mit einem 4:2, es war sein erstes Spiel seit vier Monaten. «Ich war schon nervös», blickt er zurück. «Zum Glück war es kein so schwieriges Spiel. Und mit jeder Partie fühlte ich mich besser.»
Kovar verdrängte Stammgoalie Ludovic Waeber, den die ZSC Lions noch im September mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet hatten, im Nu als Nummer 1. Bis zum Ende der Regular Season startete er in 14 von 19 Spielen, fürs Playoff war er gesetzt. Und auch nach dem Fehlstart in die Biel-Serie hielt Grönborg an ihm fest – und wurde dafür belohnt. Wobei Kovar davon profitierte, dass seine Vorderleute nach dem Ausfall von Denis Malgin zu Beginn von Spiel 3 viel solider spielten.
Zitat«Im Playoff geht es nicht darum, so viele Tore wie möglich zu schiessen. Sondern primär darum, Tore zu verhindern.»
Jakub Kovar
«Als ich nach Zürich kam, merkte ich gleich, dass diese Mannschaft ein enormes offensives Potenzial hat», sagt Kovar. «Aber im Playoff geht es nicht darum, so viele Tore wie möglich zu schiessen. Sondern primär darum, Tore zu verhindern. Die beste Defensive gewinnt in der Regel. Daran arbeiten wir.»
Der Kontrast zwischen dem Spiel in der National League und der russischen KHL sei recht gross, hat er festgestellt. «Es ist für einen Goalie nicht einfach, hier gute Statistiken zu haben. Denn viele Teams spielen sehr offensiv, es gibt viele Puckverluste, viele gute Chancen, viele Powerplays. Die Schiedsrichter pfeifen sehr viel. Dass alles so unberechenbar ist, macht es aber auch interessant. Wenn du in Russland zwei Tore zurück warst, war das Spiel praktisch vorbei. Hier kannst du auch noch gewinnen, wenn du vier Tore in Rückstand liegst.»
So weit soll es für die ZSC Lions im Playoff indes nicht mehr kommen. Denn Kovar hat ja ein grosses Ziel: endlich einen Titel zu gewinnen. Sein 20 Monate jüngerer Bruder Jan, den er in den letzten Monaten oft in Zug besuchte, hat ihm da etwas voraus: Der Stürmer gewann mit Magnitogorsk zweimal die KHL-Meisterschaft (2014, 16) und wurde im vergangenen Frühling Schweizer Meister.
Der EVZ sei auch diesmal das Team, das es zu schlagen gelte, sagt Jakub Kovar. Auf die Zuger könnten die ZSC Lions erst im Final treffen. Aber bis da braucht es noch ganz viele Paraden des reflexstarken Tschechen.